Stadt & Leute

„Daseinsvorsorge aus dem Lot“

Ausschuss für Wirtschaft und Europäischen Binnenmarkt des Deutschen Städtetags tagte in Heidelberg

Zu ihrer 99. Sitzung trafen sich jüngst die Mitglieder des Ausschusses für Wirtschaft und Europäischen Binnenmarkt des Deutschen Städtetags in Heidelberg. Es war die letzte Sitzung, die Oberbürgermeisterin Beate Weber leitete. Seit April 2003 ist sie Ausschussvorsitzende.

Zentrale Themen waren die Netzentgelte, die auch kommunale Stromversorger betreffen, das EU-Vergaberecht, das die freie Auftragsvergabe von Städten und Gemeinden einschränkt, sowie Berichte über die Auswirkungen innerstädtischer Einkaufszentren, die Standortsicherung und die Zukunftsregionen in Deutschland.

In einem Pressegespräch machte Jens Lattmann von der Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Städtetags deutlich, dass die Senkung der Netzentgelte für die Durchleitung von Strom und Gas anderer Anbieter den Bestand der kommunalen Energieversorger gefährde. Lattmann bezweifelte, dass eine Liberalisierung des Energiemarktes für den Verbraucher Vorteile bringt. Sinkende Netzentgelte würden nicht bis zum Endpreis durchschlagen, weil ständig steigende Beschaffungskosten für Gas und Strom dies verhinderten. Er prognostizierte ein „Stadtwerke-Sterben“, sollte die jetzige Regelung bestehen bleiben.

Lattmann forderte statt niedrigerer Netzentgelte den vermehrten Handel von Strom an der Börse: „Das macht die Energie billiger.“ Außerdem sollten die Stadtwerke selbst verstärkt in die Stromproduktion einsteigen, um die Abhängigkeit von den großen Stromerzeugern zu verringern und eigene Einnahmequellen zu erschließen.

Oberbürgermeisterin Beate Weber betonte, dass mit den Einnahmen der kommunalen Energieversorger der ÖPNV mitfinanziert werde. Sie bemängelte, dass die Bundesregierung mit der Liberalisierung des Energiemarktes die Gewinne der kommunalen Unternehmen schmälert, ohne gleichzeitig die Finanzierung des ÖPNV aus anderen Quellen sicherzustellen. „Damit gerät das Gefüge der Daseinsvorsorge aus dem Lot“, so die Oberbürgermeisterin.

Von Seiten der EU hat die Vergaberegelung für Aufträge Auswirkungen auf die Kommunen. Oberbürgermeisterin Beate Weber hatte Prof. Dr. Juliane Kokott, Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs, eingeladen, die dem Ausschuss über wichtige Urteile berichtete. Unter anderem wurde entschieden, dass Kommunen zwar Aufträge an städtische Unternehmen ohne Ausschreibung vergeben dürfen. Allerdings gilt das nur, wenn es sich um eine 100-prozentige Tochter handelt. Sobald eine private Beteiligung vorliegt, muss sich das Tochterunternehmen einer Ausschreibung unterwerfen. Jens Lattmann und Beate Weber kritisierten, dass mit dieser Vergaberegelung die Bemühungen um private Beteiligung an kommunalen Unternehmen konterkariert würden. „Das lohnt sich dann für beide nicht“, so die Oberbürgermeisterin: „Der Städtetag will daher auch beim Vergaberecht bei der EU auf eine angemessene Berücksichtigung seiner Interessen hinwirken.“

Ein weiterer Diskussionspunkt war ein Positionspapier des Deutschen Instituts für Urbanistik zu innerstädtischen Einkaufszentren. Es gebe unterschiedliche Erfahrungen in den Städten, so der stellvertretende Ausschussvorsitzende Ingo Mlejnek, Beigeordneter in Erfurt: „Wichtig ist, dass man ein solches Zentrum nicht nur baut, sondern auch mit den vorhandenen Strukturen verknüpft.“

Lob erhielt die Stadt Heidelberg für ihre Wirtschaftsförderung. Kassels Stadtkämmerer Jürgen Barthel nannte sie „engagiert, innovativ und offensiv“, sie agiere global „und das mit nachweisbaren Erfolgen“. Ansonsten, so Jens Lattmann, beschränke sich städtische Standortsicherung häufig auf Aktivitäten, die darauf ausgerichtet seien, ansässige Unternehmen im Ort zu halten. Ebenfalls ein Thema war der Bericht des „prognos-Instituts“ zu den Zukunftsregionen Deutschlands. Unter den untersuchten 67 Städten und Kreisen liegt Heidelberg auf Platz 8.

Die 99. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Europäischen Binnenmarkt des Deutschen Städtetags endete mit einer Auszeichnung: Für ihre Verdienste um die Kommunalpolitik und für ihren Einsatz für den Städtetag erhielt die scheidende Vorsitzende Beate Weber die Freiherr-vom-Stein-Medaille. (neu)