Stadt & Leute

Mann des Auges und des Handwerks

Der Grafik-Designer Erwin Poell zu Gast in der Reihe „Erlebte Geschichte – erzählt“

Seit 1995 ist er mindestens all jenen bekannt, die das Logo der Stadt Heidelberg kennen und verwenden. Damals erhielt Erwin Poell den Auftrag, ein modernes und einheitliches Erscheinungsbild für die Stadtverwaltung zu entwickeln. Inzwischen hat das Logo das kurfürstliche Wappen weitgehend abgelöst.

Erwin Poell (Foto: Rothe)
Erwin Poell (Foto: Rothe)

Michael Buselmeier stellte den erfolgreichen Grafik-Designer anhand seiner opulenten Werkmonografie, erschienen 1993 im Birkhäuser Verlag, vor und fragte den „Mann des Auges“ – „und des Handwerks“, wie Poell sogleich ergänzte – nach seiner Profession: „Ist ein Grafiker ein Künstler?“ Erwin Poell verneinte mit dem Hinweis, ein Grafik-Designer müsse immer dem Zeitgeist auf der Spur bleiben, um die Produkte zu vermarkten: „Es ist ein dienender Beruf,“ so Poell. Nach seinem Erfolgsrezept befragt erklärte er, er habe früh angefangen, den Auftrag zu hinterfragen und die Auftraggeber gefragt „Wozu brauchen Sie das?“

Erwin Poell zählte über drei Jahrzehnte zur Spitzengruppe seines Fachs. Im Alter von 75 Jahren beendete er 2005 nach 60 Jahren seine berufliche Tätigkeit. Geboren wurde er 1930 in Ravensburg. Im Alter von 14 Jahren begann seine berufliche Ausbildung in verschiedenen Berufen: vom Lithographen zum Schriftsetzer über Reprotechnik und Fotosatz zum Verlagshersteller. „Das gesamte Leben war ein learning by doing,“ erinnert er sich heute. Erste eigene Arbeiten waren Plakate und Prospekte für Theatergruppen.

Ohne Abitur gelang es ihm, ab 1951 bei Professor Brudi an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart zu studieren. Die Zeit nach dem Krieg schilderte er als „die schönste Zeit meines Lebens“, er erlebte eine interessante Zeit des Aufbruchs mit vielen neuen Eindrücken aus dem Ausland. 1953 kam er nach Heidelberg und wurde Herstellungsleiter und Buchgestalter im Keyser Verlag. Unter seiner Regie entstanden Karl-May-Bände, Fachzeitschriften und Plakate. 1955 machte er sich selbstständig. In den folgenden fünfzig Jahren als freischaffender Designer war er über drei Jahrzehnte einer der meistbeschäftigten Buchgestalter in der Bundesrepublik. Als Art Director der Verlage Ullstein und Propyläen in Berlin von 1966 bis 1971 schuf er unter vielem anderen auch die Ullstein-Eule.

Weitere Aufgaben von Chemie- und Pharmaunternehmen, von Europarat, Ministerien, Schulbuch- und Lexikonverlagen (er gestaltete die Umschläge der grünen Pons-Wörterbücher) kamen hinzu. Für die Deutsche Bundespost entwarf er über 30 Jahre lang Postwertzeichen, die in einer Auflage von über einer Milliarde gedruckt wurden.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit galt der naturwissenschaftlichen Wissensvermittlung in der Zusammenarbeit mit Prof. Hoimar von Ditfurth und führenden Naturwissenschaftlern. Für seine Arbeiten erhielt Erwin Poell nahezu 100 nationale und internationale Preise und Auszeichnungen.

„Erlebte Geschichte – erzählt“ ist auch als Buch erhältlich, Band 1 und 2 gibt es jeweils zum Preis von 20,50 Euro im Kulturamt, Haspelgasse 12, sowie im Buchhandel. (doh)