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stadtblatt  / 18. September 2019 9 BEKANNTMACHUNGEN Das Naturschutzgesetz vom 23. Juni 2015 (GBl. S. 585), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.11.2017 (GBl.S.597,ber. S. 643, ber. 2018, S. 4) wird wie folgt geän- dert: 1.Nach § 1 wird folgender § 1a eingefügt: „§ 1a Artenvielfalt Über § 1 Abs. 2 BNatSchG hinaus verpflich- tet sich das Land im besonderen Maße dem Rückgang der Artenvielfalt in Flora und Fauna und dem Verlust von Lebens- räumen entgegenzuwirken sowie die Ent- wicklung der Arten und deren Lebensräu- me zu befördern.” 2.§ 7 Absatz 3 wird wie folgt gefasst: „(3) Die Träger der land-, forst- und fi- schereiwirtschaftlichen Ausbildung und Beratung sollen die Inhalte und Voraus- setzungen einer natur- und landschafts- verträglichen Land-, Forst- und Fischerei- wirtschaft,insbesondere mit dem Ziel,die biologische Artenvielfalt in der landwirt- schaftlichen Produktion durch ökologi- sche Anbauverfahren zu erhalten und zu fördern, im Rahmen ihrer Tätigkeit ver- mitteln.“ 3.§ 22 Absatz 3 wird wie folgt geändert: Die Worte „soweit erforderlich und geeig- net” werden gestrichen. 4.Nach § 33 wird folgender § 33a eingefügt: „§ 33a Erhalt von Streuobstbeständen (1) Extensiv genutzte Obstbaumwiesen, Obstbaumweiden oder Obstbaumäcker aus hochstämmigen Obstbäumen mit einer Fläche ab 2.500 Quadratmetern mit Ausnahme von Bäumen,die weniger als 50 Meter vom nächstgelegenen Wohngebäu- de oder Hofgebäude entfernt sind (Streu- obstbestände) sind gesetzlich geschützt. Die Beseitigung von Streuobstbeständen sowie alle Maßnahmen, die zu deren Zer- störung, Beschädigung oder erheblichen Beeinträchtigung führen können, sind verboten. Pflegemaßnahmen, die bestim- mungsgemäße Nutzung sowie darüberhi- nausgehende Maßnahmen, die aus zwin- genden Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich sind,werden hierdurch nicht berührt. (2) Die untere Naturschutzbehörde kann Befreiungen von den Verboten nach Ab- satz 1 unter den Voraussetzungen des § 67 Absatz 1 und 3 des Bundesnaturschutz- gesetzes erteilen. Bei Befreiungen aus Gründen der Verkehrssicherheit liegen Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses in der Regel erst dann vor, wenn die Maßnahmen aus Gründen der Verkehrssicherheit zwingend erforderlich sind und die Verkehrssicherheit nicht auf andere Weise erhöht werden kann. Der Verkehrssicherungspflichtige hat die aus Gründen der Verkehrssicherung notwen- digen Maßnahmen in Abstimmung mit der Naturschutzbehörde vorzunehmen. Die Befreiung wird mit Nebenbestim- mungen erteilt, die sicherstellen, dass der Verursacher Eingriffe in Streuobstbe- stände unverzüglich durch Pflanzungen eines gleichwertigen Streuobstbestandes in räumlicher Nähe zum Ort des Eingriffs auszugleichen hat. (3) Im Falle eines widerrechtlichen Ein- griffs ist dem Verursacher durch die Na- turschutzbehörde die Wiederherstellung eines gleichwertigen Zustands durch Er- satzpflanzungen aufzuerlegen.“ 5.§ 34 wird wie folgt neu gefasst: „§ 34 Verbot von Pestiziden Die Anwendung von Pestiziden (Pflanzen- schutzmittel und Biozide) gemäß Artikel 3 Nummer 10 der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. L 309 vom 24. November 2009, S. 71) in der jeweils geltenden Fassung ist in Naturschutzgebieten, in Kern- und Pfle- gezonen von Biosphärengebieten, in ge- setzlich geschützten Biotopen, in Natura 2000-Gebieten, bei Naturdenkmälern und Landschaftsschutzgebieten,soweit sie der Erhaltung, Entwicklung oder Wiederher- stellung der Leistungs- und Funktionsfä- higkeit des Naturhaushalts oder der Re- generationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, ein- schließlich des Schutzes von Lebensstät- ten und Lebensräumen bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten dienen, verboten. Die untere Naturschutzbehör- de kann auf Antrag die Verwendung be- stimmter Mittel im Einzelfall zulassen, soweit eine Gefährdung des Schutzzwecks der in Satz 1 genannten Schutzgebiete oder geschützten Gegenstände nicht zu befürchten ist.Die höhere Naturschutzbe- hörde kann die Verwendung dieser Mittel für das jeweilige Gebiet zulassen, soweit eine Gefährdung des Schutzzwecks der in Satz 1 genannten Schutzgebiete oder geschützten Gegenstände nicht zu be- fürchten ist. Das zuständige Ministerium berichtet jährlich dem Landtag über die erteilten Ausnahmen.Weitergehende Vor- schriften bleiben unberührt.” 6.§ 71 wird wie folgt geändert: Es wird ein neuer Absatz 4 angefügt: „(4) In den Grenzen des § 34 in der Fassung des Gesetzes vom 21.11.2017 (GBl.S.597,ber. S. 643, ber. 2018, S. 4) darf ein Einsatz von Pestiziden noch bis zum 1. Januar 2021 fortgeführt werden.“ 7. Die Inhaltsübersicht ist entsprechend anzupassen. Artikel 2 Änderung des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes (LLG) Das Landwirtschafts- und Landeskultur- gesetz vom 14. März 1972, zuletzt geändert durch Artikel 50 der Verordnung vom 23. Februar 2017 (GBl.S.99,105),wird wie folgt geändert: Nach § 2 werden folgende §§ 2a und 2b ein- gefügt: „§ 2a Ökologischer Landbau (1) Zur Förderung der Artenvielfalt im Sin- ne von § 1a des Gesetzes zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft vom 23. Juni 2015 (GBl. S. 585) in der jeweils gel- tenden Fassung verfolgt das Land das Ziel, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Baden-Württemberg nach und nach, bis 2025 zu mindestens 25 Prozent und bis 2035 zu mindestens 50 Prozent,ge- mäß den Grundsätzen des ökologischen Landbaus gemäß der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und des Gesetzes zur Durchfüh- rung der Rechtsakte der Europäischen Ge- meinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet des ökologischen Land- baus (Öko-Landbaugesetz − ÖLG) in der jeweils geltenden Fassung bewirtschaftet werden. (2) Staatliche Flächen, die sich in Eigenbe- wirtschaftung befinden (Staatsdomänen), sind ab dem 1. Januar 2022 vollständig gemäß den Vorgaben zum ökologischen Landbau gemäß der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 und des Öko-Landbaugesetzes in den jeweils geltenden Fassungen zu be- wirtschaften. (3) Verpachtete landwirtschaftliche Flä- chen in Landeseigentum werden an nach den Grundsätzen des Ökologischen Land- baus gem. Absatz 2 wirtschaftende Be- triebe verpachtet. In den Pachtverträgen wird zum nächstmöglichen Zeitpunkt festgelegt, dass die Flächen gemäß den Grundsätzen des ökologischen Landbaus zu bewirtschaften sind. In Härtefällen ist auch eine naturschutzorientierte Bewirt- schaftung unter Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden gemäß Artikel 3 Nummer 10 der Richtlinie 2009/128/EG des Europäi- schen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Ver- wendung von Pestiziden (ABl. L 309 vom 24.November 2009,S.71) in der jeweils gel- tenden Fassung und mineralischem Stick- stoffdünger zulässig. (4) Einmal jährlich ist dem Landtag durch das zuständige Ministerium ein Statusbe- richt zu den ökologisch genutzten Land- wirtschaftsflächen zu erstatten. § 2b Reduktion des Pestizideinsatzes (1) Der Einsatz von Pestiziden gemäß Arti- kel 3 Nummer 10 der Richtlinie 2009/128/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl.L 309 vom 24.November 2009,S.71) in der jeweils geltenden Fassung in der Land- wirtschaft, der Forstwirtschaft sowie im Siedlungs- und Verkehrsbereich soll bis 2025 ummindestens 50 Prozent der jewei- ligen Flächen reduziert werden. (2) Hierfür wird die Landesregierung bis zum 1. Januar 2022 eine Strategie erarbei- ten. Die Entwicklung und Umsetzung der Strategie wird durch einen Fachbeirat aus zuständigen Behörden und Verbänden (Umwelt-, Bauern-, Forst-, Gartenbau- und Kommunalverbände) begleitet. (3) Das zuständige Ministerium ermittelt jährlich den Einsatz von chemisch-syn- thetischen Pestiziden nach Fläche und, wenn möglich, nach Wirkstoffmenge und Behandlungsintensität und veröffentlicht diese Ergebnisse. (4) Das zuständige Ministerium berich- tet dem Landtag jährlich in schriftlicher Form über die Ergebnisse der Pestizidre- duktion.