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„Geschichte lebendig halten“
Jüdische ehemalige Bürgerinnen und Bürger waren wieder Gäste Heidelbergs
Die Stadt Heidelberg hat in Kooperation mit der Manfred Lautenschläger Stiftung ihre jüdischen ehemaligen Bürgerinnen und Bürger vom 17. bis 22. Mai wieder zu einem Treffen nach Heidelberg eingeladen.
Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner empfing die 110 Teilnehmer/-innen am 18. Mai im Rathaus. Zu Gast war auch eine kleine Delegation aus der Partnerstadt Rehovot. Erstmals waren auch direkte Angehörige eingeladen. „Beim letzten Treffen wurde uns bewusst, wie wichtig es für nachfolgende Generationen ist, die Stadt ihrer Eltern oder Großeltern kennenzulernen. So schaffen wir Kontinuität und lassen den Kontakt nicht abreißen“, erklärte der Oberbürgermeister. Das Treffen findet seit 1996 alle fünf Jahre statt.
„Die Einladung an Sie ist Teil unserer langjährigen Bemühungen in Heidelberg, eine Erinnerungskultur zu pflegen, die Geschichte lebendig halten soll, damit wir selbst und künftige Generationen ein tieferes Verständnis für unsere Vergangenheit entwickeln“, betonte der OB. An der Vorbereitung des Besuches waren neben der Stadt Heidelberg auch der Förderkreis Begegnung, die Universität Heidelberg, die Hochschule für Jüdische Studien und Schulen beteiligt. 48 Gäste kamen aus den USA, 43 aus Israel, 13 aus Deutschland, zwei aus den Niederlanden, zwei aus Belgien, einer aus England und einer aus Irland. Älteste Teilnehmerin war Miriam Ranan, geboren am 11. Februar 1920.
Zeitzeugengespräche an Heidelberger Schulen gehörten wie bei den vergangenen Treffen fest zum Besuchsprogramm: 16 jüdische ehemalige Bürger/-innen berichteten an den Schulen über ihr Leben in Heidelberg zur Zeit des Nationalsozialismus.
Rahel Anili zum Beispiel war im Bunsengymnasium in der Klasse 9 D zu Besuch. „Ich war schon einmal hier und habe von früher erzählt. Das war ein schönes und wichtiges Erlebnis für mich“, betonte sie. Mit einem Strauß Nelken auf dem Lehrerpult und einem „Herzlich willkommen“ an der Tafel wurde die 82-Jährige von den Neuntklässlern begrüßt. Rahel Anili erzählte den Schülerinnen und Schülern von ihrer Kindheit in Heidelberg. Sie und ihre vier Geschwister hätten zunächst nicht viel vom Nationalsozialismus mitbekommen. „Wir durften nur nicht alleine auf die Straße“, erinnerte sie sich. Irgendwann allerdings habe sie ihre Grundschullehrerin zu sich gerufen und gesagt: „Du weißt, dass Du Jüdin bist. Morgen kommst Du nicht mehr in die Schule.“
Der Opfer gedenken
Für die Familie verschärfte sich das Alltagsleben von Tag zu Tag. „Als unser Vermieter uns dann auch noch die Wohnung kündigte, wusste mein Vater, dass es Zeit war zu gehen“, blickte die Zeitzeugin zurück. 1938 wanderte die Familie schließlich aus. „Wir bekamen ein Zertifikat und konnten legal nach Palästina. Das war für uns alle sehr, sehr schwierig. Schließlich hatten wir ein gutes und glückliches Leben hier in Heidelberg.“
„Und wie denken Sie heute über Deutschland?“, fragte eine Schülerin zum Abschluss. „Das ist heute ein neues Deutschland“, antwortete Rahel Anili. Entscheidend sei es, immer wieder an den Holocaust zu erinnern und der Opfer zu gedenken. Die Erinnerung dürfe nie verloren gehen.
Besuchsprogramm
Neben den Zeitzeugengesprächen gehörte zum Besuchsprogramm unter anderem auch die Einweihung eines Steins, der an die Bücherverbrennung auf dem Universitätsplatz im Jahr 1933 erinnert. Zudem fand ein Rundgang mit David Meyerhof zu den Wirkungsstätten seines Großvaters, des Nobelpreisträgers Otto Fritz Meyerhof, ein Besuch des jüdischen Friedhofs sowie ein Besuch in der Hochschule für Jüdische Studien statt. Seinen Abschluss fand das Treffen bei einem Festabend auf der Molkenkur. (kö)