Stadt & Leute
Keine Übervorteilung der Portheim-Stiftung
Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung: Professor Frank Engehausen legt Abschlussbericht für die Zeit bis 1955 vor
„Eine Übervorteilung der Stiftung seitens der Stadt ist nicht festzustellen“. Prof. Dr. Frank Engehausen, der im Frühjahr 2006 vom Kuratorium der Portheim-Stiftung als unabhängiger Gutachter mit der Aufarbeitung der Stiftungsgeschichte betraut worden war, legte am 24. September auf einer Pressekonferenz im Rathaus seinen Abschlussbericht vor. Der Bericht präsentiert eine umfassende und lückenlose Darstellung der Aktivitäten der Stiftung von ihrer Gründung 1919 bis in das Jahr 1955.
„Ich bin sehr froh, dass der Bericht jetzt vorliegt und dazu beiträgt, die Stiftungsgeschichte restlos aufzuklären“, betonte Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner. „Der Bericht soll der gesamten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Er wird Ende des Jahres in der Schriftenreihe der Stadt Heidelberg erscheinen.“
Dr. Jobst Wellensiek, Leiter des Kuratoriums der Portheim-Stiftung, bekannte, für ihn sei die Lektüre des Berichtes „fast so spannend wie Harry Potter“ gewesen. „Das Image der Stiftung hat bisher sehr gelitten“, so Dr. Wellensiek. „manches ist negativer dargestellt worden, als es ist. Nach Vorlage des Berichtes bin ich jetzt optimistisch, dass es uns gelingt, die Stiftung zu stabilisieren.“
Als einen Beitrag für ein „kollektives Gedächtnis der Portheim-Stiftung“, beschrieb Professor Engehausen seinen Auftrag. Die Geschichte der Stiftung sei lange vernachlässigt worden. Zur Beziehung Stadt – Stiftung führt er im Bericht aus:
„Bei den Recherchen wurde auch der Frage nachgegangen, wie sich das Verhältnis der von Portheim-Stiftung und der Heidelberger Stadtverwaltung in dem fraglichen Zeitraum entwickelt hat. Hierbei hat sich Folgendes ergeben: Personelle Verbindungen auf der Leitungsebene entstanden erst, als nach dem Tod des Stifters Victor Goldschmidt im Zuge einer vom badischen Kultusministerium angeregten Umbesetzung 1934 der Oberbürgermeister Carl Neinhaus in das Kuratorium berufen wurde. Neinhaus blieb bis 1945 Mitglied des Leitungsgremiums der Stiftung, ohne dort jedoch eine Führungsposition innegehabt zu haben. Bei einer erneuten Umbesetzung des Kuratoriums 1939 lehnte er es ab, den Vorsitz zu übernehmen, der ihm als dienstältestem Mitglied satzungsgemäß zugestanden hätte. Gleichwohl war Neinhaus mitverantwortlich für alle wichtigen Entscheidungen, die vom Leitungsgremium in diesen Jahren getroffen wurden. Mit den anderen Kuratoriumsmitgliedern wurde Neinhaus nach Kriegsende 1945 als politisch untragbar suspendiert. Dass Neinhaus 1955 in das Kuratorium zurückkehrte, stellte sich für die Verantwortlichen – die Aufsichtsbehörde und den bis dahin amtierenden kommissarischen Verwalter der Stiftung Arthur Strauß – als unproblematisch dar.
Zahlreiche Kontakte zur Stadtverwaltung ergaben sich durch den großen Grundbesitz, den die Stiftung in den Jahren bis 1923 erwarb. Zu einem ernsten Konflikt kam es dabei im Jahr 1925, als die Stadtverwaltung einen Antrag der Stiftung auf Erlass oder wenigstens Minderung der auf ihren Immobilien lastenden Abgaben abwies und sich dadurch die ohnehin prekäre finanzielle Lage der Stiftung verschärfte. Aus Verärgerung vor allem über die Form der Einforderung der ausstehenden Abgaben erwog Goldschmidt vorübergehend oder drohte zumindest damit, die Stiftung von Heidelberg nach Freiburg zu verlegen.
Grundstücksverkäufe an die Stadt tätigte die Stiftung erst nach Goldschmidts Tod: Im Rechnungsjahr 1937/38 kaufte die Stadt ein Teilgrundstück für eine Straßenbaumaßnahme, von der sich die Stiftung eine Wertsteigerung ihrer verbliebenen Immobilien am Steigerweg versprach, und 1942 waren Stiftung und Stadt an einem Kauf- und Tauschvertrag beteiligt, mit dem die Stiftung einen Teil ihres Neuenheimer Immobilienbesitzes gegen geringfügig flächengrößere Grundstücke in unmittelbarer Nachbarschaft tauschte. 1944 schließlich verkaufte die Stiftung auf Bitten der Stadt, die einen Luftschutzstollen anlegen wollte, ihre Grundstücke am Schlossberg mit einer Fläche von knapp 4.000 Quadratmetern. Ob die Kaufpreise jeweils marktüblich waren, lässt sich nicht beurteilen; Indizien, die auf eine Übervorteilung der Stiftung hindeuten, haben sich auch im Fall der Grundstücke am Schlossberg, deren Verkauf die Stiftung schon zuvor erwogen hatte, nicht ergeben.“