Die Stadtwerke-Seite

So alt und noch so verliebt!

„Unser Valentinstag ist am 4. Mai. Jedes Jahr nehmen wir uns an „unserem Tag“ Urlaub und fahren gemeinsam mit der Bergbahn auf den Königsstuhl und wieder zurück. Bei einer solchen Fahrt lernten wir uns vor nunmehr 25 Jahren kennen und lieben. Nicht immer konnten wir unseren Valentinstag in der Bergbahn begehen. Die Male, die sie außer Betrieb war, nahmen wir den Ersatzbus zum Königsstuhl.“

rustikal und gemütlich erklimmt die 'alte Dame' den Königstuhl

„Doch in diesem Jahr, zu unserem 25-jährigen Jubiläum, erwartete uns eine frisch renovierte Bergbahn. Wir hatten in der Zeitung viel über die Renovierungsarbeiten gelesen und waren gespannt auf das Ergebnis.

In der Tat wirkte die Bergbahn auf uns merklich verjüngt, was man von uns nach dem morgigen Blick in den Spiegel nicht behaupten konnte. Die Konfektionsgröße von Niall war schon einmal kleiner gewesen, inzwischen musste er auf Kurzgrößen zurück greifen. Die Haare hatten sich merklich gelichtet und auch das Waschen mit Shampoos, die den Haarausfall bremsen sollten, hatte die Zeichen der Zeit nicht aufhalten können. Doch aus dem merklich faltiger werdenden Gesicht strahlten mir dieselben gütigen und liebevollen Augen entgegen, denen ich damals schon verfallen war und immer noch bin.

Auch ich habe in den letzten 25 Jahren um die Mitte herum zugelegt, die Karottenrote Farbe meiner Haare, einst mein ganzer Stolz, ist nichts sagendem Grau gewichen. Bevor wir die Bergbahnstation am Kornmarkt betraten, blieben wir noch kurz auf dem Bürgersteig stehen, um unseren Blick über die Straße schweifen zu lassen. Hier waren wir uns zum ersten Mal unter für mich überaus peinlichen Umständen begegnet.

Ich studierte damals Romanische Sprachen an der Universität Heidelberg und lebte um die Ecke in einem kleinen Dachgeschosszimmer. Zur Uni fuhr ich auf einem alten klapprigen Rad. Nachdem mir zwei neue Räder kurz nach dem Kauf gestohlen worden waren, hatte ich auf dem Flohmarkt einen alten Drahtesel erstanden.

An dem besagten Tag, der sich als schicksalsträchtig herausstellen sollte, war ich nach einem Hauptseminar mittags schon auf dem Weg nach Hause. Unterwegs hatte ich an einem Supermarkt halt gemacht und kräftig eingekauft, da ich den Sonderangeboten nicht hatte widerstehen können. Insbesondere die Wiener Würstchen im Glas für 99 Pfennig hatten es mir angetan und ich trug in meinem Rucksack acht Gläser mit heim. Als ich wie üblich schwungvoll bei der Bergbahnstation um die Ecke fuhr, löste sich plötzlich der Lenker aus seiner Verankerung und ich krachte mit voller Wucht in die Gosse. Mein Rucksack öffnete sich, die Gläser fielen heraus und zersprangen, überall rollten die Würstchen und anderen Einkäufe durch die Gegend. Wie ein Häufchen Elend hockte ich mit aufgeschürften Knien am Straßenrand und besah mir die Bescherung: Nicht nur die Einkäufe waren nicht mehr zu gebrauchen, das Rad besaß nun eine deutlich sichtbare Acht und war ohne Lenker wohl nur noch für den Schrotthändler von Wert.

