Kultur

„Ich könnte ein Romantiker sein“

Der Leipziger Schriftsteller und Clemens Brentano-Preisträger Clemens Meyer im Gespräch mit Heidelberger Studierenden

Für seinen Debütroman „Als wir träumten“ erhält Clemens Meyer am 2. Mai den mit 10.000 Euro dotierten Clemens Brentano Förderpreis für Literatur der Stadt Heidelberg. Der 1977 in Halle/Saale geborene Schriftsteller, lebt heute in Leipzig. Mit Clemens Meyer sprachen Mitglieder der Brentano-Jury 2007, die Studierenden Malte Osterloh, Christina Pelters und Friederike Reents.

Ein Porträt von Clemens Meyer
Clemens Meyer Foto: Steinmetz

? Mehr als ein Jahr nach Erscheinen Ihres Romans hat Sie nun doch noch ein Preis ereilt. Allerdings nicht der Stadt Leipzig, Ihrer Heimat, sondern es ist der Brentano-Preis der Stadt Heidelberg. Haben Sie irgendwelche Verbindungen zu dieser Stadt?

Meyer: Man kennt natürlich Heidelberg, klar. Als es raus war, dass ich den Preis kriege, hat meine Mutter ein Buch bei sich zu Hause gefunden, von 1938, in dem stand, dass der Amerikaner von Deutschland nur Berlin und Heidelberg kennen würde. Keine Ahnung, warum das so ist. Ich selber habe eher einen Bezug zu Clemens Brentano als zur Stadt, ich heiße mit Vornamen ja auch Clemens. Mein Vater hat mir früher (...) die Kunstmärchen von Brentano vorgelesen, die kenne ich eigentlich alle. Aber Heidelberg an sich kennt man eben als Stadt der Romantiker und wegen der schönen Lage.

? Es ist interessant, dass Sie die Romantiker mögen, aber man sieht Sie doch an sich eher in anderen Schreibtraditionen?

Meyer: Das stimmt nur zum Teil. Es gibt sogar eine Kritikerin, die mich ganz klar in die romantische Tradition stellt. Wieso eigentlich, fragte ich mich zunächst, aber im Grunde hat sie recht: Nicht stilistisch gesehen, ich habe natürlich keine blumige Sprache. Aber was, bei aller Brutalität und Härte des Romans, die Ideale meiner Figuren angeht, könnte ich ein Romantiker sein; dies allerdings nicht bezogen auf die Literaturepoche der Heidelberger Romantik, sondern mehr in Bezug auf die idealistische Haltung. Vom Schreibstil fühle ich mich eher amerikanischen Autoren nahe.

? In Ihrem Buch haben Sie mit Montageverfahren gearbeitet. Wie sind Sie da vorgegangen? Haben Sie erst alle Kapitel geschrieben und dann angeordnet?

Meyer: Genau, so war es. Ich habe erst alle Kapitel geschrieben, einfach los geschrieben und nicht gewusst, was wird. Ich kann nicht einfach so runter erzählen. Es sind einzelne Geschichten – und schon während des Schreibens merkte ich, wie sie eventuell angeordnet werden könnten. Irgendwann hatte ich alle Kapitel fertig. Ich habe Zettel gemacht, ausgeschnitten und alles auf dem Fußboden ausgebreitet und dann sortiert. (...) Es hat Monate gebraucht, bis das Ganze so ineinander griff, dass es passte. Am Ende aber habe ich gemerkt: Es geht nur so! (...)

? Wie autobiographisch schreiben Sie? Gibt es Überschneidungen zu Ihrem Leben?

Meyer: Das ist, denke ich, bei allen Schriftstellern so. Ich kenne keinen, auf den das nicht zuträfe. (...) Ich bin in dem Viertel aufgewachsen, in dem der Roman spielt. Ich habe viele Dinge gesehen und gehört, aber dennoch ist das meiste reine Fiktion. Zum Teil ist es so verquirlt, dass ich selbst nicht mehr erkenne, was real ist und was nicht.

? Sie haben am Leipziger Literaturinstitut studiert, seit einem Jahr sind sie im Literaturbetrieb sehr bekannt. Was hat sich verändert?

Meyer: Es hat sich schon einiges verändert. Wolf Biermann sagte einmal: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Sprüche wie „ich bleibe wie ich bin“ oder „ich kann nichts verändern“ sind Unfug. Natürlich ändert sich etwas, wenn sich das ganze Leben verändert – auch wenn ich im Grunde meines Herzens derselbe bin. Dennoch: Ich habe plötzlich Geld. Ich zieh mir auch mal ein Jackett an oder ein teures Hemd. Und ich habe mir die Haare wachsen lassen. Jahrelang hatte ich die Haare raspelkurz, das war Ausdruck meiner Kampffrisur. Es war ein großer Kampf, dieses Buch zu schreiben und es hat mich auch viel Kraft gekostet, das Buch bei einem Verlag unterzubringen. Ja, es hat sich einiges verändert, aber ich wohne trotzdem etwa immer noch dort, wo ich immer gewohnt habe, im Leipziger Osten. Ich treffe immer noch die Leute, die ich früher getroffen habe. Man reist viel durchs Land, kriegt Preise, man wird rezensiert. Da hat man sechs Jahre monologisch an so einem Buch gearbeitet – und plötzlich ist es draußen, ist es da und wird wahrgenommen von den Leuten. Plötzlich hat man auch ein bisschen Geld – nicht dass ich reich geworden wäre, aber ich kann jetzt auch mal was ausgeben. Es hat schon eine Weile gedauert, bis ich mit diesen Veränderungen zu Rande kam.

? Hat sich durch diese Veränderungen auch Ihr Schreiben verändert?

Meyer: Ja, schon. Ich schreibe mehr mit dem Gefühl, dass ich durch den Roman gereift bin, dass ich etwas kann. Ich bin sicherer geworden beim Schreiben. Wichtig aber ist, dass man kritikfähig bleibt und keine Gefälligkeitsliteratur schreibt (...). Ich bin ein harter Arbeiter geblieben, alles wird durchanalysiert, Wort für Wort.

Das vollständige Interview ist in der Broschüre „Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg 2007“, herausgegeben vom Kulturamt der Stadt Heidelberg, nachzulesen.

Preisverleihung und Lesung

Der Clemens Brentano Preis 2007 wird am Mittwoch, 2. Mai, um 19 Uhr von Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner im Spiegelsaal des Prinz Carl verliehen. Die Laudatio hält die Berliner Journalistin Jana Hensel. Am Donnerstag, 3. Mai, um 19.30 Uhr liest Clemens Meyer in der Stadtbücherei, Poststraße 15, aus seinem Roman „Als wir träumten“. Der Eintritt ist frei.