Stadt & Leute

Augenzeugenberichte gegen Kriegs-Legenden

„Größte Härte...“ – Ausstellung über die Wehrmacht in Polen September/Oktober 1939 in der Friedrich-Ebert-Gedenkstätte

Vor 67 Jahren begann der zweite Weltkrieg. Am 1. September 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht auf Befehl Hitlers in Polen ein. Was dort in den darauf folgenden Wochen geschah, ist Inhalt der Ausstellung „Größte Härte...“, die derzeit in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in der Paffengasse zu sehen ist.

In Tschenstochau gingen Soldaten der Wehrmacht buchstäblich über Leichen. (Bild: USHMM Photoarchives, Washington DC, USA)
In Tschenstochau gingen Soldaten der Wehrmacht buchstäblich über Leichen. (Bild: USHMM Photoarchives, Washington DC, USA)

Die vom Deutschen Historischen Institut in Warschau gemeinsam mit dem polnischen Institut des Nationalen Gedenkens konzipierte Ausstellung will vor allem zwei Legenden widerlegen, die nach dem Krieg im Bewusstsein vieler Deutscher weiterlebten: dass nämlich erstens sich die Wehrmacht an die Regeln des Kriegsrechts gehalten und zweitens der Vernichtungsfeldzug im Osten erst mit dem Einmarsch in die Sowjetunion 1941 begonnen habe.

Hitler selbst hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass weder das eine noch das andere stimmt. Die Ausstellung zitiert aus seiner Ansprache, mit der er den höheren Befehlshabern der Wehrmacht eröffnete, welchen Charakter der Krieg gegen Polen haben sollte: „Herz verschließen gegen Mitleid. Brutales Vorgehen. 80 Millionen Menschen müssen ihr Recht bekommen. Ihre Existenz muss gesichert werden. Der Stärkere hat das Recht. Größte Härte.“

Viele Wehrmachtsangehörige – vor allem wohl jüngere, die aufgrund der Nazi-Propaganda in der Heimat von ihrer „rassischen Überlegenheit“ überzeugt waren – handelten gemäß dieser „Anweisung“. Augenzeugenberichte schildern, wie polnische Soldaten, die bereits in Gefangenschaft geraten waren, ebenso wie polnische Zivilisten reihenweise erschossen wurden, wie Städte bombardiert und Dörfer samt darin lebender Menschen verbrannt wurden.

Plünderungen waren zwar – aus der Furcht, die Disziplin der Truppe könnte darunter leiden – offiziell verboten. Dennoch: Vor allem Häuser und Geschäfte polnischer Juden wurden von deutschen Soldaten ausgeraubt, jüdische Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt. Und die Täter konnten sicher sein, dass ihnen so gut wie keine Bestrafung – und wenn doch, dann nur eine geringe – drohte.

Entsprechend zynisch klang die am 4. Oktober 1939 in Kraft getretene „Generalamnestie“ Hitlers: „Aus Anlass der siegreichen Beendigung des uns aufgezwungenen Feldzuges in Polen bestimme ich: Taten, die in der Zeit vom 1. September 1939 bis zum heutigen Tag in den besetzten polnischen Gebieten aus Erbitterung wegen der von den Polen verübten Gräuel begangen worden sind, werden strafrechtlich nicht verfolgt.“

Die Ausstellung läuft bis zum 12. November. Ein Katalog zur Ausstellung (20 Euro) ist ebenso wie ein vom Ausstellungsmacher Jochen Böhler verfasstes und von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenes Taschenbuch „Auftakt zum Vernichtungskrieg – Die Wehrmacht in Polen 1939“ (2,50 Euro) in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte erhältlich. (br.)