Stadt & Leute

MigrantInnen und Armut

Ihr Ausländerrat/Migrationsrat informiert

Die Erstellung eines Armuts- und Gesundheitsberichtes als Grundlage für eine Politik des sozialen Ausgleichs und der Bekämpfung von Armut im Auftrage der rot-grünen Regierung hat die Debatte um die Auswirkungen von Armut und sozialer Ungleichheit auf nationaler Ebene angestoßen.

Die Vorlage eines Nationalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Armut aus dem Jahre 2004 und die damit verbundene Koordinierung des politischen Handelns auf europäischer Ebene ist ein weiterer Beleg für den vollzogenen Politikwechsel. Definiert man Armut als verminderte Teilhabe und Unterversorgung in den Lebensbereichen Einkommen, Bildung und Arbeit, so werden gleichzeitig ihre Hauptfaktoren bezeichnet. Neben unzureichender Ausbildung und fehlenden Bildungsabschlüssen stellt Arbeitslosigkeit nach wie vor die wesentliche Ursache für ein erhöhtes Armutsrisiko dar. Es geht hier folglich nicht lediglich um die Verteilung materieller Ressourcen, sondern auch um die Teilhabe- und Verwirklichungschancen der Bevölkerung in Bereichen wie Bildung, Ausbildung, Erwerbstätigkeit und Gesundheit.Die Daten belegen ein wachsendes Armutsrisiko bei Migranten. Es ist zwischen 1998 und 2003 von 19,6 Prozent auf 24 Prozent gestiegen und liegt weiterhin deutlich über der Armutsrisikoquote der Gesamtbevölkerung. Der Anstieg ist maßgeblich auf die im Jahr 2004 fast doppelt so hohe Arbeitslosenquote der ausländischen Bevölkerung (20,4 Prozent) im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (11,7 Prozent) zurückzuführen.

Die Sozialhilfequote ist fast dreieinhalb Mal so hoch wie für die deutsche Bevölkerung. Auch in Heidelberg sind „Ausländer“ nach den aktuellen Arbeitsmarktdaten (der Agentur für Arbeit Heidelberg im Januar 2007) bei einer Arbeitslosenquote von 10,2 Prozent bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen mit 21,2 Prozent überdurchschnittlich hoch vertreten. Primäre Ursache dafür, dass Migranten häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sind vor allem die Defizite in der sprachlichen Kompetenz und der schulischen sowie beruflichen Qualifikation. Kinder ausländischer Herkunft weisen weiterhin deutlich schlechtere Bildungsabschlüsse auf und haben daher ungünstigere Ausgangsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt als Deutsche. Auch die Ausbildungsbeteiligung bleibt dementsprechend geringer. Auch wenn das Problem Migranten und Migrantinnen zunächst gleichermaßen betrifft, leben insbesondere Frauen, Kinder und ältere Migranten unter der Armutsgrenze.

Eine einheitliche Betrachtung von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt ist nicht möglich. Auf der einen Seite stehen Migrantinnen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht als Konkurrenz gelten, da sie meist den Bedarf an flexibel einsetzbaren und gering bezahlten Arbeitskräften decken, auf der anderen Seite erleben wir eine enorme Dequalifikation von Migrantinnen. Viele in Deutschland akademisch ausgebildete Migrantinnen stehen vor der enormen Hürde, sich auch außerhalb des ihnen zugewiesenen Bereichs, zum Beispiel in der Sozialarbeit mit Migranten und Migrantinnen, dauerhaft zu etablieren.

Armut bei Migrantinnen ist oftmals eng mit Diskriminierung und sich daraus ergebender Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt verbunden. Diese Verhaltensweisen verschärfen die Bedingungen von Armut, Marginalisierung und sozialer und wirtschaftlicher Ausgrenzung von Frauen in Minderheitengruppen. Frauen aus ethnischen oder religiösen Minderheiten erfahren aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft oder Religion eine doppelte Diskriminierung, die sie häufig daran hindert, einen Arbeitsplatz zu finden. Diese Frauen leben aufgrund dieser Situation entweder in extremer Armut in Abhängigkeit von ihrem Ehemann oder sind gezwungen, ohne Sozialschutz und unter schlechten Arbeitsbedingungen zu arbeiten.

Hervorzuheben ist weiter, dass Armut und soziale Ausgrenzung nicht länger auf der Grundlage von Zahlen nur unter ökonomischen Gesichtspunkten verstanden werden dürfen, sondern auch auf der Grundlage von Menschenrechtskriterien zu erfassen sind.

Man sieht, dass Armut viele Gesichter hat, sie ist folglich auch durch mangelnde Beteiligung an Entscheidungsprozessen und am bürgerlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben gekennzeichnet.

Dabei kommt den (aufenthalts-)rechtlichen Rahmenbedingungen eine entscheidende Größe zu. Restriktive Bedingungen wie das Erwerbsverbot für Asylbewerberinnen reduzieren nicht nur räumliche Bewegungsfreiheit, sondern mindern auch die Chancen, überhaupt eigene Netzwerke aufzubauen.

Mit der Zielsetzung im Bereich Soziales beschreibt der erst kürzlich verabschiedete Stadtentwicklungsplan Heidelberg 2015 die wesentlichen Faktoren hin zu einer Stadt des sozialen Ausgleichs: Bekämpfung von Armut, Verhinderung von Ausgrenzungen und die Überwindung sozialräumlicher Spaltungstendenzen.

Die Stärkung kommunaler Mitsprachemöglichkeiten durch Einbindung von Migranten-Selbstorganisationen oder gewählter Gremien, wie den Ausländerrat/Migrationsrat, ist genauso unerlässlich, wie Investitionen in die sozio-kulturelle Struktur unserer Stadt. Hierfür bildet der Stadtentwicklungsplan 2015 eine geeignete Grundlage. Hervorzuheben bleibt auch die Schaffung dauerhafter finanzieller Sicherheit für Einrichtungen, die Frauen in Notsituationen Schutz und Hilfe gewähren, wie zum Beispiel das Frauenhaus Heidelberg.

Fidan Kiliç, Mitglied des Ausländerrates/Migrationsrates

Verantwortlich für den Inhalt: Ausländerrat/Migrationsrat der Stadt Heidelberg, Geschäftsstelle: Telefon 06221 58-10360, E-Mail auslaenderrat@heidelberg.de.