Thema der Woche

Für eine lebendige Demokratie...

STADTBLATT-Interview mit Oberbürgermeisterin Beate Weber über die Gleichstellungspolitik der Stadt Heidelberg

Oberbürgermeisterin Beate Weber über ihre Erfahrungen als Frau in der Kommunalpolitik und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gleichstellung von Frau und Mann.

Ein Porträt von Oberbürgermeisterin Beate Weber.
Oberbürgermeisterin Beate Weber


STADTBLATT-Online:
Als Sie 1990 zur Oberbürgermeisterin gewählt wurden, war das aktive und passive Wahlrecht für Frauen schon 72 Jahre alt. Trotzdem waren Sie zu der Zeit die erste OB in Baden-Württemberg. Wenn Sie an diese Jahre zurückdenken, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?


OB Beate Weber:
Schon im Wahlkampf bin ich gefragt worden: „Meinen Sie, dass Sie das als Frau schaffen?“ Würde das ein Mann gefragt werden? Müsste da nicht eher nach persönlichen und beruflichen Erfahrungen gefragt werden? Dann wurden Wetten abgeschlossen, dass der städtische Haushalt nach 3 bis 4 Jahren ruiniert sei. Die Wette habe ich gewonnen mit einem der besten und ausgeglichensten Haushaltsabschlüsse nach 4 Jahren. Auch heute sind wir der einzige Stadtkreis in Baden-Württemberg (!) mit ausgeglichenem Haushalt und positiver Investitionsrate!


STADTBLATT-Online:
Frauen sind noch immer nicht ihrem Anteil entsprechend in der Politik vertreten. Was müsste geschehen, damit hier mehr in Bewegung kommt?


OB Beate Weber:
Ich glaube nicht, dass es einen Königinnenweg dafür gibt. Wir verfolgen hier in Heidelberg unterschiedliche Strategien, um den Gleichstellungsprozess in Fahrt zu bringen. Sehr viel versprechend sind die schon Anfang der 90er Jahre speziell für Frauen angebotenen Zukunftswerkstätten, damit Bürgerinnen ihre Anliegen besser in die damals begonnenen Stadtteilentwicklungspläne einbringen konnten. Die Heidelbergerinnen haben dieses Angebot gut für sich genutzt und arbeiten bis heute in diesen Gruppen autonom und sehr erfolgreich. Eine Gemeinderätin und nicht wenige der heutigen Bezirksbeirätinnen und Kinderbeauftragten haben den Weg in die Politik über diesen Einstieg gefunden. Sehr viel positive Resonanz fanden auch unsere speziell entwickelten Seminare „Chance politisches Ehrenamt: In der Kommunalpolitik mitwirken“.

Nach meiner Erfahrung kann eine Kommune die politische Teilhabe von Frauen außerdem sehr wirkungsvoll mit der Förderung einer Vielfalt von Frauengruppen und -verbänden unterstützen – und sich damit wirklich selbst einen großen Gefallen tun: Denn erst mit den Ideen und dem Engagement von Männern und Frauen entsteht eine lebendige Demokratie.


STADTBLATT-Online:
Auch in den meisten Führungsetagen fällt auf, dass Frauen trotz ihrer guten Qualifikationen schlicht fehlen.


OB Beate Weber:
Die meisten Menschen, die man danach fragt, glauben, dass allein ‚Leistung’ zählt. Aber: Leistung muss man erst einmal zeigen dürfen. Deshalb hat die Stadt Heidelberg zum Beispiel eine Gleichstellungsvereinbarung. Hier habe ich mit dem Gesamtpersonalrat vereinbart, dass in den Bereichen, in denen Frauen oder Männer unterrepräsentiert sind, Maßnahmen zu entwickeln sind, um den jeweiligen Anteil zu erhöhen. Konkret bedeutet das beim Thema Führungskräfte, dass unser Fortbildungsprogramm spezielle Angebote für den weiblichen Führungsnachwuchs enthält.


STADTBLATT-Online:
Ein nicht zu unterschätzender Faktor in Sachen Chancengleichheit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf!


OB Beate Weber:
Wenn ich die Heidelberger Zahlen zur professionellen Kinderbetreuung, ohne die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Regel nur den Vätern möglich ist, mit den Zahlen Baden-Württembergs vergleiche, bin ich wirklich stolz darauf, was wir gemeinsam mit dem Gemeinderat geschafft haben: Für die unter Dreijährigen haben wir inzwischen einen Versorgungsgrad von 18,23 Prozent, in Baden-Württemberg insgesamt gerade einmal 2,3 Prozent. Bei den Drei- bis Sechsjährigen sind rund 100 Prozent versorgt, davon 80 Prozent mit mindestens sieben Stunden pro Tag. Und während in Baden-Württemberg insgesamt nur zwei Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen einen Platz im Hort oder der verlässlichen Grundschule haben, sind es bei uns 50 Prozent.