“ Artikel 3 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt amTag nach seiner Verkündung in Kraft. Begründung A.Allgemeiner Teil Gegenwärtig wird auch in Baden-Würt- temberg ein dramatischer Artenverlust verschiedenster Gruppen von Tieren und Pflanzen festgestellt. Gerade der drasti- sche Rückgang der Artenvielfalt, insbe- sondere den Insekten, den Amphibien, denReptilien,den Fischen,denVögeln und den Wildkräutern, ist durch einschlägige Untersuchungen eindeutig nachgewiesen (vgl. aktuelle Rote Listen und Artenver- zeichnisse Baden-Württembergs). Als we- sentliche Ursachen wissenschaftlich an- erkannt sind der übermäßige Einsatz von Düngemitteln (Dalton und Brand-Hardy, 2003; Isbell et al., 2013) und Pestiziden (Meehan et al., 2011; UBA, 2017) sowie die strukturelle Verarmung der Landschaft (Fabian et al.,2013).Jede verlorene Art und jeder gestörte Lebensraum ist nicht nur ein Verlust an Stabilität des natürlichen Lebensgefüges, sondern auch eine Beein- trächtigung der Lebensqualität der Men- schen. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskultur- gesetzes leistet durch die Verbesserung und Ergänzung des baden-württem- bergischen Naturschutzgesetzes und des baden-württembergischen Land- wirtschafts- und Landeskulturgesetzes einen wirksamen Beitrag zu Erhalt und Stärkung unseres Artenreichtums in Ba- den-Württemberg. Da in Baden-Württem- berg das für Landwirtschaft zuständige Ministerium bereits mit der Ausarbeitung einer Pestizidreduktionsstrategie beauf- tragt ist und andererseits die Schutzge- biete, in denen der Pestizideinsatz verbo- ten ist, im Naturschutzgesetz aufgeführt sind, ist es erforderlich, beide Gesetze zu ändern, um einen wirksamen Schutz der Artenvielfalt zu ermöglichen. B.Einzelbegründung Zu Artikel 1: Änderung des Naturschutz- gesetzes Zu 1.: Einfügung des § 1a Die Vorschrift ergänzt die Zielkonkreti- sierung in § 1 Abs. 2 bis 6 BNatSchG. Ziel des Gesetzesentwurfes ist es, dem Arten- verlust, insbesondere dem Rückgang der Insekten, entgegenzuwirken. Hierzu wird mit dem neuen Art. 1a das Ziel statuiert, die Artenvielfalt in Flora und Fauna zu er- halten und zu verbessern. Zu 2.: Änderung des § 7 Die Wechselwirkung zwischen der Be- wirtschaftungsart auf landwirtschaft- lichen Flächen und der dort in der mit- telbaren und unmittelbaren Umgebung vorkommenden Artenvielfalt sind hin- länglich wissenschaftlich belegt (vgl. u.a. Thünen-Institut, 2019). So kommen auf ökologisch bewirtschafteten Flä- chen deutlich mehr Arten vor. Deswegen scheint es geboten, auch unabhängig von der Festlegung auf eine konkrete Be- wirtschaftungsweise, Landwirte durch Qualifikation darin zu fördern, möglichst nachhaltig und die Artenvielfalt fördernd zu wirtschaften, weil ihr Handeln einen unmittelbaren Effekt auf die Artenvielfalt hat. Geht das Land diesen Weg gesetzlich verbindlich, folgt daraus zwangsläufig die entsprechende Qualifizierung der in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft be- schäftigten Menschen. Zu 3.: Änderung des § 22 Dem Biotopverbund kommt für den Schutz und die Sicherung der heimischen Tier- und Pflanzenarten,für die Erhaltung und Entwicklung funktionsfähiger ökolo-

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