Stimmen aus dem Gemeinderat
SPD
Karl Emer
Wer regiert die Stadt?
Dieser Tage fiel mir die unterhaltsame Abhandlung eines Hamburger Historikers in die Hände (J. Sarnowsky „Korporationen und Konflikte, Universität und Stadt in der Perspektive ihrer mittelalterlichen Entwicklung“). Manche Aussagen verursachen Grübeln. Hier einige Zitate: „Von Anfang an war das Verhältnis zwischen Universität und Stadt zugleich spannungsvoll und symbiotisch.“…„Daraufhin unterbrachen die Magister die Vorlesungen und drohten mit dem Auszug aus der Stadt…“…„mussten die Bürger der Stadt letztlich aufgrund der päpstlichen und königlichen Interessen zurückstecken und trotz vielfältiger Spannungen die Ausbildung eines eigenen universitären Rechtsraums hinnehmen.“
Wohlgemerkt: Vom Mittelalter ist die Rede, nicht von heutigen Vorgängen im Umgang zwischen Uni und Stadt, etwa bei der bestmöglichen Verkehrserschließung des Universitätsgeländes im Neuenheimer Feld. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Zur aktuellen Debatte: OB Würzner erklärte zu seiner Einigung mit Rektor Eitel am 4. April: „Möglich wurde der Durchbruch, weil der neue Trassenverlauf alle geäußerten Bedenken berücksichtigt.“ Wir fragen: Was für ein Durchbruch fand statt, welche Bedenken wurden berücksichtigt? Mit der Straßenbahn durchs Neuenheimer Feld befasste sich der Gemeinderat zuletzt 2005/6. Wir erkennen in der Klausenpfad-Trasse auch heute keinen „Durchbruch“ und sehen auch nicht „alle geäußerten Bedenken berücksichtigt“. Im Gegenteil: Warum OB und Rektor eine Geisterbahn am Nordrand des bebauten Uni-Campus favorisieren, bleibt uns unverständlich und politisch nicht vermittelbar. Zuletzt wurde festgestellt, dass beide Trassenführungen – Klausenpfad und Straße Im Neuenheimer Feld – sowohl Erschütterungsrisiken als auch Elektromagnetismus für die Uni-Einrichtungen ausschließen. Es bleibt die Abwägung nach verkehrlichen, städtebaulichen und betrieblichen Kriterien. Unumstößlich ist, dass die längere Strecke (Klausenpfad) deutlich mehr Kosten sowohl in der Herstellung als auch im Unterhalt und Betrieb verursacht bei gleichzeitig geringerem Fahrgastnutzen. Gleichzeitig verringert sich der Fahrkomfort durch drei zusätzliche Kurven. Dagegen werden mit der konsequenten Geradeausführung zwischen neuer Kinderklinik und Berliner Straße alle vorhandenen und für absehbare Zeit zu erwartenden Baufelder im Norden des Neuenheimer Feldes erschlossen.
Zurück zu unserem Historiker, der abschließend schreibt: „Nicht nur im Mittelalter setzen aber positive Entwicklungen einen vernünftigen Interessenausgleich voraus.“ Da gibt’s noch viel zu tun!