Umwelt

„Der Weg entsteht beim Gehen“

Tagung in Heidelberg beschäftigte sich mit der Neuorientierung der Ökonomie

„Politisches Handeln für Nachhaltigkeit: der Weg entsteht beim Gehen“ lautete der Titel einer großen öffentlichen Veranstaltung, die vor kurzem im Heidelberger Rathaus stattfand. Anlass war das zehnjährige Jubiläum der Vereinigung für Ökologische Ökonomie (VÖÖ). Der Verein engagiert sich für eine am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierte Entwicklung des Wirtschaftens in Wissenschaft und Praxis.

V.r.: Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, Moderator Veit Lennartz, Oberbürgermeisterin Beate Weber, Dr. Reinhard Loske, Dr. Angelika Zahrnt und Hermann Graf Hatzfeld
Die Diskussionsrunde (v.r.): Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, Moderator Veit Lennartz, Oberbürgermeisterin Beate Weber, Dr. Reinhard Loske, Dr. Angelika Zahrnt und Hermann Graf Hatzfeld (Foto: Rothe)

Hauptredner Dr. Reinhard Loske, Umweltökonom und Bundestagsabgeordneter, forderte „Handlungsansätze, die der Größe des Problems gerecht werden“, um den immer schneller wachsenden ökologischen und sozialen Problemen auf dieser Welt entgegenzutreten. Der gleichen Meinung war Prof. Dr. Hans-Peter Dürr, früherer Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Träger des Alternativen Nobelpreises von 1987. Er machte deutlich, dass dringend Entwürfe für positive, in vollem Sinne lebenswerte, ökologisch nachhaltige Lebensstile notwendig sind.

Dr. Loske verlangte den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie. Diese Form der Energiegewinnung sei 20 Jahre nach Tschernobyl nicht nur wegen Sicherheitsaspekten, sondern auch aus Kostengründen abzulehnen. Außerdem sei das wirtschaftlich abbaubare Uran-Vorkommen in 30 bis 40 Jahren verbraucht. Uran müsse zudem zu 100 Prozent importiert werden.

In der anschließenden Diskussionsrunde stellte Moderator Veit Lennartz vom SWR die Frage, wie sich das Leitziel der Nachhaltigkeit in den Alltag der Menschen übertragen lasse. Oberbürgermeisterin Beate Weber betonte die außerordentlich wichtige Rolle der Städte und Kommunen, die sich in einem weltweiten Netz seit vielen Jahren sehr intensiv und konkret für eine nachhaltige Entwicklung engagieren. Nachhaltiges Wirtschaften in kleinen und mittleren Unternehmen oder die Umweltpluskarte sind konkrete Heidelberger Beispiele dafür, wie sich Umweltschutz und wirtschaftliche Einsparungen verbinden lassen. Dr. Angelika Zahrnt, Bundesvorsitzende des BUND und Mitglied im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung, machte deutlich, dass gerade die alltäglichen Konsum- und Lebensgewohnheiten eine große Rolle spielen. So werden Billigprodukte nicht selten unter Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder Missachtung sozialer Standards hergestellt. „Alles was ich gestohlen habe, kann ich billig verkaufen“ brachte Professor Dürr die Aussage auf den Punkt.

Die Notwendigkeit neuer Konsummuster und Lebensstile prägte dann auch die weitere Diskussion. Gegenüber dem selten hinterfragten Wachstumsparadigma des Schneller, Höher, Weiter und Mehr an Produkten wird ein Weniger, Besser, Schöner und ein Mehr an Lebensqualität gesetzt: Warum ist es selbstverständlich, den Erfolg eines Unternehmens oder Staates am wirtschaftlichen Wachstum zu messen? Wären die persönliche Zufriedenheit der Menschen und die Gesundung der Natur nicht bessere Kriterien?

Den Podiumsteilnehmern war klar, dass solche Überlegungen ein bisschen aus der Mode gekommen sind. Spätestens mit dem Zusammenbruch der „kommunistischen Welt“ scheint sich – so ein Besucher der Veranstaltung – der Glaube an „TINA“ („There Is No Alternative“) durchgesetzt zu haben. Aber schon Albert Einstein wusste: „Wenn du ein glückliches Leben willst, verbinde es mit einem Ziel.“ Und so war man sich einig, dass die Zeit reif für neue Ziele sei, die dem Wohlergehen der Natur die gleiche Bedeutung beimessen wie dem sozialen und wirtschaftlichen Wohlergehen der Menschen. Es sei höchste Zeit, diesem als Nachhaltigkeit bezeichneten Ansatz konkrete Ziele folgen zu lassen. Schweden hat bereits einen Anfang gemacht: Bis 2020 wollen die Skandinavier völlig unabhängig von Ölimporten werden.