Stimmen aus dem Gemeinderat

SPD

Reiner Nimis

„Sehr geehrter Herr Präsident,

Bild: Reiner Nimis
Bild: Reiner Nimis

ich sagte ihnen bereits, es stinkt allmählich zum Himmel. Nicht genug damit, dass die Partei der Finsternis arme Teufel umlegt und Boualem auch mit von der Partie ist, jetzt weigert er sich auch noch, uns nur eine einzige Kartoffel auf Pump zu geben. Ich flehte ihn an, Vernunft anzunehmen, aber der von Miloud und seiner Clique aufgehetzte sture Bock begann zu schreien und wehrte jeden Versuch ab, miteinander zu reden, um die Feindschaft zu begraben. Er schwört auf den Kopf seines Großvaters, dass wir nicht die kleinste Zwiebel zu sehen bekommen, bevor wir unsere Schulden nicht vollständig abbezahlt haben. Da kann ich ihm lang erklären, dass sogar der Internationale Währungsfonds seine Abkommen trifft, er erwidert nur, das sei ihm sch…egal, womit wieder einmal bestätigt wäre, dass Krämerseelen nichts rausrücken und Schulden der Tod jeder Freundschaft sind. Wie soll man mit solchen Dickschädeln auskommen, die nicht einsehen, dass die Probleme durch die Komplexität der Globalisierung eng verflochten sind …“

Houari Boubarnous, Lehrer im Ruhestand, Erfinder des „universalen Rechenschiebers“, Generalsekretär der Partei „Die Erde für Alle“ und öffentlicher Schreiber – die Romanfigur des diesjährigen Preisträgers – hätte mit dem Vorwurf der „Krämerseele“ beinahe auch den Heidelberger Gemeinderat treffen können. Schließlich wurde 2004 die Verleihung des Preises „Literatur im Exil“ aus finanziellen Gründen um ein Jahr verschoben. Umso erfreulicher ist es, dass die Jury mit der Auswahl von Hamid Skif und dessen Briefroman „Sehr geehrter Herr Präsident“ den Stiftungszweck dieses Heidelberger Literaturpreises überzeugend bestätigt hat. Vor acht Jahren musste Skif mit seiner Familie aus Algerien ins Exil nach Deutschland fliehen, wo er nach Jahren politischer Verfolgung endlich wieder als Dichter arbeiten und seinen gesellschaftskritischen Gedanken Ausdruck verleihen konnte. So skurril seine Geschichten um den öffentlichen Schreiber Bourbarnous auch sind, man erkennt dahinter die Beschreibung der politischen Zustände im Algerien der letzten dreißig Jahre. Dichter und Laudator machten bei der Preisverleihung deutlich, dass wir allen Anlass haben, uns mehr um die noch immer instabilen Verhältnisse in diesem nordafrikanischen – oder besser: südeuropäischen? – Land zu kümmern, wenn das Exil nicht letzter Ausweg für politisch Andersdenkende bleiben soll. Hamid Skif sagt „Spott ist die Höflichkeit der Verzweiflung“. Wer das Buch liest, wird ihn verstehen.