Stadt & Leute
„Arbeit mit der Sprache macht Spaß“
Autist Nils Steinbrenner war Praktikant beim STADTBLATT – Positive Erfahrung für alle Beteiligten
Nils ist Autist. Er kann nur wenig sprechen, aber gut schreiben. Nach einem zweiwöchigen Praktikum im Amt für Öffentlichkeitsarbeit, wo er vor allem in der STADTBLATT-Redaktion mitarbeitete, fasste er seine Erfahrungen für die Leser/innen des STADTBLATTs zusammen:
Ich heiße Nils und bin zur Zeit in der 8. Klasse der Albert- Schweitzer-Schule. Wie meine Klassenkameraden auch, so musste auch ich ein Betriebs- praktikum machen. Durch Vermittlung meiner Mutter verschlug es mich in die Redaktion des Stadtblatts. Meine Stärken waren hier, glaube ich wenigstens, nicht bekannt. Jedenfalls überraschte und freute es mich doch, dem Redakteur, der für die Kurzmeldungen zuständig ist, zugeteilt worden zu sein, denn meine absolute Priorität beim Schreiben liegt in der Kürze und in der verdichteten Schreibe. Als Redakteur macht man den ganzen Tag fast nichts Anderes als Texte zu kürzen und man versucht das Wesentliche herauszuarbeiten. Das kam mir sehr entgegen.
Eigentlich habe ich mich schon darüber gefreut, dass ich hier so freundlich und vorbehaltlos aufgenommen wurde, obwohl ich mich sprachlich nur schlecht und mit eher stereotypen Worten ausdrücken kann. Auch meine Neigung zu Albernheiten wurde von den meisten Mitarbeitern gut toleriert. Ich hoffe aber auch, dass die Qualität meiner Texte wenigstens einige von meinen wenig offensichtlichen Fähigkeiten überzeugt haben.
Als FC-Schreiber ist man die ganze Zeit auf Unterstützung angewiesen, deshalb musste mich auch die ganze Zeit mein Schulbegleiter und Stützer begleiten. Da viele Leute vermutlich nicht wissen was „FC“ und „stützen“ bedeutet, will ich es kurz erklären: FC bedeutet Facilitated Comunication und meint Gestützte Kommunikation. Dies ist eine Methode, bei der der Stützer eine Gegenkraft zur Zeigebewegung des Gestützten ausübt. Dadurch wird dem Gestützten die Bewegung deutlicher und kann sie zielgerichteter ausführen. Gestützt wird zunächst an der Hand und dann über Unterarm, Ellbogen und Oberarm immer weiter zurückgenommen, bis sie schließlich nicht mehr nötig ist.
Der größte Erkenntnisgewinn war für mich, dass Arbeit in konzentrierter Form äußerst mühselig ist und dass disziplinlose Gesellen, wie ich, sich enorm quälen müssen. Das Ausharren und das Durchhalten erfordert viel Eigensteuerung und ein Unterwerfen unter die Gesetze der Arbeitswelt. Der Erfahrungswert des Praktikums war jedenfalls enorm. Gegen Schule habe ich Vorbehalte, gegen Arbeit habe ich eine richtige Abneigung. Das ist zwar jetzt ein bisschen übertrieben, aber ich habe jedenfalls erfahren, an was ich noch arbeiten muss, um allgemeinen Normen zu genügen.
Natürlich weiß ich, dass auch ich mich dem Arbeitsleben werde stellen müssen und nicht umhinkomme mich dem zu unterwerfen, mit hoffnungsfroher Erwartung sehe ich dem aber nicht entgegen. Trotzdem möchte ich die Zeit nicht missen, denn die Arbeit mit der Sprache macht Spaß und ist erfrischend. Journalistische Arbeit könnte ich mir zwar gut als Berufsziel vorstellen, aber sie müsste sich auf einige Texte pro Woche beschränken. So könnte eine freie journalistische Tätigkeit mit selbstbestimmten Themen durchaus eine Option sein.