Kultur

„Viel Unterstützung erfahren“

Gespräch mit Thorsten Schmidt, dem Leiter des Musikfestivals Heidelberger Frühling

Wegen eines finanziellen Defizits von 439.000 Euro ist das Musikfestival Heidelberger Frühling ausgerechnet im erfolgreichen Jubiläumsjahr 2006 in die Schlagzeilen geraten. Auf seiner Sitzung am 20. September beschloss der Gemeinderat jedoch mit großer Mehrheit, das Musikfestival unter Leitung von Thorsten Schmidt weiterzuführen und das Defizit auszugleichen, wenngleich Kritik am Finanzmanagement des Festivalleiters laut wurde. Heike Dießelberg sprach mit Thorsten Schmidt.

Ein Porträt des Festivalleiters Thorsten Schmidt
Der Leiter des Musikfestivals "Heidelberger Frühling", Thorsten Schmidt. Foto: Ortner

STADTBLATT: Herr Schmidt, als künstlerischer Leiter des Musikfestivals Heidelberger Frühling werden Sie in vollen Tönen gelobt, als Verantwortlicher für die finanzielle Schieflage jedoch kräftig abgewatscht. Wie geht es Ihnen angesichts der aktuellen Turbulenzen beim Frühling und der Kritik an Ihrer Person?

Thorsten Schmidt: Eine solche Situation hinterlässt Spuren, dies vor allem dann, wenn man sich gerade auch persönlich sehr für eine Sache eingesetzt hat. Ich hatte Visionen und habe gekämpft – und erhielt die Chance, den Heidelberger Frühling aufzubauen. Wir haben mit einem Budget von 80.000 Euro im Jahr 1997 begonnen und lagen in diesem Jahr bei knapp 800.000 Euro. Wohlgemerkt: Mittel, die wir akquirieren mussten. Einen solchen Weg kann man nur zurücklegen, wenn man sich vollkommen mit einer Aufgabe identifiziert. Wir sind gerade wegen dieses auch ökonomischen Erfolges immer wieder sehr gelobt worden. Die wirtschaftliche Verlässlichkeit war neben der inhaltlichen Arbeit stets ein wesentliches Markenzeichen des Heidelberger Frühlings. Daher ist es auch für mich persönlich nicht einfach, dass wir in diesem Jahr wirtschaftlich in eine solche Schieflage geraten sind. Da passiert es leicht, dass aufgrund einer akuten krisenhaften Zuspitzung dann plötzlich die letzten zehn Lebensjahre in Frage gestellt werden. In der jetzigen Lage geht es aber nicht um meine persönliche Gefühlslage, sondern darum, dass wir den Heidelberger Frühling weiterhin auf Erfolgskurs halten.

STADTBLATT: Gründe fürs Defizit wurden viele genannt: ausgeuferte Kosten im Bereich Marketing, der Jubiläumsball oder auch eine Fehlkalkulation bei den städtischen Zuschüssen. Wird ein kaufmännischer Geschäftsführer, der Ihnen demnächst zur Seite gestellt werden soll, für die Zukunft solche Defizite wirklich verhindern können? Oder liegen die Probleme nicht eher im strukturellen Bereich, wie auch im Gemeinderat gemutmaßt wurde?

