Kultur
Fast wäre er Priester geworden
Hans Gercke im Gespräch mit Michael Buselmeier bei der „Erlebten Geschichte“
36 Jahre lang, bis 2006, war Hans Gercke Leiter des Heidelberger Kunstvereins. Im Gespräch mit Michael Buselmeier gab er Einblicke in seinen Lebensweg, wobei die Gesprächspartner einige Gemeinsamkeiten entdeckten.
Beide sind in Heidelberg aufgewachsen und eigentlich nie von der Stadt am Neckar losgekommen. Beide haben das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium besucht und anschließend Kunstgeschichte studiert und konnten hier prächtig ihre Erinnerungen an die Marotten so mancher Lehrer und Professoren auffrischen. Auch stellte sich heraus, dass beide als uneheliche Söhne aufgewachsen sind, was zur damaligen Zeit kein leichtes Los war.
Hans Gercke verlor auch noch früh seine Mutter, als er gerade mal vier Jahre alt war, und wuchs bei drei Tanten auf. Er erinnert sich an „viel zu viel Fürsorge“, aber auch an erste Ferien in Bayern, wo er durch die prunkvoll gestalteten Kirchen zum „Barock-Fan“ wurde. Das katholische Umfeld sollte ihm später während des Studiums zum Vorteil gereichen, weil er mit der Ikonographie der Heiligenbilder bereits vertraut war.
Und beinahe wäre er Priester geworden, nicht nur weil ihn Ritus und Musik sehr faszinierten, auch weil seine frommen Tanten das gerne wollten. „Ich konnte mir ja auch gar nicht vorstellen, wie man sich als Vater verhält“, erinnert er sich. Aber dann hat er seine Frau kennen gelernt und als Feuilleton-Redakteur bei der Rhein-Neckar-Zeitung angefangen. Um genügend Geld zu verdienen ist er außerdem als „Wanderprediger durch die Volkshochschulen gepilgert“ und hat Einführungen in die Kunst der Gegenwart gegeben.
1970 wurde ihm die Leitung des Heidelberger Kunstvereins angeboten, zunächst ehrenamtlich, bis 1975 eine bezahlte Stelle geschaffen wurde. Er hat den 1869 gegründeten Kunstverein professionalisiert und zu einem Informationsforum über Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst gemacht.
Schon in den ersten Jahren präsentierte er kinetische Kunst, künstlerische Fotografie, aber auch Rauminstallationen. Großen Erfolg erlebten seine Ausstellungen „Der Baum“ (1985), vor allem aber „Blau – Farbe der Ferne“, mit der 1990 das neue Domizil des Kunstvereins eingeweiht wurde. Sie zog 130.000 Besucher an, eine Resonanz, die der Ausstellung „Der Berg“ 2003 versagt blieb. Eine große Aufgabe sah Hans Gercke in der Talentsuche und präsentierte dem Publikum gerne „Angebote zur Wahrnehmung“. (doh)