Stimmen aus dem Gemeinderat
SPD
Thomas Krczal
Sozialberatung und Individualhilfe
Bei der aktuellen Diskussion um Hartz IV-Regelsätze und angeblich fehlendem Leistungswillen, die längst zu einer grundsätzlichen Debatte um unseren Sozialstaat geworden ist, würde ich mir von so manchem populistischen Bundespolitiker mehr Kenntnis um die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort wünschen.
Dem Getöse des FDP-Bundesvorsitzenden möchte ich einige Fakten aus meiner praktischen Erfahrung als Vorsitzender eines Wohlfahrtsverbandes in Heidelberg gegenüberstellen.
Seit einigen Jahren führt die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Stadt eine Sozialberatung für Bedürftige und akut in wirtschaftliche Not geratene Menschen durch. Neben Aufklärung über Leistungsansprüche und Kontakten zu Ämtern und Behörden wird in Einzelfällen aus einem von der AWO gespeisten Sonderfonds finanzielle Nothilfe geleistet. Mietschulden, kein Geld für den Schulranzen oder Klassenausflug oder unberechtigte Leistungskürzungen – in begründeten Fällen muss eben manchmal auch in unserem angeblich so großzügigen und als spätrömisch-dekadent bezeichneten Sozialstaat mit Geld ausgeholfen werden. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt dabei eine deutliche Tendenz: Wurden 2006 noch ca. 50 „Fälle“ mit insgesamt rund 13.000 Euro unterstützt, so sind es in 2009 schon 160 Bedürftige mit insgesamt 29.000 Euro gewesen. Die Weihnachtsaktion der Rhein-Neckar-Zeitung konnte hierbei dankenswerter Weise einen Anteil schultern, den Rest muss die AWO aus den knappen Eigenmitteln selbst beitragen.
Die Mär von der angeblichen Nehmer-Mentalität der Bedürftigen wird durch den Umstand widerlegt, dass im abgelaufenen Jahr immerhin ca. 4.400 Euro von den Empfängern der Individualhilfe nach Überwindung der akuten Problemsituation zurückgezahlt werden konnten. Alleine die zahlreichen Einzelbeispiele aus der AWO-Sozialberatung zeigen, dass vielmehr eine differenzierte und durch Sachkenntnis geprägte Debatte um die Weiterentwicklung der Leistungen unseres Sozialstaates erforderlich ist.