Verkehr

Ausgabe Nr. 6 · 9. Februar 2000



Die am Spritsparprojekt Beteiligten präsentieren das Ergebnis verschiedener Betriebszustände von einer Minute Dauer in Form abgasgefüllter Ballons. Der große Ballon links ist das Resultat von einer Minute Leerlauf. Der mittlere enthält das Abgas aus 30 Startvorgängen mit anschließender Motorabschaltung. Ganz rechts der Ballon mit der geringsten Abgasmenge, entstanden bei einer Fahrt im Stau mit zeitweiliger Motorabschaltung. (Foto: Rothe)

Wie werde ich "3-Liter-Fahrer"?

Städtische Fahrer lernen, Sprit zu sparen - Wissenschaftliche Begleitung durch Greenpeace und Wuppertal Institut


Wer gelernt hat, richtig mit dem Gaspedal umzugehen, schont Umwelt und Geldbeutel zugleich. Weil das so ist, hat die Stadt Heidelberg erstmals im Frühjahr 1998 Fahrer von Nutzfahrzeugen durch die Stuttgarter Fahrschule "ecodrive" schulen lassen. Landesweit hat die Fahrschule bislang 2.000 Kraftfahrern das Spritsparen beigebracht, darunter 55 Mitarbeitern der Stadt Heidelberg.

Wie fährt man spritsparend? "Vorausschauend fahren, Gänge schnell hochschalten und bei verkehrsbedingten Stopps den Motor vorübergehend abstellen", haben die Fahrschüler bei ecodrive gelernt. Voraussetzung für den Erfolg dieser Fahrweise ist natürlich ein einwandfreier Wartungszustand der Fahrzeuge und ein optimaler Reifendruck. Fahrlehrer Dipl.-Ing. Udo Wollenhaupt, früher in der Entwicklungsabteilung von Daimler-Chrysler tätig, gehört zu den Pionieren dieses Fahrstils. "Das 3-Liter-Auto ist gut, aber ohne den 3-Liter-Fahrer geht nichts - denn die Einheit Mensch-Maschine bestimmt den Verbrauch", so Wollenhaupt.

"Wenn sich herausstellt, dass die Ersparnisse erheblich sind, werden wir eine Möglichkeit finden, die Fahrkurse auf die gesamte Stadtverwaltung auszudehnen", berichtet Bürgermeister Thomas Schaller, der das Projekt im Zentralbetriebshof vorstellte. Ein eintägiger Kurs kostet pro Teilnehmer 350 Mark. Eine Ausgabe, die sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch rechnen wird. Oberbürgermeisterin Beate Weber und Dezernent Schaller versprechen sich von dem mitarbeiterorientierten Projekt eine merkliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit mit positiven Auswirkungen auf den Schutz der Umwelt - immerhin gibt die Stadt jährlich einen siebenstelligen Betrag für den Betrieb und die Unterhaltung der Kraftfahrzeuge aus.

Karlheinz Schrumpf vom Amt für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft nimmt an, dass bei durchgehend spritsparender Fahrweise rund ein Viertel der in einem Jahr anfallenden Treibstoffkosten von einer Million Mark eingespart werden könnte. Für Kursteilnehmer Karl-Heinz Rehberger, Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes, ist es "wünschenswert, dass man bei den heutigen Spritpreisen weniger verbraucht". Zumal der eigene Geldbeutel davon profitiert, wenn man das Erlernte auch beim Fahren mit dem Privatauto beherzigt.

Bundesweit einmalig ist, dass das Projekt unter kontrollierten Bedingungen abläuft. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie führt im Auftrag der Stadt Heidelberg und von Greenpeace Deutschland die wissenschaftliche Begleituntersuchung durch. Projektleiter Georg Wilke: "Ziel ist eine Potenzial-Einschätzung: Wie viel Kraftstoff könnte eingespart werden, wenn alle, die bei der Stadt Heidelberg ein Fahrzeug fahren, an einer Schulung teilgenommen hätten?" Dazu wird zunächst eine Erhebung über die Nutzung aller bei der Stadt im Einsatz befindlichen Fahrzeuge durchgeführt.

