Stadt & Leute

Kindesschutz: Keiner fällt durchs Netz

Stadt Heidelberg und Universität starten 2009 das Kooperationsprojekt „HEIKE“

„HEIKE – Keiner fällt durchs Netz“ heißt das neue Kooperationsprojekt von Stadt und Universität zur Stärkung des Kindesschutzes. Die Abkürzung steht für Heidelberger Kinderschutz Engagement, das beide Institutionen gemeinsam ausbauen wollen.

Mehr Schutz für die ganz Kleinen verspricht „HEIKE“
Mehr Schutz für die ganz Kleinen verspricht „HEIKE“ durch eine engere Zusammenarbeit aller Institutionen, die ständig Umgang mit Kleinkindern und Familien haben. (Foto: Kinder- und Jugendamt)

Anlass für die Initiative sind die steigenden Fälle so genannter Kindswohlgefährdungen. Im Fokus stehen dabei insbesondere Kinder im Alter bis drei Jahren, die in noch keinerlei System sozialer Kontrolle, beispielsweise durch Kindergärten oder Schulen, stehen. Bundesweit sind die Zahlen alarmierend: In Deutschland sterben nach wie vor durchschnittlich zwei Kinder pro Woche infolge familiärer Gewalt. Rund fünf Prozent aller Neugeborenen sind potenziell oder tatsächlich gefährdet. Bei Kindern unter einem Jahr werden diese in der Regel Opfer von Gewalt durch ihre leiblichen Eltern.

Auch in Heidelberg ist die Entwicklung besorgniserregend: Zählte das Kinder- und Jugendamt im Jahr 2006 noch 125 Meldungen von Kindswohlgefährdung, von denen sich 52 bestätigten, waren es 2007 bereits 223. In 86 Fällen bestätigte sich der Verdacht. „Die Tendenz ist leider weiter steigend“, berichtet Myriam Feldhaus, Leiterin des Kinder- und Jugendamtes der Stadt.

Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner: „Wir haben bislang bereits viel für den Schutz von Kindern getan. Jetzt ist es an der Zeit die bestehenden Kooperationsstrukturen und Qualitätsstandards auszubauen und neue Partner hinzuzugewinnen.“ Eine Lücke sehen die Beteiligten in der Verknüpfung der Hilfesysteme der Jugend- und der Gesundheitshilfe. Die Schwachstelle: Nach wie vor herrscht in der Öffentlichkeit und sogar auch bei medizinischem Fachpersonal große Unsicherheit im Umgang mit problematischen Familien. Oft hapert es an zeitigem Austausch zwischen Jugendamt, Ärzten und Kliniken, die mit „Hoch-Risiko-Familien“ oft nicht umzugehen wissen. OB Würzner: „Wir haben das große Glück mit der Universitätskinderklinik bereits einen Partner vor Ort zu haben, der sich punktuell dieser Fälle annimmt. Aber der Bedarf an Unterstützung ist viel größer. Deshalb haben wir mit HEIKE ein umfassenderes System früher Hilfen ins Leben gerufen, in das im Rahmen eines Netzwerks „Soziales Frühwarnsystem und frühe Hilfen“ weitere Partner aus der Jugend- und Gesundheitshilfe eingebunden sind.“

Ziel des Heidelberger Kinderschutz Engagement ist es, die Öffentlichkeit und die professionellen Dienste und Einrichtungen wie beispielsweise Kinderärzte, Frauenärzte, Pflegepersonal und Hebammen für Kinderschutzbelange zu sensibilisieren. Berufsgruppen und Institutionen, die bislang kaum oder gar nicht mit Kindesschutz zu tun hatten, sollen in die Verantwortungsgemeinschaft Kinderschutz integriert werden. Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Schule, Polizei und Familiengericht werden künftig enger zusammenarbeiten. Würzner: „Wir wollen Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch von Kindern möglichst frühzeitig erkennen und verhindern. Eltern, die aus eigenen Kräften nicht in der Lage sind, ihre Kinder ausreichend zu versorgen und zu fördern, sollen so früh wie möglich unterstützt werden.“

Einstimmig beschloss der Gemeinderat am 18. Dezember, dass eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Kinderschutzfragen („Clearing-Stelle“) als niedrigschwelliges Angebot der Heidelberger Kinderklinik sowohl für die Öffentlichkeit als auch für Fachpersonal eingerichtet wird. Insbesondere sollen durch diese Stelle Hilfen für belastete Familien sichergestellt werden. So werden unterstützend beispielsweise sogenannte „Familienhebammen“ für die Zeit der Schwangerschaft und im frühen Kindesalter eingesetzt.

Mit dem Projekt, angestoßen vom Kinder- und Jugendamt der Stadt, verbindet sich im weiteren die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die unter anderem für Informationsveranstaltungen und Schulungen zuständig sein wird und beim Institut für psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie der Universität Heidelberg angesiedelt sein wird.

Im Rahmen des Heidelberger Kinderschutz Engagement soll außerdem im kommenden Jahr in Heidelberg ein großer Kinderschutztag mit namhaften Referenten stattfinden.  (eu)