Titel
„Raus aus der Bescheidenheitsfalle“
Anregende Diskussionen zum Internationalen Frauentag im Neuen Sitzungssaal des Rathauses
Am Internationalen Frauentag 2006 war reichlich was los im Heidelberger Rathaus. Das Gleichstellungsamt der Stadt hatte zur Feier von „88 Jahren Frauenwahlrecht“ eingeladen, und nicht nur Frauen waren zahlreich gekommen.
„Volles Haus“, freute sich Oberbürgermeisterin Beate Weber: „Das ist ein schönes Bild nach so vielen Jahren Männerwirtschaft.“ Viele Heidelberger Frauengruppen, Verbände und Selbsthilfegruppen waren gekommen, um über ihre Arbeit und ihre Angebote zu informieren.
OB Weber eröffnete gemeinsam mit Montpelliers Oberbürgermeisterin Hélène Mandroux, die gerade mit einer Delegation in Heidelberg zu Gast ist, die Ausstellung „88 Jahre Frauenwahlrecht – Heidelbergerinnen machen Politik“. Die Historikerin Petra Nellen referierte darüber, wie schwer es war, das aktive und passive Wahlrecht für Frauen durchzusetzen. Unsere französischen Nachbarinnen beispielsweise erhielten erst 1945 das aktive Wahlrecht. Mandroux berichtete, sie sei nach 60 Bürgermeistern die erste Frau in diesem Amt in Montpellier. „Aber es bleibt noch viel zu tun. Noch immer ist nicht sichergestellt, dass Frauen das gleiche Geld für gleiche Arbeit bekommen,“ so Mandroux.
Star- und Ehrengast des Tages war Dr. Margarethe Mitscherlich, die große alte Dame der Psychoanalyse. Bei der Podiumsdiskussion über Konstanz und Wandel im Verhältnis von Frauen und Männern ermunterte sie die Anwesenden „Sie müssen individueller werden und nicht so viel Angst vor Gruppenwerten und -erwartungen haben.“ Auch Prof. Dr. Monika Sieverding, Genderforscherin an der Uni Heidelberg warnte vor der Bescheidenheitsfalle: „Frauen müssen lernen, sich besser zu verkaufen.“ Während der Männerforscher Dr. Thomas Gersterkamp die Frauen noch um Geduld bei der männlichen Emanzipation bat, äußerte Mitscherlich ihre Erfahrung: „Die Männer sind viel glücklicher, wenn sie sich auch um die Kinder kümmern dürfen.“ (doh)