Thema der Woche
„Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen dieses ersten Jahres“
STADTBLATT-Interview mit Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner
Seit gut einem Jahr ist Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner im Amt. Im Gespräch mit Heike Dießelberg und Eberhard Neudert-Becker blickt er auf sein erstes Amtsjahr zurück und erläutert seine politischen Schwerpunkte im kommenden Jahr.
STADTBLATT: Sie sind jetzt seit gut einem Jahr im Amt. Wie empfanden sie die ersten zwölf Monate als Oberbürgermeister von Heidelberg?
Dr. Würzner: Unglaublich interessant! Mich hat vor allem beeindruckt, mit welcher Offenheit die Menschen mir begegnet sind. Egal, ob ich mit Bürgern in den Stadtteilen gesprochen habe, mit den Kommunalpolitikern, mit Wirtschaftsvertretern oder auch mit den Mitarbeitern in der Verwaltung: Überall war und ist eine große Aufbruchstimmung zu spüren gewesen und der Wunsch, Konkretes umzusetzen. Das hat mich sehr beflügelt und einige Entscheidungen erleichtert.
Ich bin sehr zufrieden über die Ergebnisse dieses ersten Jahres und freue mich, dass ich bereits viele meiner Wahlversprechen umsetzen konnte: Die Stadt an den Fluss nimmt konkrete Züge an; die Theatersanierung ist entschieden; im Klimaschutz haben wir Vorbildliches geleistet; wir sind ausgezeichnet worden als Bundeshauptstadt im Naturschutz; mit meiner Familienoffensive haben wir bundesweit Zeichen gesetzt; die Bahnstadt wird endlich konkret; bei der Innenstadtentwicklung sind wir in einen guten Diskussions- und Entscheidungsprozess getreten, die zweite Abbiegespur von der Ernst-Walz-Brücke ist fertig, der Nikolausweg ist wieder offen, die neuen Ämter für Verkehrsmanagement und Wirtschaftsförderung sind eingerichtet. Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen...
STADTBLATT: Sie sind angetreten mit dem vorrangigen Ziel, Heidelberg für junge Familien attraktiver zu machen: Wie weit sind Sie da gekommen?
Dr. Würzner: Meines Erachtens beachtlich weit. Wir werden Ende nächsten Jahres eine Betreuungsquote von 44 Prozent für die unter Dreijährigen erreicht haben. Das ist absolute Spitze in Baden-Württemberg, ja sogar bundesweit, und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Hilfestellung. Wir haben zusätzlich das Gutscheinmodell eingeführt, um Familien eine finanzielle Unterstützung für die Betreuung kleiner Kinder zu geben. Außerdem haben wir die Ferienbetreuung für Schulkinder erheblich erweitert. Das Bündnis für Familie Heidelberg, das unter meiner Schirmherrschaft seit März aktiv ist, hat bereits zahlreiche weitere Projekte umgesetzt. Und es hat entscheidend dafür gesorgt, dass „Familie“ in der gesamten Stadt, aber auch in der Metropolregion, als positiver Begriff und als wesentlicher Standortfaktor gesehen wird, für den es sich lohnt, aktiv zu werden. Auch im nächsten Jahr wird die Familienoffensive eindeutig zu meinen politischen Schwerpunkten gehören.
STADTBLATT: Beim günstigen Wohnraum für Familien muss aber noch einiges getan werden.
Dr. Würzner: Das ist richtig, aber wir haben hier in den vergangenen Monaten wichtige Weichen gestellt. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, für die Entwicklung der Bahnstadt endlich grünes Licht zu bekommen. Die Zusammenarbeit mit der Entwicklungsgesellschaft aus LBBW, Sparkasse und GGH garantiert uns eine baldige Bebauung, die schon 2009 beginnen könnte. Und dies wird eine Bebauung sein, die familiengerechte, günstige und energieeffiziente Wohnungen im Fokus hat.
Auch in den Neubaugebieten Schollengewann in Wieblingen und Im Bieth in Kirchheim werden Familien günstigen Wohnraum erwerben oder mieten können.
STADTBLATT: Sie verfolgen Pläne, die Heidelbergs Zentrum verändern werden: Zum einen das große Ziel Stadt an den Fluss, zum anderen die Stärkung des Einzelhandels in der Innenstadt. Geht das zusammen?
