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stadtblatt  / 9. Februar 2022 2 SONDERSEITEN FÜR SENIOREN „Neulernen ist bis ins hohe Alter möglich“ Interview mit dem Alternsforscher Prof. Dr. Andreas Kruse E r ist der wohl bekannteste deutsche Alternsforscher und Mitverfasser des aktuellen Alters- berichts der Bundesregierung: Pro- fessor Andreas Kruse, Emeritus der Universität Heidelberg, ist über- zeugt, dass Digitalisierung mit Blick auf ein selbstständiges Alter immer größeres Gewicht gewinnen wird. Prof. Dr. Andreas Kruse Herr Prof. Kruse, was wird sich konkret durch die Digitalisierung im Leben Älte- rer in den nächsten Jahren verändern? Kruse  Neulernen ist bis in das hohe Alter möglich. Wir können schon heute beobachten, dass sich auch ältere Menschen mit neuen digita- len Techniken vertraut machen und diese kompetent nutzen. Diese posi- tive Entwicklung wird sich in Zukunft weiter fortsetzen: Digitali- sierung wird auch mit Blick auf ein selbstständiges, selbstbestimmtes Alter ein immer größeres Gewicht gewinnen. Ich denke hier an die digitale Kom- munikationstechnologie, die nicht die unmittelbare leibbezogene Kom- munikation in ihrer Bedeutung auf- hebt, sondern die diese sehr gut ergänzen kann.Und ich denke an die assistierende Technologie in der Haushaltsführung und in der Pflege, die hilft, körperliche Einschränkun- gen zu kompensieren.Dadurch trägt sie zur Erhaltung von Selbstständig- keit auch im Falle von Funktionsein- schränkungen bei. Allerdings ist auch zu bedenken: Digitale Spaltung in dem Sinne, dass Menschen vom technischen Fort- schritt ausgeschlossen sind, weil sie keine Möglichkeit haben, sich diese Technologie zu leisten, und weil sie keine entsprechenden Bildungsange- bote erfahren, muss unbedingt ver- miedenwerden. Viele ältere Menschen haben Ängste in Bezug auf die zunehmende Digitalisie- rung. Was raten Sie denen? Kruse  Eine gute Mischung aus analoger und digitaler Kommunika- tion ist eine Möglichkeit, einerseits Kontinuität in der Lebensgestaltung zu verwirklichen, andererseits auch neue Erfahrungen zu gewinnen und neues Verhalten zu erlernen. Auch ältere Menschen sollten mit Offen- heit, Neugierde und Toleranz an die Digitalisierung herangehen und be- denken: Neulernen ist in allen Le- bensphasen möglich und nötig. Der Mut zahlt sich aus, auch mit Blick auf die Förderung des Selbstbildes. Sie kennen Heidelberg gut.Welche digi- talen Angebote braucht es Ihres Erach- tens hier für Senioren am dringlichs- ten? Kruse  In Heidelberg wird ja wirk- lich eine ausgezeichnete „Senioren- politik“ verwirklicht, und so über- rascht es nicht,dass Heidelberg auch mit Blick auf die Digitalisierung im Vergleich zu vielen anderen Kom- munen sehr gut dasteht. Ein Punkt ist mir besonders wichtig: dass gezielt auch jene Menschen an- gesprochen werden, die von ihrem materiellen und von ihrem Bil- dungshintergrund her benachtei- ligt sind mit Blick auf eine digitale Grundausstattung. Eigentlich müsste jeder Haushalt einen Internetanschluss und eine digitale Ausstattung aufweisen, durch die Teilhabe gefördert wird. Darauf zu achten, dass benachtei- ligte Menschen hier gezielte Unter- stützung erfahren: Dies erscheint mir generell als eine bedeutende Strategie. eu Schon den Digitalführerschein gemacht? Die Seniorenzentren bieten Austausch vor Ort, erleichtern aber auch den Einstieg in die digitale Welt D igitale Medien und Geräte bie- ten gerade älteren Menschen eine Vielzahl von Chancen, den All- tag und den Austausch mit anderen zu erleichtern. Aber während die ei- nen bereits spielend ihr Museumsti- cket übers Internet buchen, sind für die anderen Smartphone und Co. ein Buch mit sieben Siegeln. Die gute Nachricht: Für beide haben die Hei- delberger Seniorenzentren entspre- chende Angebote. „Die digitalenAngebote der Senioren- zentren in den Stadtteilen haben seit der Coronapandemie 2020 einendeut- lichenAufschwung erfahren“,sagt Dr. Nikola Jung vomAmt für Soziales und Senioren.„Dass man über Messenger- Dienste wie Zoom Kontakt zu Fami- lien oder Freunden halten konnte,hat viele ermutigt, ihre digitalen Mög- lichkeiten zu erweitern.“ Digitalsprechstunden Wie richte ich ein E-Mail-Konto ein? Wie funktioniert Videotelefonie? Wie bewege ich mich sicher durchs Internet? Auf diese und viele andere Fragen gibt es in den Seniorenzent- ren an festen Terminen oder nach Bedarf auf Anfrage Antwort. Denn viele Senioren haben Zweifel, ob sie digitaler Technik gewachsen sind, oder fühlen sich in großen Kursen nicht wohl.In allen Seniorenzentren gibt es daher auch Angebote mit ei- ner 1:1-Begleitung.So kann der Lern- stoff an das individuelle Lerntempo angepasst werden. Gruppen- und Kursangebote Senioren und Seniorinnen, die be- reits digitale Geräte imAlltag nutzen, können weiterführende Gruppen- angebote besuchen und sich so auf die Teilnahme an virtuellen Veran- staltungen vorbereiten lassen – denn viele Bewegungs- und Sprachkurse, Stammtische und Kaffeenachmitta- ge in den Seniorenzentren finden in der Pandemie digital statt. Neuer Kurs für Einsteiger Ältere Menschen mit minimalen Vorkenntnissen im Umgang mit Smartphone & Co.können ab diesem Frühjahr an einem sechsteiligen Einsteigerkurs „Wie funktioniert denn das?!?“ im Seniorenzentrum Weststadt teilnehmen. Ziel ist, dass die Teilnehmenden langsam und in Kleingruppen durch Übung und Wiederholung mit ihrem Gerät so vertraut werden, dass sie die Digital- Sprechstunden nutzen oder weiter- führende Angebote belegen können, etwa den Digital-Führerschein des Mehrgenerationenhauses Heidel- berg. Der Kursbeginn wird in der Ta- gespresse bekannt gegeben. eu Kontaktdaten der Seniorenzentren auf Seite 4 und unter www.seniorenzentren-hd.de Den Umgang mit Computer, Tablet oder Handy lernen Ältere in den Seniorenzentren in Kleingruppen und angepasst an das individuelle Lerntempo. ( Foto Dorn) 1 2 3

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