stadtblatt / 21. Dezember 2022 4 „Es ist wie in einem Ruderboot: Wir brauchen jede Hand“ Interview mit Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner Herr Oberbürgermeister, im November sind Sie für eine dritte Amtszeit gewählt worden – haben Sie sich vomWahlkampf schon erholt? Prof. Dr. Eckart Würzner: Es war tatsächlich eine intensive Zeit und ich habe mir danach auch ein paar Tage freigenommen. Aber die Erfahrung war wieder sehr wertvoll: Ich habe auf tausende Klingeln gedrückt, unzählige Gespräche geführt und hatte beide Ohren sehr nahe an den Anliegen der Menschen. Und was haben Sie gehört? Würzner: Zunächst sehr viel Dankbarkeit und Zuversicht. Den Menschen ist bewusst, dass sie in Heidelberg in einer sicheren und wohlhabenden Stadt leben, wo demokratische Werte und Toleranz herrschen. Das war ein angenehmer Kontrast zu den wenigen, aber dafür sehr lauten Schwarzmalern. Leider beherrschen die zu oft die öffentliche Debatte. Ich habe mir vorgenommen, künftig stärker auf die leiseren Stimmen zu hören und deren Probleme mehr in den Fokus zu nehmen. Projekte in den Stadtteilen angehen Wie wollen Sie das erreichen? Würzner: Indem ich als Oberbürgermeister und auch die Verwaltung noch stärker auf die Menschen zugehen – in die Stadtteile, in die Quartiere. Die großen Themen, die politisch „heiße Eisen“ sind, gehen an der Lebenswirklichkeit der Leute nämlich oft einfach vorbei. Haben Sie ein Beispiel? Würzner: Sehr viele – und sie sind von Stadtteil zu Stadtteil anders. Da geht es um eine fehlende Busverbindung, einen geschlossenen Lebensmittelladen oder zuwenig überdachte Fahrradständer. Was nutzt einer älteren Dame im sechsten Stock, die keine Treppen mehr steigen kann, das schönste Konzept zur Barrierefreiheit im Zukunftsstadtteil PHV, wenn hier und heute der Aufzug in ihrerWohnanlage ständig kaputt ist. Das wird für sie zu einem existenziellen Problem. Sie kommt nicht zum Einkaufen, sie kommt nicht zum Arzt. Das sind oft kleine Dinge und die hört man nur,wenn man auf die Menschen vor Ort zugeht. Welche Formate haben Sie da im Kopf? Würzner: Ich möchte das genauso weiterführen wie in meinem Wahlkampf: Locker, für jeden offen, auf Augenhöhe, in einer entspannten Atmosphäre. Im Wahlkampf habe ich das „Espresso mit Eckart“ genannt. Ich habe mich mit Leuten in einem netten Café getroffen und einfach zugehört. Natürlich ist auch digital eine Menge möglich. Wir brauchen Beteiligungsformate, zu denen die Menschen gerne hingehen und sich mitgenommen fühlen. So erhalten wir auch das Vertrauen in die Politik, in die Verwaltung. Sie haben im Wahlkampf die Bedeutung eines guten sozialen Miteinanders betont.Was meinen Sie damit? Würzner: Ich bringe es mal auf die Formel: Umeinander kümmern, miteinander gestalten. Die Pandemie hat uns ganz klar gezeigt, dass wir in Heidelberg eine solidarische Stadtgesellschaft haben. Das zu fördern und zu erhalten, ist der Kern meiner Arbeit. Dieses soziale Miteinander trägt die Stadt und ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit lösen können. Es ist wie in einem Ruderboot: Wir brauchen jede Hand. Jede und jeder, der mit anpackt, trägt dazu bei, dass wir das notwendige Tempo aufnehmen. Heidelbergs Innovationskraft weiter stärken Und was braucht es noch? Würzner: Vieles. Ein Stichwort ist mir besonders wichtig: Innovationskraft.Heidelberg ist das,was man international eine „knowledge pearl“ nennt – eine Perle des Wissens. Wir haben hier auf engstem Raum weltweit herausragende Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Dort entstehen neue Techniken, Produkte und Lösungen für die Welt von morgen. Dafür müssen wir gute Rahmenbedingungen und Möglichkeiten für Wachstum bieten. Dafür ist der Platz in Heidelberg extrem begrenzt … „Wir haben hier herausragende Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Dort entstehen Lösungen für die Welt von morgen.“ Im Heidelberg Innovation Park (hip) finden Unternehmen aus den Bereichen IT, Biotechnologie und digitale Medien ein neues Zuhause. (Foto Venus) Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner wählte das junge Restaurant Earth Bowls in der Altstadt als Ort für das Jahresinterview 2023 (Foto Dittmer) JAHRESRÜCKBLICK 2022
RkJQdWJsaXNoZXIy NDI3NTI1