Stadtentwicklung

Radikal? Behutsam? Radikal-behutsam!

Viertes Schlossgespräch über Architektur mit Volker Staab

„Wir engagieren uns sehr gern, um eine Debatte über Baukultur auf hohem Niveau zu initiieren“, betonte Erster Bürgermeister Bernd Stadel, der als vierten Gast in der Reihe der Schlossgespräche den gebürtigen Heidelberger Volker Staab begrüßte.

Der gebürtige Heidelberger Architekt Volker Staab beim Schlossgespräch
Der gebürtige Heidelberger Architekt Volker Staab beim Schlossgespräch (Foto:Ross)

Staab, Inhaber eines renommierten Berliner Architekturbüros, hat zum bekanntesten Heidelberger Bauwerk eine ganz besondere Beziehung: Als Kind erkundete er mit seinen Schulfreunden die Schlossruine und ihre Katakomben. „Das Ruinöse des Pulverturms war für mich das Beeindruckendste“, so Staab.

Auch Nichtstun ist Zerstörung

Nicht nur eine Sprengung hat gravierende Folgen für Bauwerk und Ortsbild. „Jeder Eingriff in eine historische Substanz ist Zerstörung, aber ebenso das Nichtstun“, betonte Staab. „Jeder Eingriff in einen historischen Ort bedeutet eine Abwägung. So gehören das Alte und das Neue zu jeder Stadt, wenn sie nicht ein museales Ausstellungsstück sein soll.“ „Behutsam-radikal“ oder „radikal-behutsam“ sind die Schlüsselworte für Staab. „Behutsamkeit ist eine Frage von Respekt, eine Haltung“, betont Staab und erzählt von der Moschee in Córdoba. Nach der Reconquista, der Rückeroberung der iberischen Halbinsel durch die Christen, bauen diese mitten hinein eine Kathedrale – ein radikaler Eingriff −, doch ohne die Moschee vollständig zu zerstören. „Das erzählt viel mehr Geschichte, als wenn das eine dem andern gewichen wäre“, so Staab.

„Macht uns behagliche Städte!“

Von Córdoba zurück nach Heidelberg: Erstmals widmete sich ein Schlossgespräch in breiterem Umfang auch aktuellen Heidelberger Architekturfragen. Podiumsteilnehmerin Hilde Léon – der Entwurf des Büros Léon Wohlhage Wernik für die Stadthallenerweiterung wurde mit einem Ankauf gewürdigt – würde sich neben der Stadthalle „ein Statement wünschen, in der Dimension sensibel, in der Sprache radikal.“ Doch dem stehe die vox populi entgegen, wie Moderator Reinhard Hübsch beobachtet hat, sie fordere: „Macht uns behagliche Städte!“

„Niemand will Heidelberg sein Postkartenbild nehmen“

Den Grund für die besondere Vehemenz der Architekturdiskussion in Deutschland sieht Staab in den Zerstörungen der Kriegs- und Nachkriegszeit. „Niemand will Heidelberg sein Postkartenbild nehmen“, versichert er für die Architektenzunft, aber ein paar Reibungspunkte an der einen oder anderen Stelle, um nicht ins Museale abzudriften, wären doch angeraten, so sein Ratschlag.

Die Diskussion über zeitgemäßes Bauen im Umgang mit historischer Bausubstanz geht weiter. Auch im kommenden Jahr werden in der Reihe der Heidelberger Schlossgespräche zwei Veranstaltungen mit hochkarätigen Gästen aus der internationalen Architekturszene stattfinden.   (rie)