Dr. Würzner: Heidelberg fristet ja nun wahrlich kein Mauerblümchendasein, die Stadt zieht Besucher an wie ein Magnet. Allerdings sehe nicht nur ich zwei große Defizite, die uns auch im Wettbewerb mit anderen Städten Nachteile bringen. Das erste Defizit ist die fehlende Aufenthaltsqualität am Neckar. Wo jetzt Tausende von Autos entlang fahren, sollten eigentlich die Heidelberger promenieren. Wir haben ein wunderschönes Flusstal und können uns dort nur beschränkt auf Gehwegen und begleitet vom Autolärm aufhalten. Eine autofreie Promenade würde das historische Zentrum wieder an den Fluss bringen und die Aufenthaltsqualität dort immens steigern.
Zum anderen verlieren wir als Einkaufsstandort zu viele potenzielle Kunden an andere Städte. Insbesondere die Innenstadt gilt es aufzuwerten. Wir brauchen vor allem größere hochwertige Bekleidungshäuser. Interessenten sind vorhanden, mögliche Standorte müssen wir noch genau prüfen. Im Innenstadtforum werden wir mit großer Bürgerbeteiligung das Projekt konkretisieren und dem Gemeinderat wahrscheinlich noch vor der Sommerpause zur Entscheidung vorlegen.
Ich bin mir sicher, dass bessere Einkaufsmöglichkeiten und eine schön gestaltete Uferpromenade Heidelbergs Attraktivität steigern werden, weil man nur hier Kultur, eine historische Altstadt und Einkaufen bestens mit einem entspannten Bummel am Fluss verbinden kann.
STADTBLATT: Hat die Stadtverwaltung überhaupt Mittel und Wege, um generell Unternehmen und speziell hochwertigen Einzelhandel nach Heidelberg zu locken?
Dr. Würzner: Das neue Amt für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung ist deswegen im Dezernat des Oberbürgermeisters angesiedelt, weil ich es für notwendig halte, dass Heidelberg seine Chancen als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort noch besser nutzt.
Wir wollen künftig verstärkt unsere hier ansässigen Unternehmen und insbesondere die mittelständischen Betriebe fördern. Wir sollten uns aber auch verstärkt darum bemühen, neue Unternehmen, das heißt natürlich auch hochwertigen Einzelhandel, für den Standort Heidelberg zu gewinnen. Eine prosperierende Stadt mit zukunftsorientierten Unternehmen und Forschungseinrichtungen, mit sicheren Arbeitsplätzen, gut ausgebildeten Fachkräften, einem interessanten Kulturprogramm und hoher Kaufkraft sollte für die meisten Branchen verlockend sein.
Ich bin optimistisch, dass die Aufnahme der Universität in den Kreis der Elite-Universitäten, aber auch beispielsweise das neue Ausbildungs- und Konferenzzentrum des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und die Erweiterung des Technologieparks dazu beitragen, dass der Standort Heidelberg weiter an Attraktivität gewinnt. Hervorragende Möglichkeiten für die Ansiedlung technologiebezogener und forschungsnaher Einrichtungen bietet schließlich der Campus II, der in der Bahnstadt entstehen wird. Ich werde alles daran setzen, Heidelberg als Stadt der Wissenschaft und als erfolgreichen Wirtschaftsstandort weiter zu profilieren und langfristig zu sichern.
STADTBLATT: Es gibt in Heidelberg auch Menschen, die nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Stadt partizipieren, das hat der Bericht zur sozialen Lage in Heidelberg deutlich gemacht. Wie kann denen geholfen werden?
Dr. Würzner: 2005 waren mehr als 11.000 Einwohnerinnen und Einwohner in Heidelberg arm oder armutsgefährdet. Das dürfen wir nicht einfach so hinnehmen. Wir haben zwar schon viele Unterstützungsangebote für Familien, die müssen aber weiter ausgebaut werden. Aufgabe der Stadt ist es, die Chancen benachteiligter Menschen und vor allem der Kinder auf eine bessere Zukunft zu erhöhen. Schlüsselbereiche sind für mich der Ausbau der Betreuung von Kindern, die bessere Ausstattung der Schulen, die Fortführung der Schulsozialarbeit, die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums und die bessere Integration von Mitbürgern mit Migrationshintergrund, die wir über einen kommunalen Integrationsplan jetzt verstärkt erreichen wollen.
