Stadt & Leute
Azubis aus aller Herren Länder
In der Heidelberger Stadtverwaltung haben rund 23 Prozent der Auszubildenden Migrationshintergrund
Sie selbst oder ihre Eltern stammen aus Ländern wie der Türkei, Bosnien und Herzegowina, aus dem Irak, Kasachstan oder aus Frankreich. Allen gemeinsam ist, dass sie bei der Stadt Heidelberg eine Ausbildung absolvieren.
Rund 23 Prozent der städtischen Auszubildenden sind „Menschen mit Migrationshintergrund“, wie man heute politisch und sachlich korrekt sagt. Das ergab eine anonyme Umfrage des Personal- und Organisationsamtes im Jahr 2009 unter den 150 Auszubildenden, von denen 110 den Fragebogen ausfüllten. Damit liegt die Stadt Heidelberg weit vor Berlin und Stuttgart, wo der Anteil der Azubis mit Migrationshintergrund im Jahr 2009 bei 16 beziehungsweise 14 Prozent lag. In diesen Städten liegt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamteinwohnerzahl viel höher als in Heidelberg: bei 35 Prozent (Stuttgart) und 40 Prozent (Berlin). In Heidelberg haben 27 Prozent der Einwohner/-innen Migrationshintergrund.
„Heidelberg als weltoffene, tolerante Stadt setzt aktiv Maßstäbe in Sachen Integration. Ich finde es nicht nur außerordentlich erfreulich, sondern auch für eine hohe Leistungsfähigkeit der Verwaltung notwendig, dass Menschen mit Migrationshintergrund in den verschiedenen Ämtern arbeiten und ihre Erfahrungen einbringen“, sagt Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner. Und der für die Integration zuständige Bürgermeister Wolfgang Erichson ergänzt: „In städtischen Einstellungsverfahren werden interkulturelle und bilinguale Kompetenzen von Ausbildungsplatzbewerbern nicht deutscher Herkunft zunehmend erkannt und anerkannt. Diese Kompetenzen ermöglichen es der Stadt Heidelberg, insbesondere im Bereich der personalen Dienstleistungen die Qualität ihrer Angebote langfristig noch zu steigern. Damit sind wir auch Vorbild für andere Wirtschaftszweige, die auch beginnen, den Wert von interkulturellem und mehrsprachigem Fachpersonal zu erkennen.“
Bei der Einstellung der Azubis mit Migrationshintergrund wird weder eine vorgeschriebene Quote erfüllt noch drückt man ein Auge zu bei der Beurteilung der schulischen Leistungen. „Die Auswahl erfolgt nach Eignung, Leistung und Befähigung, wie dies rechtlich vorgegeben ist“, heißt es aus dem Personal- und Organisationsamt der Stadt. Und selbstverständlich spielt die Herkunft überhaupt keine Rolle bei der Ausbildungsplatzvergabe.
Sofern es die Haushalts- und Personalsituation zulässt, können in der Regel etwa 50 bis 60 Prozent der städtischen Auszubildenden mit einer Übernahme nach der Lehrzeit rechnen. Und auch bei der Einstellung nach der Ausbildung erfolgt die Auswahlentscheidung ohne Ansehen der Herkunft.
„Eine Bereicherung“
„Unsere Anstrengungen für die Ausbildung junger Menschen in 30 verschiedenen Berufen sind sinnvolle Investitionen in die Zukunft. Wir brauchen kompetente und engagierte Nachwuchskräfte für die vielfältigen Aufgaben unserer Verwaltung. Es gilt, Menschen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Fähigkeiten entsprechend ihren Stärken einzusetzen. Unstrittig sind dabei Beschäftigte mit Migrationshintergrund eine Bereicherung für unsere Verwaltung. Es ist für mich deshalb sehr erfreulich, dass bereits rund ein Viertel unserer 150 Auszubildenden zu diesem Personenkreis gehören. Dieses Ergebnis wurde nicht durch Vorgaben unzulässiger Quoten erreicht, sondern allein durch faire Auswahlverfahren, ohne Vorbehalte gegen Menschen anderer Herkunft. Allein die Eignung, Leistung und Befähigung darf den Ausschlag geben.“ (Roland Haag, Leiter des Personal- und Organisationsamtes)
Drei von vielen mit Migrationshintergrund
Paula Can
Sie wurde 1991 in Malmö geboren, ist somit schwedische Staatsbürgerin. Ihre Eltern sind Aramäer und stammen ursprünglich aus der Türkei. Als Baby kam sie nach Deutschland. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt Paula Can, die stolz ist auf ihre aramäische Herkunft und zu ihrem Freundeskreis auch viele Deutsche zählt. Die Auszubildende arbeitet zurzeit in der Fachstelle für Wohnungsnotfälle im Amt für Soziales und Senioren. Ihre Ausbildung zur Fachangestellten für Bürokommunikation mache ihr viel Spaß, weil der Einsatz in verschiedenen Ämtern viel Abwechslung bringe. Den Tipp, sich bei der Stadt Heidelberg um einen Ausbildungsplatz zu bewerben, gab die ältere Schwester: Diese und eine Cousine haben ebenfalls bei der Stadt ihren Beruf erlernt.
Eugen Hrabrov
Der 19-Jährige stammt aus Kirgi-sistan, seine deutschen Vorfahren wanderten dorthin aus. Mit seinen Eltern kam er vor rund 17 Jahren aus dem ehemals zur Sowjet-union gehörenden Land hierher. Er besuchte die Hauptschule in Meckesheim, wo er seinen Werk-realschulabschluss machte. Beim Arbeitsamt riet man ihm, eine Ausbildung als Bauzeichner oder Vermessungstechniker zu beginnen. Erfolgreich bewarb er sich um eine Lehrstelle als Bauzeichner bei der Stadt, wo er die Ausbildung „richtig gut“ findet im Vergleich zu anderen Betrieben: „Hier muss man als Azubi nur das machen, was zur Ausbildung gehört“. Russisch spricht er nicht mehr, aber er versteht noch alles. Sein Freundeskreis besteht aus Deutschen und Russen. Heute fühlt sich Eugen Hrabrov als Deutscher und kaum noch als Kirgise.
Olga Korevaar
Aus den Niederlanden stammt die 22-jährige Olga Korevaar, als Einjährige kam sie mit ihren Eltern nach Deutschland. Nach dem Abitur am Hölderlin-Gymnasium machte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer psychiatrischen Einrichtung in Frankfurt, „um zu sehen, ob soziale Arbeit was für mich ist“. Als sie hörte, dass die Stadt Heidelberg eine Ausbildung zur Sozialpädagogin anbietet, meldete sie sich sofort. Jetzt ist sie im vierten Semester dieser dualen Hochschulausbildung, die aus einem Praxisteil in städtischen Ämtern und der Theorie an der Hochschule in Stuttgart besteht. Die Abwechslung in ihrer Ausbildung gefällt ihr besonders. Olga Korevaar lebt sehr entspannt ihre Internationalität: In Holland fühlt sie sich als Holländerin, in Deutschland als Deutsche. (neu)