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Ausgabe Nr. 6 · 9. Februar 2000 |
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Professor Hans-Georg Gadamer im Sommer 1999, fotografiert von Philipp Rothe |
Gadamer wird 100 |
So alt wie das 20. Jahrhundert: der Heidelberger Philosoph Hans-Georg Gadamer Das hundertste Lebensjahr zu vollenden ist ein Glück, das nur wenigen zuteil wird. Um wie viel glücklicher noch darf sich der schätzen, dem es vergönnt ist, in diesem Alter ein aktives Mitglied der philosophischen Weltgemeinde zu sein, zu schreiben, zu lehren und als gefragter Gesprächspartner der Jugend in die Schulen gerufen zu werden. Auf Professor Hans-Georg Gadamer, Heidelberger Philosoph von Weltrang, trifft all das zu. Können wir jüngeren uns wirklich vorstellen, was es bedeutet, ein Jahrhundert durchmessen zu haben? Kindheit und Jugend noch in der Kaiserzeit, Abitur während des Ersten Weltkrieges, Antrittsvorlesung zur Zeit der Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Emeritierung vor über drei Jahrzehnten, im in die Annalen eingegangenen 68er Jahr, das selbst schon wieder zu lange zurückliegender Vergangenheit geworden ist - eine kaum vorstellbare Fülle politischer, gesellschaftlicher, wissenschaftlicher, menschlicher Erfahrungen aus drei Generationen in einem Menschenleben vereint. Seit einem halben Jahrhundert ist Hans-Georg Gadamer ein Bürger dieser Stadt. Im Jahre 1949 nahm der gebürtige Marburger einen Ruf auf den Lehrstuhl von Karl Jaspers am Philosophischen Seminar an. 1950 zog Gadamer nach Heidelberg um, wo er zunächst in der Uferstraße lebte. "Eine unzerstörte Stadt, eine unzerstörte Bibliothek, unzerstörte Seminare und eine im Neuaufbau begriffene Fakultät erfüllten wichtige Bedingungen", beantwortet Gadamer die STADTBLATT-Frage "Warum Heidelberg?". Und der heute in Ziegelhausen Lebende fährt fort: "Wo ist sonst eine Universitätsstadt, in der die Wälder bis an die Stadtränder und damit an die Hörsäle reichen?" Und wie hält der Philosoph es mit dem berühmten Weg gleichen Namens? "Freilich sollte man sich auch erinnern", schreibt Gadamer dazu, "dass der Philosophenweg nichts mit Philosophie zu tun hat, sondern ein Altertumsrest ist, der einsame Spaziergänger für verrückt hält. Etwas von diesem Namenserbe müsste freilich vor dem Tourismus geschützt werden. Aber ich weiß selber nicht, wie das möglich wäre. Etwa mit der Sperrung nach Sonnenuntergang?" In Heidelberg entstand sein 1960 in erster Auflage erschienenes Hauptwerk "Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik", ein, so Gadamers Biograph Jean Grondin, "imposantes Buch [...], eine der seltenen exportfähigen und -würdigen Leistungen der deutschen Nachkriegsphilosophie". Gadamers Grundthese in der Zusammenfassung Grondins: "Wir kommen immer zu spät, wenn wir ganz zu begreifen und zu methodisieren trachten, was wir eigentlich verstehen. Das Verstehen selbst lässt sich nicht recht begründen, weil es der Grund, der Boden ist, auf dem wir immer schon stehen." Mit Festveranstaltungen werden die Universität, die Stadt und die Akademie der Wissenschaften den großen Gelehrten und berühmten Mitbürger am 11. Februar ehren. (rie/doh) |
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