Kultur

„Eigenschöpferische Werke“

Das Museum Haus Cajeth feiert sein 25-jähriges Bestehen – Ein STADTBLATT-Gespräch mit dem Begründer Egon Hassbecker

Dass er eines Tages in einem der schönsten Heidelberger Barockhäuser eine Buchhandlung und ein Museum betreiben würde, hätte sich der junge Egon Hassbecker aus Leipzig nicht träumen lassen. Wie es dennoch dazu kam, erzählt er im STADTBLATT-Interview.

Egon Hassbecker mit seiner Lebensgefährtin Barbara Schulz vor einem Bild von Mario Chichorro im Museum Haus Cajeth.
Egon Hassbecker mit seiner Lebensgefährtin Barbara Schulz vor einem Bild von Mario Chichorro im Museum Haus Cajeth. (Foto: Welker)

? Herr Hassbecker, Sie hatten als junger Mann zunächst eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Wie wurden Sie zum Buchhändler und Kunstsammler?

Egon Hassbecker: Als Kind war ich ein Träumer, kannte mich selber zu wenig, um meine berufliche Neigung zu entdecken. Im Krieg wurde ich erst zum Arbeitsdienst und dann zum Militär eingezogen und kam bei der Kapitulation für fünf Jahre in russische Gefangenschaft. Nach der Entlassung nach Leipzig und meiner späteren Flucht in den Westen beschloss ich, meine Leidenschaft für Kunst und Literatur zum Beruf zu machen. 1965 gründete ich in Eberbach am Neckar die Galerie der (Hinter-) Hofbuchhandlung und eröffnete sie mit meiner ersten Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

? Was fasziniert Sie besonders an der Primitiven Kunst?

Hassbecker: 1970 entdeckte ich bei dem Maler Gunter Ehrhardt ein Bild, das mich irritierte. Es war ein Bild von großer Schlichtheit und ich erfuhr, dass es von einer ostpreußischen Bäuerin, die Minna Ennulat hieß, stammte. Sie hatte einen Sonntag gemalt, an dem in der sommerlichen Landschaft ihrer verlorenen Heimat die Bauern unterwegs waren zur Kirche von Rogalen. Ich war ergriffen. So begann ich mich für Bilder zu interessieren, deren Merkmal es ist, dass sie nicht akademisch gemalt und doch zu eigener, stimmiger Form gelangt sind.

? Wie kamen Sie nach Heidelberg?

Hassbecker: 1979 wollte unser Eberbacher Hausbesitzer das Hinterhaus, in dem ich meine Galerie eingerichtet hatte, abreißen lassen, um dort ein neues Haus zu errichten. Da kam das Angebot von Dr. Wolfgang Wagner (dem damaligen Kämmerer der Stadt Heidelberg), bei der Suche nach geeigneten Räumen in Heidelberg helfen zu wollen, gerade recht. - Bei der Besichtigung der Haspelgasse 12 zeigte sich, dass die schönen Räume schwer heruntergekommen waren und wir sehr viel Arbeit hinein stecken müssten. Aber Barbara Schulz und ich verliebten uns in das Haus und mit Unterstützung der Stadt Heidelberg richteten wir es wieder her. 1980 eröffneten wir Galerie und Buchhandlung mit einer Ausstellung der Malerin Lore-Lina Schmidt-Roßnagel und ausgewählten Bildern aus unserer eigenen Sammlung.

Die Stadt Heidelberg wollte außerdem mit uns ein Museum gründen, damit wir unabhängig von Galerie und Buchhandlung, Teile unserer Sammlung „Primitive Malerei im 20. Jahrhundert“ der Öffentlichkeit zugänglich machen könnten. So sanierten wir zunächst einen weiteren Raum im Erdgeschoss und später nach dem Umzug des Vermessungsamtes auch die ganze erste Etage. Am 19. November 1982 konnten wir das Museum eröffnen.

? Wie bekam das Museum seinen Namen?

Hassbecker: Weil uns das alte Haus (erbaut 1735) ans Herz gewachsen war, nannten wir es nach seinem Erbauer „Museum Haus Cajeth“. Anton Cajeth war Kurfürstlicher Münzward unter Carl Theodor.

? An welche Ausstellungen erinnern Sie sich besonders gerne?

Hassbecker: Das sind viele, vielleicht „Es kommt alles aus mir selbst“ mit der wir 1995 Malerei und Holzschnitzerei von Bauern aus Polen zeigten oder „Zeichen und Wunder“ im Herbst 1996, eine gemeinsame Ausstellung mit dem Heidelberger Völkerkundemuseum. Wir stellten die Bilder und Zeichen des italienischen Bauern Pellegrino Vignali den Objekten außereuropäischer Kulturen gegenüber. Als Publikumserfolg erwies sich im Frühsommer 2005 die Ausstellung „Der Gespensterberg“ mit kleinen Collagen und Zeichnungen von John Elsas.

Immer wieder haben wir Kunst von Außenseitern der Gesellschaft ausgestellt, wie 1999 die malenden Romakinder aus der Slowakei, 2002 die Bilder von Menschen, die intellektuell beeinträchtigt sind und in der Kraichgauer Kunstwerkstatt in Sinsheim arbeiten, aus der Diakonie Stetten im Remstal und 2006 der Stiftung de La Tour in Kärnten. Einige von ihnen haben so originelle eigenschöpferische Werke geschaffen, dass wir sie als große Bereicherung der Gegenwartskunst erleben. Sie zu sammeln, sollte hinkünftig eine weitere Aufgabe unseres Museums sein.

Vignali & Widmaier

In seiner Jubiläums-Ausstellung zeigt das Museum Haus Cajeth, Haspelgasse 12, Werke von Pellegrino Vignali und Helmut Widmaier jeweils Montag bis Freitag von 11 bis 17 Uhr.  (doh)