Die Spritsparkurse beginnen mit einer Testfahrt auf einer genau vorgegebenen Strecke von rund 40 Kilometern Länge. Diese Fahrt wird nach Ende der Schulung wiederholt, sodass anhand von Mengenmessungen ermittelt werden kann, wie viel Sprit der Fahrer eingespart hat. Vor und nach der Schulung sowie einige Monate danach werden die Teilnehmer befragt. Eine erneute Testfahrt wird durchgeführt, um "festzustellen, was längerfristig hängenbleibt", so Wilke. Auf der Grundlage all dieser Daten ist dann eine fundierte und differenzierte Hochrechnung möglich, mit welchen Einsparungen unter Alltagsbedingungen langfristig zu rechnen ist.

Die bisherigen Ergebnisse sind sehr ermutigend. Die bei den Testfahrten nach der Schulung erzielte Treibstoffeinsparung liegt bei 24 Prozent. Besondere Aufmerksamkeit, betont Georg Wilke, müsse aber dem psychologischen Aspekt gewidmet werden. Wer spritsparend Auto fährt, sollte nicht mit einem Image als "Softie" zu kämpfen haben. (rie)

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Früh schalten, vorausschauend fahren

Hier die Tipps der Experten, mit denen man den Benzinverbrauch deutlich vermindern kann:


Der Motorstopp
Auch bei nur kurzzeitigen Stopps lohnt es sich, den Motor abzustellen. Es lässt sich nachweisen, dass der Verbrauch bei häufigem Starten im Vergleich zu einer Minute Leerlauf um 30 bis 50 Prozent abnimmt, ohne Nachteile für Anlasser, Batterie oder Katalysator. Voraussetzung ist ein Motorstart ohne Gas.

Die richtige Gangwahl
So früh wie möglich sollte man in den nächsthöheren Gang schalten. Die niedertourige Fahrweise mit häufigem Schalten ist gewöhnungsbedürftig, aber sie mindert den Motorverschleiß und nebenbei auch den Lärm. Dass der Motor dadurch Schaden nehmen könnte, wie ältere Führerscheininhaber es noch in der Fahrschule gelernt haben, trifft heute nicht mehr zu. Die Drehzahl des Motors sollte allerdings immer oberhalb der Leerlaufdrehzahl liegen.

Die richtige Beschleunigung
Beschleunigungsvorgänge sind die teuersten Fahrzustände und sollten auf ein Minimum reduziert werden. Vorausschauendes Fahren kann manchen Stopp mit Wiederanfahren vermeiden helfen. Im Gegensatz zu der häufig auch in der Fachpresse vertretenen Meinung, dass eine sanfte Beschleunigung bis zu mittleren Drehzahlen am verbrauchsgünstigsten sei, hat "ecodrive" nachgewiesen, dass bei durchgetretenem Gaspedal - nicht im 1. Gang und nicht bei Autos mit sehr hoher Motorleistung - und Ausdrehen der Gänge bis maximal 1.500 Umdrehungen pro Minute über 30 Prozent Kraftstoff im Vergleich zur sanften Beschleunigung gespart werden kann.

Der richtige Reifendruck
Zu niedriger Reifendruck ist schlecht für die Sicherheit und erhöht den Verbrauch. Die Angaben der Autohersteller, die man meistens auf einem Aufkleber beim Tankdeckel findet, sind Mindestluftdrücke für geringe Beladung und niedrige Geschwindigkeiten. Den höchstzulässigen Druck geben die Reifenhersteller auf der Reifenflanke an. Ein solchermaßen befüllter Reifen kann den Verbrauch um bis zu einem Liter auf 100 Kilometern vermindern. Die Laufleistung des Reifens steigt um etwa 30 Prozent, Kurvenstabilität und Bremskraftübertragung werden verbessert. Subjektiv kann ein erhöhter Reifendruck aber als Komforteinbuße empfunden werden.

"Die 10 Gebote"
1. Erhalten Sie Ihr Fahrzeug in einem guten technischen Zustand!
2. Starten Sie den Motor ohne Gas!
3. Lassen Sie den Motor nicht im Stand laufen!
4. Fahren Sie mit niederen Drehzahlen!
5. Machen Sie den Reifen Druck!
6. Fahren Sie vorausschauend und gleitend!
7. Verzichten Sie auf unnötige Beschleunigungen!
8. Führen Sie notwendige Beschleunigungen kraftvoll durch!
9. Verzichten Sie generell auf Kurzstreckenfahrten!
10. Bilden Sie Fahrgemeinschaften und benutzen Sie öffentliche Verkehrsmittel!

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Stand: 8. Februar 2000