Während ich noch benommen zusah wie langsam Blut aus den Wunden an den Knien durch die zerfetzte Jeans hindurch in den Straßengraben tropfte, hörte ich eine angenehme Männerstimme mit einem wie ich dachte amerikanischen Akzent fragen: „Kann ich Ihnen helfen? Sie sind verletzt.“

Er zog ein Päckchen mit Papiertaschentüchern aus der Hosentasche und drückte mir eines auf jedes Knie. Dabei sah er mich freundlich aus leuchtend grünen Augen an. Diese Augen schienen tief in mich hinein zu blicken und beeindruckten mich so sehr, dass ich zunächst nichts weiter wahrnahm. Erst als er mein Fahrrad von der Straße aufhob, auf den Bordstein zog und anfing, die Scherben und Würstchen aufzulesen, sah ich ihn in seiner ganzen Pracht. Ein junger, eher unauffälliger Mann, mit blonden Haaren, die über der Stirn in einem Büschel vorwitzig nach oben ragten. Er hob den Kopf und stellte mit einem wie ich fand ziemlich frechen, aber sympathischen Grinsen fest: „Sie essen wohl gerne Würstchen!“

Um nicht antworten zu müssen, sprang ich auf und fing ebenfalls an, die Bescherung von der Straße weg in den nächsten Mülleimer zu räumen. Es war mir peinlich, ausgerechnet vor den Augen eines jungen Mannes, der mir irgendwie gefiel, vom Rad gefallen zu sein. Nachdem wir das Gröbste beseitigt hatten, murmelte ich ein Dankeschön und wollte mit dem lädierten Rad meiner Wege humpeln. Doch er hielt mich zurück: „He, ich bin neu in Heidelberg und wollte gerade mit der Bergbahn auf den Königstuhl fahren, um mir einen ersten Überblick zu verschaffen. Da wäre es ganz nett, für Erläuterungen einen Einheimischen dabei zu haben, jemanden wie Sie...“

Der Satz blieb kurz zwischen uns hängen und ich dachte darüber nach, dass das eine etwas blöde Anmache sei, bevor ich auf meine zerfetzte Jeans wies und andeutete, dass ich in dem Zustand wohl kaum auf den Königstuhl fahren könne. Doch er wischte alle Einwände beiseite und eh ich mich versah, hatte er die Tickets gekauft und mich in die Bergbahn verfrachtet. Meinen Protest, dass ich mein Ticket selbst zahlen wollte, lies er nicht gelten: „Übermorgen fange ich mit meinem neuen Job an, da verdiene ich genug Geld, um Sie einzuladen.“

Es stellte sich heraus, dass er Niall hieß und ein Deutsch-Australier aus Melbourne war. Seinen Akzent hatte ich also falsch eingeordnet. In Australien aufgewachsen, hatte er eine Ausbildung als Übersetzer gemacht und danach Lust bekommen, die deutsche Heimat seines Vaters bei einem längeren Aufenthalt kennen zu lernen. Eine Firma in Heidelberg hatte ihn eingestellt. Nachdem er eine Weile erzählt hatte -wir waren inzwischen beim Du angelangt, fiel er sich selbst ins Wort: „Jetzt habe ich die ganze Zeit von mir erzählt, was machst Du denn eigentlich?“

So verging die Fahrt wie im Fluge und wir kamen oben an, ohne ein einziges Mal den Blick aus dem Fenster der Bahn geworfen zu haben. Ich nahm mir fest vor, ihn auf der Rückfahrt auf das Panorama hinzuweisen, schließlich hatte er mich als Führerin engagiert. Mir fiel es jedoch schwer, mich von seinem Anblick loszureißen und stattdessen die Aussicht genießen. Seine Sprache, jede seiner Gesten drückten für mich damals und auch heute noch soviel Zärtlichkeit und Hingabe aus, wie ich sie noch nie bei einem Mann gesehen hatte, so dass ich gar nicht wegschauen konnte. Später gestand er mir, dass es ihm ähnlich gegangen war und er seine Umgebung auf diesem ersten gemeinsamen Ausflug kaum wahrgenommen hatte.

Auch heute, 25 Jahre später, kaufte Niall die Tickets. ...“

Leseauszug. Die komplette Geschichte können sie bei den Heidelberger Bergbahnen unter 06221/513-2149 anfordern.