Wir brauchen bei der Lösung dieses Problems aber auch die Hilfe von Partnern. Schon jetzt leisten soziale Einrichtungen in der Stadt unglaublich wertvolle Arbeit, helfen Bürgerinnen und Bürger dabei, dass Armut nicht Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben bedeutet.
STADTBLATT: Zwei nicht mehr ganz taufrische Gebäude in Heidelberg sind zurzeit Stadtgespräch: das sanierungsbedürftige Theater und das Alte Hallenbad. Wie geht es da weiter?
Dr. Würzner: Ein Team aus drei Architekten, Vertretern des Gebäudemanagements der Stadt und des Theaters haben 25 Büros ausgewählt, die bis Februar Vorschläge zur Theatersanierung erarbeiten werden. Diese werden im März 2008 im Theater ausgestellt. Noch vor den Sommerferien soll sich der Gemeinderat für einen Entwurf entscheiden. Sanierungsbeginn könnte dann im Sommer 2009 sein. Ich bin im Übrigen sehr dankbar, dass es so eine breite Unterstützung für unser Theater gibt und dass so viele große und kleine Spender mit ihrem Beitrag die Zukunft des Theaters sichern.
Beim Alten Hallenbad haben wir uns mit dem bisherigen Investor darauf verständigt, vom Abschluss eines Kaufvertrages abzusehen, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Der Gemeinderat hat deshalb der Durchführung einer europaweiten Ausschreibung zugestimmt. Mitte 2008 wissen wir mehr, wie die Zukunft des Alten Hallenbads aussieht.
STADTBLATT: Sie wollen große Projekte angehen, das geht natürlich ins Geld: Theatersanierung, Bahnstadt, Stadt an den Fluss. Kann sich die Stadt das alles auf einmal leisten?
Dr. Würzner: Sie haben die dringend notwendigen Schulsanierungen vergessen! Eine solide Finanzierung ist natürlich Grundvoraussetzung für all diese wichtigen Projekte. Daran arbeiten wir mit höchster Priorität. Wir bewegen uns finanziell auf einer sehr gesunden Basis. So haben wir 2007 keine neuen Schulden aufgenommen und verfolgen auch mittelfristig das Ziel, eine deutlich geringere Neuverschuldung als bisher zu erreichen.
Zur Finanzierung der einzelnen Projekte: Die Bahnstadt wird über die Sonderrechnung der Entwicklungsmaßnahme abgewickelt und sollte sich insgesamt durch die Ausgleichsbeträge finanzieren, die von den Grundstückseigentümern zu leisten sind.
Die Theatersanierung läuft über die Stiftung. Neben einer einmaligen „Kapitaleinlage“ der Stadt, die bereits im laufenden Doppelhaushalt berücksichtigt ist, soll die Stadt in Zukunft lediglich übliche Mietkosten für das sanierte Gebäude an die Stiftung zahlen..
Die Schulsanierungen bilden einen Schwerpunkt im mittelfristigen Investitionsprogramm der Stadt und werden über den jeweiligen Finanzhaushalt finanziert.
Bei meinem zentralen Projekt „Stadt an den Fluss“ haben mir sowohl das Land als auch der Bund eine finanzielle Förderung in Aussicht gestellt. Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch dieses Projekt „stemmen“ und damit die Attraktivität der Stadt und das Lebensgefühl der Bürger erheblich steigern können.
STADTBLATT: Zum Abschluss: Ihre Wünsche fürs kommende Jahr?
Dr. Würzner: Ich wünsche mir, dass die positive Grundstimmung in der Stadt und der „Tatendrang“ auch 2008 anhalten. Ob Familienoffensive oder Stadt an den Fluss: Für meine Projekte erhoffe ich mir, dass sie weiter an Profil und Perspektive gewinnen und von starken, kreativen und durchaus auch kritischen Partnern begleitet werden.
Persönlich wünsche ich mir, etwas mehr Zeit für meine eigene Familie zu haben; meine Frau und meine Kinder haben mich im zurückliegenden Jahr leider viel zu wenig gesehen.