Stadt & Leute
„Finanzen sind im Gleichgewicht“
Walter Lenz über seine mehr als 20 Jahre Amtszeit als Kämmerer der Stadt
Stadtkämmerer Walter Lenz war 45 Jahre im Dienste der Stadt Heidelberg. Im STADTBLATT-Gespräch erzählt er, wie sich Stadt und städtischer Haushalt in dieser Zeit verändert haben.
Herr Lenz, 45 Jahre lang waren Sie für die Stadtverwaltung Heidelberg tätig, in unterschiedlichen Positionen. Wie lautet Ihr persönliches Resümee für dieses knapp halbe Jahrhundert, sowohl im Hinblick auf die Arbeit der Verwaltung als auch im Hinblick auf die Entwicklung von Heidelberg als Stadt?
Walter Lenz: Die Stadtverwaltung hat sich in dieser langen Zeit zu einem modernen Dienstleister bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben entwickelt. Begonnen hat es mit den Bürgerberatungsstellen, die sich in den letzten 15 Jahren zu Bürgerämtern in den Stadtteilen entwickelt haben. Eine neue Diskussionskultur in der Verwaltung als auch in vielfältigen Bürgerforen und Beiräten war sicher zeitaufwändig, aber notwendiger Bestandteil für eine nachvollziehbare Entscheidungsfindung.
Der Gemeinderat hat sich zu einem intensiv arbeitenden Gremium entwickelt, welches sehr viel mehr und wichtigere Entscheidungen trifft, als allgemein wahrgenommen wird. Die Gemeinden haben ein weit größeres und breiteres Aufgabenspektrum als Bund und Länder mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Einwohner der Stadt, vom Kindergarten bis zur Abfallbeseitigung, vom Theater bis zu den Strom- und Gaspreisen, von den Schulen bis zu den Straßen, die Liste könnte ich noch lange fortsetzen. Die Stadt entwickelte sich stetig und in den bestehenden Strukturen gleichmäßig, die Finanzen sind im Gleichgewicht. Der große Schritt Bahnstadt ist notwendig und wird die Einwohnerzahl der Stadt erhöhen, ein Umstand, welcher überaus positive Auswirkungen auf die der Stadt zufließenden Mittel des Finanzausgleichs haben wird.
20 Jahre lang haben Sie das Kämmereiamt geleitet. Verraten Sie uns, welche Tipps Sie Ihrem Nachfolger, Hans-Jürgen Heiß, für diese Aufgabe gegeben haben?
Lenz: Ich muss Sie enttäuschen. Tipps benötigt mein Nachfolger, die Finanzverwaltung der Stadt und deren Gesellschaften zu führen, nicht. Seine berufliche Erfahrung, seine seit langem bewiesenen Führungsqualitäten und seine Fachlichkeit bedürfen keiner weiteren Anleitung, zumal er bisher schon an allen wichtigen Entscheidungen direkt beteiligt war.
In Ihrer Zeit als Amtsleiter haben Sie drei Oberbürgermeister erlebt: Was würden Sie sagen sind die wesentlichen Punkte, in denen sich ihre Haushaltsführung unterscheidet?
Lenz: Eine gute Frage, über die man ein Seminar abhalten könnte. In der Amtszeit von Oberbürgermeister Reinhold Zundel erlebte ich die Umsetzung seiner Verwaltungsreform in die Haushaltsgestaltung mit einer sehr traditionell geprägten Beratung aller Einzelansätze des Haushalts. Gleichzeitig bewies er finanzpolitische Weitsicht, als er 1974 im Rahmen der Haushaltsreform durch seine kaufmännisch geprägte Vorstellung mit der „Heidelberger Formel“ langfristig ausgeglichene Haushalte sichern wollte. Das neue, seit 2007 bei der Stadt eingeführte kaufmännische Rechnungswesen schließt nahtlos an die Haushaltsgrundsätze des Jahres 1974 an: Jede Generation ist verpflichtet, alle verbrauchten Ressourcen, also auch die durch die Nutzung städtischen Vermögens entstehenden Werteverluste, zu finanzieren, ganz am Ende auch durch Steuern. Mit diesen weitreichenden Vorstellungen hat OB Reinhold Zundel eine ganze Führungsgeneration geprägt.
