Kultur
Theater auf Fernreise
Interview mit Intendant Peter Spuhler zur neuen Spielzeit 2006/2007
„Traum von der Ferne“ ist das Motto, mit dem das Theater und Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg in die Spielzeit 2006/2007 startet. Den Anfang macht am 17. September das Figurentheatersolo „Oskar und die Dame in Rosa“ im Kinder- und Jugendtheater zwinger 3. Erste Premiere auf der Städtischen Bühne ist am 29. September Hans Zenders moderne Oper „Chief Joseph“. Was die neue Spielzeit noch zu bieten hat, verriet Intendant Peter Spuhler dem STADTBLATT.
STADTBLATT: Herr Spuhler, Sie haben gerade eine erfolgreiche erste Spielzeitbilanz präsentiert. Heidelberg hat sein „neues“ Theater und Philharmonisches Orchester dem Spielzeitmotto gemäß „sehnsuchtsvoll“ aufgenommen. Die Erwartungen hängen nun ziemlich hoch. Gehen Sie und Ihr Team deshalb belastet in 2006/2007?
Spuhler: Im Gegenteil: sehr glücklich, weil wir so sehr die Zuneigung des Publikums und der Fachjournalisten gewinnen konnten. Wir freuen uns über die höchsten Zuschauerzahlen seit Jahren, und soeben habe ich erfahren, dass unsere Schauspielerin Ute Baggeröhr ein Votum als beste Nachwuchsdarstellerin in der wichtigen Fachzeitung „Theater heute“ erhalten hat. Und Susanne Schwieter eines als wichtigste Nachwuchsbühnenbildnerin für ihre Bühnenbilder und ihre Gestaltung des zwinger1. Das sind, nach dem Kritikervotum der „Deutschen Bühne“ als interessanteste kleinere deutsche Bühne im deutschsprachigen Raum, zwei weitere aufregende Auszeichnungen. Interessant, welche Aufmerksamkeit der zwinger1 überregional gleich im ersten Jahr erreicht hat! Glücklich bin ich übrigens auch über den Spielplan, der jetzt kommt, denn ich finde ihn noch spannender als den, der hinter uns liegt.
STADTBLATT: Mehr als 40 Premieren stehen auf dem neuen Spielplan. Welche ist für Sie die aufregendste Produktion?
Spuhler: Jede Sparte hat vielfach Aufregendes zu bieten. Mit „Chief Joseph“, wagt das Heidelberger Theater viel: Der Freiheitskampf der Indianer, ein ungewöhnliches Thema für eine Oper. Hier hat sich ein wunderbares Team um den jungen Regisseur Benedikt von Peter, unser hervorragendes Ensemble und GMD Cornelius Meister zusammengefunden. Mit „Maxi Singles“, der Uraufführung des Stückemarktpreisträgers im zwinger1, stellen wir eine junge Autorin der Öffentlichkeit vor, der eine große Zukunft bevorsteht. Und mit Annette Pullen haben wir eine sehr vielsprechende, junge Regisseurin für die theatralische Umsetzung von Kafkas „Amerika“-Roman gewinnen können. Wir machen also das, wofür die Heidelberger Bühne seit jeher steht: aufstrebenden Talenten eine Chance geben! Dass Annette Büschelberger ein Weihnachtsmärchen von August Strindberg ausgewählt hat finde ich aufregend, wie auch, dass Cornelius Meister und unser Philharmonisches Orchester sich im 6. Philharmonischen Konzert im Rahmen des Heidelberger Frühlings einem höchst ebenso aufwändigen wie begeisternden Werk gewidmet haben: der Turangalila-Symphonie von Oliver Messien. Und mit großer Spannung erwarte ich den Aufbruch im Tanz unter Joachim Schlömer und seinem Team ab Ende Oktober.
STADTBLATT: Die Produktion, an der sich wahrscheinlich die meisten Geister scheiden werden?
Spuhler: „Chief Joseph“ wird sicher darunter sein. Deswegen ist es auch Programm, dass wir damit die Spielzeit eröffnen. Schauspielregisseur Martin Nimz hat mit „Die Räuber“, „Effi Briest“ und „Woyzeck“ die Heidelberger sowohl begeistert wie heftige Diskussionen ausgelöst und gezeigt, dass er der Mann für ebenso schlüssige wie radikale Deutungen ist. Es wäre schön, wenn das für seine Inszenierung von Kleists „Michael Kohlhaas“ wieder so gelten würde.
STADTBLATT: Die Produktion, die dem jungen Heidelberg am besten gefallen wird?
Spuhler: Es würde mich nicht wundern, wenn es eine der oben genannten Inszenierungen würde. Die Fans des zwinger1 warten sicher auch auf die neue Patrick Wengenroth-Produktion. Er hat uns ja mit dem Publikumshit „Planet Porno“ in die Vorauswahl des Berliner Theatertreffens katapultiert. Es würde mich übrigens freuen, wenn noch mehr Publikum von der Städtischen Bühne den Weg in die Zwingerstraße finden würde! Und den jungen wie älteren Anhängern unserer Kult-Spielstätte friedrich5 sei gesagt: das Programm findet einschließlich der „Friedrichstraße“ mit vielen neuen Ideen seine Fortsetzung!
STADTBLATT: Und dem etwas älteren Heidelberg?
Spuhler: Das vermeintlich „ältere“ Heidelberg ist im Geschmack oft ziemlich jung und innovativ! Ich denke, dass die „Madama Butterfly“-Inszenierung der international renommierten Regisseurin Reinhild Hoffmann große Begeisterung auslösen wird. „König Oedipus“ hatte viele Fans in der vergangenen Spielzeit – jetzt kommt mit „Oedipus auf Kolonnos“ die Fortsetzung dieser Inszenierung im Schauspiel. Und die Barockoper „Motezuma“ bietet nicht nur wunderschöne Musik, sondern auch optische Opulenz mit dem Papierbühnenbild eines mexikanischen Künstlers – übrigens exklusiv im Schlosstheater in Schwetzingen.
STADTBLATT: Welche Produktion wird das Fachpublikum mit Spannung erwarten?
Spuhler: Die besonders innovativen natürlich! Das sind außer den bereits genannten bestimmt die weiteren Stückemarkt-Uraufführungen im zwinger1: „Argo“ von Marek Kochan, das vom Lesepublikum mit dem Preis des „Freundeskreises“ ausgezeichnet wurde und „Das erste Mal“ von Michael Walzack, das Preisträgerstück des europäischen Autorenpreises, mit dem wir den nächsten Stückemarkt eröffnen. Man wird wissen wollen, wie die junge Regisseurin Mareike Mikat Patrick Lindemanns neuen Theatertext „Ulzanas Rache“ zur Uraufführung bringt. Und man wird die 250 Jahre verschollene Vivaldi-Oper sehen wollen.
STADTBLATT: Wenn Sie’s nicht hätten: Warum müssten Sie sich jetzt ein Theaterabo kaufen?
Spuhler: Damit ich von diesen Inszenierungen möglichst wenige verpasse! Und weil es keine günstigere Möglichkeit gibt, ins Theater zu gehen. Ich spare bis zu 45 Prozent. Das ist doch ein einzigartiger Vorteil! (eu)
Infos zur neuen Spielzeit, zu Kartenvorverkauf, Freundeskreis, Abonnements und Serviceangeboten des Theaters und Philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg finden Sie im Internet unter www.theaterheidelberg.de oder bei HeidelbergTicket, Theaterstraße 4, Telelefon 58-20000. Die neueste Ausgabe der Theaterzeitung „Sehnsucht“ wird dem STADTBLATT am 27. September beiliegen.