Kultur

Keine Frau für Negativ-Schlagzeilen

Stadtbücherei-Direktorin Regine-Wolf-Hauschild verabschiedet sich in den Vorruhestand

31 Jahre lang hat Regine Wolf-Hauschild die Stadtbücherei geleitet, angloamerikanische Bibliotheken zum Vorbild genommen, sie zu einer Mediathek ausgebaut und auf diese Weise vor allem auch Jugendliche für das Haus gewonnen. Am 19. Oktober verabschiedet Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner die 61-Jährige in den Vorruhestand. Ein STADTBLATT-Gespräch.

Portrait: Stadtbücherei-Direktorin Regine Wolf-Hauschild
Stadtbücherei-Direktorin Regine Wolf-Hauschild (Foto: Privat)

STADTBLATT: Frau Wolf-Hauschild, endlich Zeit zu lesen? Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?

Regine Wolf-Hauschild: Immer noch Iljia Trojanows „Der Weltensammler“ von den Literaturtagen im Mai. Die Biographie von Werner Dürrson „Lohmann oder die Kunst sich das Leben zu nehmen“, Salim Alafenischs „Feuerprobe“ und „Die Fussreise mit Adolf Dietrich“ von Beat Brechbühl habe ich schon mal aus dem Regal gezogen.“

? Sie haben 31 Jahre lang die Heidelberger Stadtbücherei geleitet. Gibt es eine Tätigkeit, einen Beruf, von dem Sie heute sagen: den hätte ich genauso gerne und lange ausüben mögen?

Wolf-Hauschild: Schwer zu sagen. Ich finde, dieser Beruf und die Tätigkeiten in Bibliotheken haben so viele Facetten, auch vieler anderer Berufe, dass ich mir eher vorstellen konnte, mit dieser Ausbildung auch andere Geschäftsfelder als das der Bibliothek zu bearbeiten. Bibliotheken sind heute anders als vor 30 Jahren: wir sind heute budgetiert, arbeiten oft wie ein Wirtschaftsunternehmen. Ich habe gebaut und bin nicht nur die Tochter eines Architekten. Meine erste Stelle war in der EDV-Abteilung der UB Ulm − und was hat sich seitdem im IT-Bereich alles verändert! Ich habe viele interessante Menschen durch meine Tätigkeit kennengelernt. Ich glaube, was ich gemacht habe, war goldrichtig.

? Sie waren die dienstälteste Leiterin einer städtischen Kulturinstitution. Welche kulturpolitische Weichenstellung würden Sie als die wichtigste für Heidelberg bezeichnen?

Wolf-Hauschild: Es gab keine Zeit, beziehungsweise kein Einzelereignis, wo eine Weiche umgelegt wurde. Heidelberg hat sich in kultureller Hinsicht seit den 80er Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Angefangen hat es mit dem eigenen Haus für die Volkshochschule, unserem Umbau, dem ersten Umbau des Theaters, der Stadthalle, dem Neubau des Kurpfälzischen Museums und des Kunstvereins, dem Deutsch-Amerikanischen Institut, Karlstorbahnhof, Sammlung Prinzhorn, dem eigenständigen Kulturamt, den Preisen, den Festivals, der Ausstrahlung in die Metropolregion. Kultur in Heidelberg ist viel reicher als früher, hat ein hohes Niveau, dank dem ausgeprägten Mäzenatentum geben wir auch mehr Geld dafür aus, obwohl bei der Stadtentwicklung in Planungen und Plänen, Entscheidungen und Taten Kultur nicht gedacht wird, das war vor 30 Jahren schon so und ist so geblieben, leider.

? Der Berufsverband Information Bibliothek und der Deutsche Bibliotheksverband machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass Deutschland bei der Literatur- und Informationsversorgung auf dem Weg in die Zweitklassigkeit ist. Vom „Bibliothekssterben“ ist die Rede. Die Heidelberger Stadtbücherei hat nie in diesen Reigen eingestimmt. Was macht Heidelberg anders?

Wolf-Hauschild: Totes ist so unlebendig, damit kann man keinen Staat machen. Natürlich arbeiten Medien gerne mit Negativschlagzeilen, prangern an und legen den Finger auf die Wunde, müssen sie auch, aber zur Verbesserung einer Mangel-Situation trägt eine solche Haltung nicht bei. Sie können ein Glas als halbvoll oder halbleer beschreiben, Bibliothekssterben ist ein halbleeres Glas. Ich rede lieber vom halbvollen Glas und davon, dass da noch ein voller Krug daneben steht, aus dem man das Glas nachfüllen kann. Wir haben immer versucht, interessant schmeckende volle Krüge zu finden und für ihren Absatz zu sorgen. Dieser Vergleich soll illustrieren, dass wir ein anderes Bild von Bibliothek zu beschreiben versuchen, als in den Köpfen vieler Menschen ist. Das hat uns interessant gemacht und das ist vielleicht das Geheimnis des Erfolgs der Stadtbücherei. Und es ist eine Gemeinschaftsleistung des ganzen Teams, darauf bin ich besonders stolz. (eu)