In der Amtszeit von Frau Oberbürgermeisterin Beate Weber bot eine neue Verwaltungskultur viel Freiraum für neue und kreative Ideen. Heidelberg wurde zu einer zentralen Entwicklungsstätte für einen Neuen Haushalt mit damit verbundenen Steuerungsinstrumenten für den Gemeinderat und die Verwaltungsführung. Messbare Ziele und Maßnahmen prägen jetzt den Haushalt, über deren Erreichung die selbstständig wirtschaftenden Ämter und Einrichtungen am Jahresende Rechenschaft ablegen müssen. Ebenfalls neu war ab 2005/2006 der Zweijahreshaushalt, der erst jetzt einen Sinn machte, nachdem inhaltlich der Haushalt eine viel tiefergehende Steuerung möglich machte. Der Neue Haushalt der Stadt Heidelberg – ein politischer Haushalt im besten Sinn des Wortes. Die Qualität der Änderungsanträge der Fraktionen ist Beweis dafür.
Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner hatte die schwere Aufgabe, gleich zu Beginn seiner Amtszeit innerhalb von wenigen Monaten den Doppelhaushalt 2007/2008 vorlegen zu müssen, der jetzt erstmals auf dem kaufmännischen Rechnungssystem aufbaute. Gleichwohl konnte er mit diesem Haushalt deutliche Signale für seine politischen Ziele setzen, die er in den nächsten Jahren erreichen will. Das erste große Ziel ist schon erreicht: Der Gemeinderat hat die Realisierung der Bahnstadt beschlossen, bereits mittelfristig werden die Einwohnerzahlen steigen und damit die wirtschaftliche Basis der Stadt verstärken.
Wie gut hat der Gemeinderat auf Ihre Empfehlungen „gehört“? Wie oft hatten Sie „Bauchschmerzen“ wegen dessen Haushaltsentscheidungen?
Lenz: Der Gemeinderat hat den von der Verwaltung vorgelegten Haushaltsentwurf letztlich immer zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Je nach den politischen Konstellationen – die Mehrheiten waren immer knapp – führten die notwendigen politischen Kompromisse immer wieder zu Abweichungen gegenüber dem Entwurf. Schmerzhaft waren sie dann, wenn diese zu Lasten der Eigenmittel gingen und damit die Schulden der Stadt erhöhten. Über alles gesehen hat der Gemeinderat die Grundstrukturen der Haushaltswirtschaft nicht in Frage gestellt.
Zu Ihren Aufgaben als Kämmerer gehörte auch, die Stadt im Aufsichtsrat städtischer Firmen zu vertreten. Wie hat sich deren Aufgabengebiet entwickelt? Sind sie aus Ihrer Sicht gut für die Zukunft aufgestellt?
Lenz: Die größten Gesellschaften, deren Eigentümerin die Stadt ist, sind die Heidelberger Stadtwerke GmbH und die Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz GmbH. Die Heidelberger Straßen- und Bergbahn GmbH als Tochter der Heidelberger Stadtwerke GmbH wird auf noch sehr lange Zeit die Lasten vor der Zeit der RNV tragen müssen. Der Wettbewerb im Energiebereich sowie die Regulierung der Netzentgelte bei Strom und Gas schwächen die Leistungsfähigkeit der Stadtwerke, die bisher über Jahrzehnte hinweg die Verluste aus dem öffentlichen Nahverkehr weitgehend kompensieren konnten. Die jetzt vom Gemeinderat beschlossene neue Struktur des Unternehmens ist Grundlage für eine dringend notwendige Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Konzerns.
Zu guter Letzt: Warum ist der Haushalt für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln? Welche Tipps haben Sie dafür?
Lenz: Der erste Tipp: Das Haushaltsbuch aufschlagen und lesen – es geht wirklich.
Der zweite Tipp: Fragen erklären lassen, die Fachleute des Kämmereiamtes stehen dafür geduldig Rede und Antwort.
Walter Lenz
Der gebürtige Heidelberger Walter Lenz begann im Mai 1962 seine Berufslaufbahn bei der Stadt. Schon während der Ausbildungszeit zeigte er, dass Zahlen ihm liegen: Er richtete die erste Kostenrechung in einem städtischen Amt ein. Seit Juli 1965 war er beim Kämmereiamt tätig, ab Februar 1987 als dessen Leiter. Walter Lenz erwarb sich bundesweit den Ruf als Experte des kommunalen Rechnungswesens und war daher auch in vielen Gremien auf Landes- und Bundesebene tätig. Da Heidelberg als Universitätsstadt vergleichsweise geringe Steuereinnahmen erwirtschaftet, kämpfte er besonders für eine generelle Stärkung der Finanzkraft der Städte und Gemeinden über den kommunalen Finanzausgleich.