Stadt & Leute
Kein geradliniger Weg in die Politik
„Erlebte Geschichte – erzählt“: Dr. Bernhard Vogel im Gespräch mit Michael Buselmeier
Es war ein Zusammentreffen, das interessant zu werden versprach: der Heidelberger Schriftsteller und Alt-68er Michael Buselmeier und Professor Bernhard Vogel, zweimaliger Ministerpräsident und CDU-Politiker. Er war am 21. September Buselmeiers Gesprächsgast bei „Erlebte Geschichte – erzählt“.
Buselmeier schoss sofort scharf: Warum er, Vogel, als Vertreter konservativer Werte als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz das Privatfernsehen sowie den privaten Hörfunk zugelassen habe? „Diese Ansammlung von Schund“, wie Buselmeier provozierte. Vogel holte ein wenig aus, bezog schließlich aber eindeutig Stellung: Ende der 70er Jahre hätte es zum ersten Mal die Möglichkeit zu Programmvielfalt gegeben. Diese würde Vogel als Anhänger einer christlichen Sozialethik unbedingt bejahen. Und: „Die Privaten hätten bestimmt nicht auf Deutschland gewartet.“
Zögerlich indes war Vogel im Laufe seines Aufstieges selbst – nicht nur wäre er einmal beinahe sitzen geblieben, auch fiel es ihm nicht leicht, eine geplante Karriere in der Universität zugunsten der Politik fallen zu lassen. Die von Buselmeier konstatierte geradlinige Karriere erwies sich bei näherem Hinsehen als kurvenreich, wenn auch glücklich. 1932 als Sohn eines Biologiedozenten in Göttingen geboren, fand der Student der Politik, Geschichte und Soziologie in Heidelberg eine zweite Heimat. Dort wurde er letzter Assistent des berühmten Alfred Weber und erster Assistent von Dolf Sternberger, bei dem er auch promovierte. Das Studium der Volkswirtschaft, seinen Eltern zuliebe neben der Soziologie aufgenommen, hatte er vor dem Vordiplom bereits abgebrochen. Auch die Soziologie selbst hatte er da bereits für Politik und Geschichte aufgegeben.
Auf Vogels politische Ambitionen reagierte Sternberger mit Ablehnung. Der lokal bekannte Alois Link brachte ihn dann schließlich dazu, für den Gemeinderat zu kandidieren. 1962 war Vogel in die CDU eingetreten, verfolgte zu dieser Zeit allerdings noch seine akademische Laufbahn als Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft in Heidelberg.
Die Frage Buselmeiers, ob da dann die politische Sogwirkung eingesetzt habe, bejaht Vogel; nichtsdestotrotz sollte es noch weitere acht Jahre dauern, bis er sich um den Landesvorsitz der CDU bewarb. Dem war der Posten als Kultusminister in Rheinland-Pfalz vorhergegangen. Schließlich wurde Vogel 1976 zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt. Dort kam es 1988 zu dem Eklat, der zu seiner Abwahl durch die Mitglieder seiner eigenen Partei führen sollte, und der ihn, so seine Worte, „tief verletzte“.
Dem Streit war ein Verlust der absoluten Mehrheit bei einer Landtagswahl vorausgegangen, außerdem geriet Vogel wegen der Begnadigung zweier RAF-Terroristen unter Beschuss. Als er dem ehemaligen Umweltminister Hans-Otto Wilhelm bei der Wahl zum Landesvorsitzenden unterlag, legte er sein Amt als Ministerpräsident mit den Worten „Gott schütze Rheinland-Pfalz“ nieder. „Dieser Satz kam von Herzen“, erklärte sich Vogel im Gespräch mit Buselmeier.
1992 sollte dann „das größte Abenteuer seines Lebens“ folgen: das Amt als Ministerpräsident von Thüringen. Anfangs reagierte Vogel sehr zurückhaltend auf die Anfrage; als man sich im Bundeskanzleramt auf keine Person verständigen konnte, kam schließlich Helmut Kohls Direktive: „Fahr nach Erfurt!“
„Zum Glück wusste ich vorher nicht, dass es elf Jahre werden würden“, fasst Vogel die Zeit schmunzelnd zusammen. 2003 trat er schließlich zurück, „die Thüringer sollten nicht einen 73-Jährigen auf Ungewissheit wählen.“ (wei)