Stimmen aus dem Gemeinderat
GAL-GRÜNE
Judith Marggraf
Behördenzentrum Bahnhofstraße
Meine Fraktion hat sich in der Gemeinderatssitzung an Beratung und Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt nicht beteiligt, weil es nicht wirklich etwas zu beraten und abzustimmen gab. Das Geplänkel um ein bisschen Verschiebung nach Norden und etwas gefälligere Fassadengestaltung war nur Ablenkung. De facto ging es allein um die Frage, ob wir, der Gemeinderat der Stadt Heidelberg, bereit sind, in nacheilendem Gehorsam passendes Baurecht für einen bereits zwischen Land und Investor geschlossenen Vertrag zu schaffen.
Leider hat es dafür eine Mehrheit gegeben. Wir stellen hier niemanden an den Pranger. Jeder von uns hatte seine ernst zu nehmenden Gründe und im Hinterkopf die Drohung des Landes, die Justiz aus Heidelberg abzuziehen. Aber: Vor Jahren haben die Druckmaschinen damit gedroht, den Firmensitz zu verlegen, wenn wir ihnen nicht das Stück Straße überlassen... Heute baut ein privater Investor...! Anfang des Jahres haben wir einem Unternehmen ein Grundstück in Bahnhofsnähe verkauft, damit dieses Unternehmen Heidelberg nicht verlässt. Vermutlich müssen wir in vier Wochen die Straßenbahn durch den Klausenpfad beschließen, weil sonst die Ruperto Carola nach Edingen verlagert wird...
Wenn wir nicht nur der Stadt Bestes suchen, sondern aus opportunistischen Gründen auch mal wider besseren Wissens „falsche“ Entscheidungen treffen – wo ist die Grenze? Was können wir noch offen und öffentlich vertreten und argumentieren? Und in welchem Ausmaß tragen wir so zur von allen gegeißelten Politikverdrossenheit bei? Wir sehen die anstehenden Entscheidungen zu den vielen großen Bauprojekten vor diesem Hintergrund mit Sorge: Wird es uns gelingen, das Wohl der Stadt über Zeit- und Entscheidungsdruck zu setzen? Werden wir mutig genug sein, „der Stadt Bestes“ auch unpopulär zu vertreten?