Thema der Woche

„So wichtig wie für Sehende die Zeitung“

Interview mit Karin Dülfer von WEB for ALL, einem Heidelberger Verein, der sich für Barrierefreiheit im Internet einsetzt

Von der Konzeption bis zur Umsetzung hat die Stadt mit WEB for ALL, einem Projekt des Vereins zur beruflichen Integration und Qualifizierung (VbL) zur Barrierefreiheit im Internet, fortlaufend die Probe aufs Exempel gemacht, um sicher zu stellen, dass sehbehinderte, blinde und motorisch eingeschränkte Menschen umfassenden Zugang zu den städtischen Informationen erhalten.

Karin Dülfer (Foto: Rothe)
Karin Dülfer (Foto: Rothe)

Frau Dülfer, Sie und Ihr Team von WEB for ALL waren die Testpartner/innen für die neue städtische Website. Auf welche Hindernisse stoßen sehbehinderte oder blinde Menschen bei nicht barrierefreien Internetseiten?

Barrieren gibt es viele. Für sehbehinderte Nutzerinnen und Nutzer sind zum Beispiel kleine Schriften, die nicht vergrößert werden können, und geringe Kontraste besonders problematisch. Blinde können sich auf Seiten mit unverständlichen Links nur mit großer Mühe orientieren. Eine Navigation, die aus Bildern ohne Beschreibung besteht, ist für blinde Menschen wie eine Navigation ohne Inhalte. Nur durch Zufall werden die gesuchten Inhalte gefunden.

Barrieren gibt es aber nicht nur für blinde und sehbehinderte Menschen, sondern auch für gehörlose, manuell-motorisch eingeschränkte und lernbehinderte Nutzerinnen und Nutzer. Das Ziel von WEB for ALL ist, dass das Internet für alle Nutzer zugänglich ist, und dass alle Behinderungsarten berücksichtigt werden.

Welche Bedeutung hat das Internet für Sie im Alltag?

Da ich Informationen in Schwarzschrift nicht lesen kann, ist das Internet für mich so wichtig wie für sehende Menschen die Zeitung. Mir stehen so viele Informationen zur Verfügung wie nie zuvor: Fahrpläne, Kochrezepte, das Programm meines Fitnesscenters und vieles mehr. Wenn die Seiten barrierefrei sind, kann ich alle Informationen leicht finden. Dann kann ich auch Formulare mit sensiblen Daten selbstständig online ausfüllen. Das erspart viele Wege und macht mich unabhängig von fremder Hilfe.

Wie beurteilen Sie das Ergebnis des städtischen Neuauftritts?

Bei dem neuen Auftritt werden die Bilder gut beschrieben. Dies ist wichtig, weil auch blinde Menschen sich für den Inhalt von Bildern einer Website interessieren. Generell problematisch sind aber noch PDF-Dateien. Mit dem Screenreader, einem Programm zum Vorlesen der Bildschirminhalte und der Übertragung in Punktschrift, ist die Information noch nicht richtig zugänglich. WEB for ALL wird die Stadt bei der Erstellung barrierefreier PDF-Dateien unterstützen.

Wie steht es mit der Barrierefreiheit in anderen Städten?

Viele Kommunen in Baden-Württemberg haben Barrierefreiheit schon in ihr Leitbild aufgenommen. Aber bei einigen heißt Barrierefreiheit nur, dass eine Textversion des Auftritts angeboten wird. Hier wird nur die Gruppe blinder und sehbehinderter Menschen berücksichtigt. Barrierefreie Websites bringen aber Vorteile für alle mit sich. Wegen der guten Struktur können Inhalte leichter von Suchmaschinen gefunden werden, die Texte sind verständlich, und wegen der Geräteunabhängigkeit können die Seiten auch mit verschiedenen Browsern oder Handys betrachtet werden.

Heidelberg nimmt eine Vorreiterrolle ein, da bereits vor längerer Zeit beschlossen wurde, eine Website für alle anzubieten und sich die Oberbürgermeisterin stark für Barrierefreiheit engagiert.
(brö)