Familienoffensive Heidelberg

„Vergleichsweise viel für Kinder und Jugendliche getan“

Gespräch mit Ulrich Bürger über städtische Kinder- und Jugendhilfe angesichts des demografischen Wandels

Der Erziehungswissenschaftler und Mitarbeiter beim KVJS-Landesjugendamt Dr. Ulrich Bürger stellte dem Gemeinderat den Bericht über „Kinder- und Jugendhilfe im demografischen Wandel“ vor. Das stadtblatt sprach mit ihm über die Konsequenzen für Heidelberg.

Dr. Ulrich Bürger
Der Erziehungswissenschaftler Dr. Ulrich Bürger

Warum ist Kinder- und Jugendhilfe so wichtig, um den demografischen Wandel zu bewältigen?

Dr. Ulrich Bürger: Über den demografischen Wandel weiß heute jeder, dass die Zahl der alten Menschen deutlich zunehmen wird. Dass zugleich aber die Zahl der jungen Menschen gravierend rückläufig sein wird, ist dagegen bisher weniger bekannt. Kinder und Jugendliche werden zu einem enorm knappen Gut für diese Gesellschaft. Sie muss sich deshalb um ihrer eigenen Zukunftsfähigkeit willen viel intensiver als bisher um die Teilhabe- und Bildungschancen aller Kinder kümmern.

Wie sehen Sie Heidelbergs Chancen, die Auswirkungen des demografischen Wandels in den Griff zu bekommen?

Bürger: Heidelberg ist in der für Baden-Württemberg eher untypischen und zugleich glücklichen Ausgangslage, dass die Zahl der jungen Leute jedenfalls bis 2025 kaum rückläufig sein wird. Zudem hat man hier schon bisher, etwa in der Kindertagesbetreuung oder beim Ausbau der Ganztagsschulen, vergleichsweise viel für die Förderung und Bildung von Kindern und Jugendlichen getan. Das ist beachtlich, darf aber kein Anlass für entspannte Gelassenheit sein. Dieser richtige Weg muss gerade im demografischen Wandel konsequent weiter beschritten werden.

Muss wegen des demografischen Wandels künftig das Geld eher in Seniorenprojekte als in die Kinder- und Jugendhilfe fließen?

Bürger: Die Frage weist in die falsche Richtung, weil sie darauf hinausläuft, die Generationen gegeneinander auszuspielen. Die Ausgestaltung einer bedarfsgerechten Infrastruktur für ältere Menschen ist ebenso unabweisbar wie die Bereitstellung hochwertiger Unterstützungs- und Förderangebote für Kinder und Familien. Die spannende Frage ist, ob und wie das finanziert werden kann. Ich denke, alle Kommunen müssen in Anbetracht des demografischen Wandels ihre Prioritäten überprüfen, also wie sie ihr Geld insgesamt einsetzen. Wir brauchen zudem eine Neujustierung in der Finanzierung des Sozialen zwischen Kommune, Land und Bund. Und es gibt eine gewisse Spannung zwischen einem erheblichen Reichtum in Teilen der Gesellschaft und der Armut öffentlicher Kassen. Hier bedarf es gerade im demografischen Wandel einer Diskussion, wo diese Gesellschaft hin will.