Schmidt: Die Aufgabe, ein solches Defizit in Zukunft zu verhindern – wie ich dies ja während des zehnjährigen Bestehens des Festivals mit Ausnahme des Heidelberger Frühling 2006 Jahr für Jahr getan habe – liegt in erster Linie bei mir. Gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer wird es nun darum gehen, die Strukturen den gewachsenen Anforderungen des Festivals anzupassen. Ich halte es für sinnvoll, gemeinsam mit jemandem, der oder die Erfahrungen mit privatrechtlichen Organisationsformen hat, den Heidelberger Frühling in die nächste Dekade zu führen. Ich hatte bereits im März 2005 darauf hingewiesen, dass die derzeitige Organisationsform Gefahren für das Festival in sich birgt. Die Oberbürgermeisterin und der Kulturbürgermeister haben daraufhin sofort reagiert und dem Gemeinderat die Gründung einer gGmbH vorgeschlagen. Damit wird maximale Transparenz in Hinblick auf die Kosten geschaffen. Der Heidelberger Frühling funktioniert ja auf besondere Weise. Mit der gGmbH stellt die Stadt Heidelberg die Grundlagen für die Organisation des Heidelberger Frühlings bereit. Dazu gehören das Personal, die Büroräume sowie die gesamte Büroinfrastruktur. Das ist die Maschinerie, mit der das Festival produziert wird. Damit die Maschine laufen kann, müssen private Mittel akquiriert werden, denn für das Programm und die Werbung verfügt das Festival über kein öffentliches Budget. Bevor auch nur ein Ton Musik erklingt, müssen wir Mittel akquirieren. Damit wird deutlich, dass neben den Bürgerinnen und Bürgern, die unsere Konzerte besuchen und durch ihren Kartenkauf den Heidelberger Frühling mit ermöglichen, beide, Sponsoren und die Stadt Heidelberg, für das Festival unabdingbar sind. Ohne private Mittel kann die Maschine nicht produzieren, und ohne Maschinerie würden auch die privaten Mittel keine Wirkung entfalten können. In der Aufgabe, jedes Jahr aufs Neue die Maschine wieder zu füttern, liegt allerdings immer wieder eine große Herausforderung.

STADTBLATT: In der Heidelberger Kulturszene dürften das Defizit und sein Ausgleich durch den Gemeinderat alles andere als positiv aufgenommen worden sein. Da kämpfen freie Kultureinrichtungen um winzige Zuschüsse, da startet das Theater eine Bürgeraktion, um die dringend nötige Sanierung zu ermöglichen... Wie erklären Sie denen, was gelaufen ist?

Schmidt: Das ist für mich persönlich eigentlich das Schlimmste. Ich kenne die Situation beispielsweise des Unterwegstheaters und vieler anderer Kultureinrichtungen gut. Daher kann ich es sehr gut verstehen, wenn Stadträte auf das Gerechtigkeitsproblem hinweisen.

Allerdings habe ich gerade von den Kollegen aus den Kultureinrichtungen unglaublich viel Unterstützung erfahren. Gerade sie sehen die Schwierigkeit, dass wir als ein Festival dieser Größenordnung, das sein Programm über Sponsoren finanziert, nicht auf Mainstream setzen, sondern in unseren Schwerpunkten versuchen, Sperriges zu vermitteln. Das heißt: Wir stellen eigentlich etwas auf die Beine, das üblicherweise nur bei Kultureinrichtungen mit festem Programmbudget möglich ist. Dennoch ist es nachvollziehbar, dass manche Einrichtungen sauer sind.

STADTBLATT: Wesentliches Standbein des Musikfestivals sind die Sponsoren. Springen die Ihnen jetzt ab? Welche Rückmeldung haben Sie von den Partnern und Unterstützern des Frühlings bekommen?

Schmidt: Solche krisenhaften Situationen verdeutlichen ja immer wieder, wo die wirklichen Freunde und Partner sind. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass wir sehr viele Freunde haben. Die Firmen haben sich hinter uns gestellt. Viele haben versucht, uns Mut zu machen.

Die Sorge war groß, dass uns das Erreichte unter den Fingern zerrinnt. Aber auch viele normale Konzertbesucher haben Briefe geschrieben, angerufen, sind einfach vorbeigekommen oder dem Freundeskreis beigetreten. Von Seiten der Künstler, die dem Festival verbunden sind, ist die Sorge groß, dass gerade die besonderen Projekte wie die Förderung Neuer Musik, die Workshops oder die Zusammenarbeit mit den Schulen nun nicht mehr zu halten sind.

Hier bin ich mir aber sicher, dass wir durch die neue Organisationsstruktur gemeinsam mit der Stadtspitze Handlungsspielräume für die Festivalleitung erhalten können, die auch zukünftig solche Projekte möglich machen. Gerade diese Handlungsspielräume sind es, die im Hinblick auf die Sponsoren von zentraler Bedeutung sind, denn mit dem Heidelberger Frühling unterstützen unsere Unternehmenspartner ein Festival, dessen Erfolg auf dem besonderen inhaltlichen Profil beruht.