Stadt & Leute
Große Kunst am Bau
Graffiti-Künstler verschönern Gebäude auf dem Neuen Messplatz
Man sollte das piece aus dem Handgelenk machen, sonst gibt es Rotznasen. Das ist wack, denn wenn der flow fehlt, gilt der writer schnell als toy.
Sie haben gerade kein Wort verstanden? Das macht nichts – mit Pablo Fontagnier und Mike Arthur, die seit dem 10. September das Toiletten- und Trafohäuschen am Neuen Messplatz im Auftrag der Stadt Heidelberg mit Graffiti gestalten, haben wir zwei „writer“, also Sprayer, an der Hand, die ein erfrischend normales Deutsch reden. Und uns trotzdem aufklären können über die Feinheiten der Gestaltung mit Edding und Dose.
Das „piece“, also Werk, an dem die beiden arbeiten, wird die gesamte Rückseite des Funktionsgebäudes bedecken, mit thematischem Bezug zu den häufig auf dem Messplatz stattfindenden Zirkusveranstaltungen. „Es ist schwierig, so nah an dermaßen großen Objekten zu arbeiten“, klärt uns Fontagnier auf, „meistens arbeitet einer oben und der Andere korrigiert ihn von unten“. Um die Sache deutlicher zu machen: der Elefant, eine der dominierenden Figuren auf dem Bild, hat eine Höhe von etwa zweieinhalb Metern. Dargestellt wird eine Serie bestehend aus Zirkustieren und einem „character“, also einer Person. Eingeplant sind drei Wochen bis zur Fertigstellung des kompletten Bildes; die beiden Sprayer indes hoffen, in etwas mehr als einer Woche bereits ihr Werk vollenden zu können.
Tatsächlich sind die meisten Grundlinien bereits gezogen und die Genauigkeit, mit der die beiden ihre Skizzen umsetzen, ist verblüffend. „Das Wichtigste beim Malen ist: Keine Angst vorm Strich!“, stellt Mike Arthur fest. Das habe durchaus etwas meditatives, fügt er hinzu, auf Ähnlichkeiten mit asiatischen Techniken wie der Kalligraphie angesprochen: „Oft merkt man erst abends, dass man den ganzen Tag gearbeitet hat.“ Geht man zu zögerlich vor, gibt es die oben bereits erwähnte Rotznasen – ungewollte Farbverläufe durch zu dicken Farbauftrag.
Den Flow haben sie also, die beiden gelernten Grafik-Designer. Auch wenn jedes Mal wieder die Polizei stört, die diesmal zwar bewundernd vor dem Kunstwerk steht, sich die Aufnahme der Personalien jedoch nicht nehmen lässt. Mike Arthur und Pablo Fontagnier haben allerdings nichts zu befürchten: „Wir machen keine illegalen Sachen. Inzwischen steht das Werk viel zu sehr im Vordergrund, also dass man seine Energie mit Heimlichkeiten verschwenden würde.“ Und nicht zuletzt steht inzwischen viel zu viel auf dem Spiel, verdienen die beiden inzwischen doch ihren Lebensunterhalt mit Graffiti. „Wir haben unsere Traumjobs gefunden“, so beide unisono. (wei)