Ausländerrat / Migrationsrat
Gewaltbereitschaft ist kein ethnisches Problem
Ihr Ausländerrat/Migrationsrat informiert
"Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer." Mit diesen Worten löste der hessische Ministerpräsident Roland Koch eine Debatte aus, die Deutschlands Medien nun schon einige Wochen umtreibt. Stimmt das, was er sagt? Uns Vertreter/innen der AusländerInnen und MigrantInnen bedrückt dieser Satz sehr, ebenso wie die darauf folgenden Diskussionsbeiträge, wie etwa der ähnlich geartete Vorschlag des bayrischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein, eine Abschiebehaft für kriminelle Jugendliche mit Migrations- bzw. Ausländerhintergrund festzulegen.
Natürlich sind auch wir geschockt von den Bildern aus München; wir sind besorgt, wie vermutlich die übergroße Mehrheit der in Deutschland lebenden Bürger/innen, wenn wir im Radio von Gewalttaten hören, die türkische oder palästinensische Jugendliche in Deutschland verüben. Vielleicht verurteilen wir solche Taten insgeheim gar noch mehr als die Deutschen, da wir selbst uns um ein angemessenes und respektvolles Verhalten in unserem Gastland bemühen und uns solche Taten daher besonders übel aufstoßen.
Doch ist ein derart reflexartiges Aufspringen auf den Zug politischer Polemik gegen die Bedrohung ausländischer Jugendkriminalität, wie es die beiden eingangs erwähnten Politiker tun, in unseren Augen nicht gerechtfertigt. Es scheint vielmehr so, als habe sich hier ein Ventil geöffnet, durch das sich unterschwellige Ressentiments und Ängste wenig konkretisiert, aber nicht minder brisant einen Weg in die Gesellschaft bahnen – in der Hoffnung auf ein Echo.
Wir wollen das Problem ausländischer Jugendgewalt nicht verharmlosen. Insbesondere unter den sogenannten ‚Intensivtätern’, also Jugendlichen, die durch eine besorgniserregende Häufung vieler Delikte auf sich aufmerksam machen, haben viele einen Migrationshintergrund. Dennoch, die allgemeine Statistik zur Jugendkriminalität zeigt auch, dass insgesamt der Anteil an Kriminellen mit Migrationshintergrund seit 1997 (rund 30 Prozent) stetig zurückgegangen ist (heute 21,9 Prozent) – ist das nicht auch eine Nachricht wert?
Wir versuchen uns einmal an einer positiven Deutung: Sollte die Integration, insbesondere die Bildungsintegration, von MigrantInnen doch besser funktionieren als vermutet? Gewaltbereitschaft ist ein soziales, kein ethnisches oder kulturelles Problem. Wer in einer intakten Familie aufwächst und die Chance auf Bildung und gesellschaftliche Anerkennung bekommt, der muss nicht voller Wut und Hass auf ein Opfer eintreten oder einen Amoklauf in einer Schule starten.
Offenheit und Vertrauen, die Basis jedes menschlichen Miteinanders, sollten in unserer Gesellschaft vorherrschend sein, nicht aber der Ruf nach drakonischeren Strafen und Stigmatisierung.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen ein frohes und friedliches Neues Jahr 2008!
Ihr Ausländerrat/Migrationsrat
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