Kultur

„Unsere Generation hatte viel Glück“

Der Romanist Prof. Dr. Arnold Rothe zu Gast bei „Erlebte Geschichte – erzählt“

Gesprächsgast von Michael Buselmeier in der Reihe des Kulturamtes „Erlebte Geschichte – erzählt“ war Ende November – im Rahmen der Französischen Woche – Dr. Arnold Rothe, Professor emeritus für Romanistik an der Universität Heidelberg.

Prof. Dr. Arnold Rothe (links)  im Gespräch mit Michael Buselmeier (Foto: Philipp Rothe)
Prof. Dr. Arnold Rothe (links) im Gespräch mit Michael Buselmeier (Foto: Philipp Rothe)

Im Mittelpunkt des Gesprächs stand zunächst sein Vater, der Schriftsteller Carl Rothe (1900-1970), von 1941 bis 1944 Generalsekretär der Europäischen Schriftstellervereinigung. Carl Rothe lebte ab 1940 mit seiner Familie in Überlingen. Sein Haus war ein kulturelles und literarisches Zentrum der Gegend, ein Ort, wo viele ausländische Schriftsteller verkehrten. Man findet heute seinen Namen im Zusammenhang mit der sogenannten Bodensee-Literatur, nachzulesen im Buch von Manfred Bosch „Bohème am Bodensee: Literarisches Leben am See von 1900 bis 1950“.

Der 1935 in Berlin geborene Arnold Rothe verbrachte seine Jugendjahre in Überlingen. Obwohl zunächst an Kunstgeschichte und – nach der Lektüre von C. W. Cerams „Götter, Gräber und Gelehrte“ – an Archäologie interessiert, studierte er ab 1955 Latein und Geschichte in Freiburg, unter anderem bei Hugo Friedrich. Zeitweilig arbeitete er als Hauslehrer bei dem Bildungsforscher Hellmut Becker, in dessen Haus in Kressbronn ein Gutteil der damaligen bundesrepublikanischen Elite ein und aus ging: Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker, Georg Picht, Otl Aicher, Alexan-der Kluge und viele andere.

1957/58 verbrachte Arnold Rothe ein Studienjahr an der Sorbonne, auf das Staatsexamen 1961 folgte 1962/63 ein Jahr in Madrid. Dort lernte er seine spätere Frau Sibylle Scheid kennen. 1964 bekam er eine Assistentenstelle in Köln, wo er bei Fritz Schalk promovierte und sich 1969 habilitierte.

Bereits 1970 erhielt er einen Ruf nach Heidelberg, auf Erich Köhlers Lehrstuhl. „Unsere Generation hat unglaublich viel Glück gehabt“, so Rothe rückschauend, „wir waren für den Nationalsozialismus wie für den Krieg zu spät geboren.“ Es war die Zeit der neu entstehenden Universitäten. „Plötzlich wurden überall Lehrstühle geschaffen, so dass man sich seinen Lehrstuhl praktisch aussuchen konnte.“ Arnold Rothe entschied sich für Heidelberg, obwohl hier – anders als im noch ruhigen Köln – die Studentenrevolte in vollem Gange war.

Rothe las dreißig Jahre lang französische und spanische Literaturgeschichte mit einem besonderen Interesse an Barock und Moderne. Anfangs bevorzugte er Themen wie den Nouveau Roman und die Nouvelle Critique, später die große lateinamerikanische Literatur, schließlich – vermittelt durch einen früheren Doktoranden, der ihn nach Rabat zu Vorträgen einlud – auch die maghrebinische Literatur. Im Jahr 2000 wurde er emeritiert. Für seine Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft wurde Rothe 2001 zum Officier im Orden der „Palmes Académiques“ ernannt.

Leider reichten die 90 Minuten Gesprächszeit nicht aus, um auch den politischen Menschen Arnold Rothe zu beleuchten. Erwähnt sei deshalb an dieser Stelle zumindest sein Engagement für diejenigen späteren Hochschulabsolventen, die nicht mehr die freie Auswahl auf dem Stellenmarkt hatten: 1992 hat Professor Rothe am Romanischen Seminar die Initiative „Magister in den Beruf“ ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, neue Berufsfelder für Geistes- und Sozialwissenschaftler zu erschließen. (rie)