Thema der Woche
„Chancengleichheit als Standortvorteil für Heidelberg“
STADTBLATT-Interview mit Dörthe Domzig, Leiterin des Amtes für Chancengleichheit, zur Unterzeichnung der EU-Charta
Was springt für Heidelberg dabei heraus? Dörthe Domzig, Leiterin des Amtes für Chancengleichheit, über die „Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“. Ein STADTBLATT-Interview.
STADTBLATT: Welche konkreten Formen der Diskriminierung von Frauen sehen Sie in Heidelberg?
Dörthe Domzig: Ich möchte hier aus Platzgründen nur zwei von elf Bereichen herausgreifen:
1. Erwerbstätigkeit: Trotz der Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert. Gemessen an ihrem Anteil an den Erwerbstätigen gilt das besonders für die 30- bis 49-jährigen Frauen. Der Grund liegt auf der Hand: Wer sich Kinder wünscht, bekommt sie beziehungsweise sorgt für sie in der Regel in dieser Altersspanne. Viele Frauen reduzieren dann ihre Arbeitszeit, und das wirkt leider immer noch als „Karriere-Vollbremsung“. Bei der Besetzung von Führungspositionen sind insbesondere Mütter und Frauen in Teilzeitbeschäftigung – die ja häufig Mütter sind – deutlich benachteiligt, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) festgestellt. Ein Zusammenhang, der sich auch für Heidelberg belegen lässt.
2. Vereinbarkeit: Die ungleiche Beanspruchung von Frauen und Männern in der Familie bleibt eine wesentliche Quelle für ihre berufliche Ausbremsung. Frauen und Familie, das bedeutet noch viel zu oft Berufs-Unterbrechung, Teilzeitarbeit und die Entscheidung für schlechter bezahlte Jobs. Dies ist in hohem Maße ausschlaggebend für ein erhebliches Entgeltgefälle zwischen Frauen und Männern. Deutschlandweit verdienen Frauen rund ein Viertel weniger als Männer.
Das geht uns wirklich alle an, weil diese geschlechtsspezifische Kultur auch volkswirtschaftlich zu Buche schlägt. Einerseits in staatlichen Transferleistungen in Notsituationen und/oder Altersarmut und andererseits durch den Verzicht auf die Beiträge der vielen hervorragend ausgebildeten Frauen, die dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt beziehungsweise in hohem Maße gar nicht mehr zur Verfügung stehen.
STADTBLATT: Wie könnte ein Gleichstellungs-Aktionsplan für Heidelberg aussehen?
Dörthe Domzig: Im Gleichstellungs-Aktionsplan werden wir die Ziele und Prioritäten, die geplanten Maßnahmen und die bereitzustellenden Ressourcen festlegen und im Gemeinderat abstimmen. Das ist im Prinzip nichts anderes als das, was wir im Heidelberger Datenreport schon angekündigt haben. Wichtige Aspekte eines Aktions-plans könnten zum Beispiel so aussehen:
Ziel: Chancengleichheit von Frauen und Männern als Standortvorteil im Wettbewerb der Kommunen
Maßnahmen:
• Erarbeitung und Umsetzung von Zielvereinbarungen zur Verbesserung des Anteils von Frauen mit und ohne Kinder in Spitzen- und Führungspositionen in der Stadtverwaltung Heidelberg,
• Erarbeitung und Umsetzung von Zielvereinbarungen zum Abbau der Unterrepräsentanz von Männern im Bereich der pädagogischen Arbeit mit Kindern sowie in sozialen Berufen,
• Verankerung von pädagogischen Konzepten zum Abbau von Geschlechtsrollenklischees im kommunalen Verantwortungsbereich,
• Austausch von Best Practice mit Unternehmen und Schlüsseleinrichtungen in Heidelberg zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Chancengleichheit von Frauen,
• Fortführung einer kontinuierlichen geschlechterdifferenzierten Datenerhebung zum Aufbau eines datengestützten Monitorings(Beobachtung und Steuerung von Prozessen), um den Erfolg des politischen Engagements zu überprüfen und deutlich nach außen kommunizieren zu können.
STADTBLATT: Besteht nicht die Gefahr, dass bei so viel Gleichstellung die „kleinen“ Unterschiede verloren gehen?
Dörthe Domzig: Ganz im Gegenteil, das gewisse Etwas zwischen Männern und Frauen macht doch auf Augenhöhe erst richtig Spaß!