Kultur
„Medizin für die Seele“
20 Jahre Taeter Theater – Ein STADTBLATT-Gespräch mit Wolfgang Graczol und Anne Steiner-Graczol
Wolfgang Graczol und Anne Steiner-Graczol lernten sich vor 30 Jahren an der städtischen Bühne Heidelberg kennen. Er hatte dort ein Engagement als Schauspieler, sie als Bühnenbildnerin. Jetzt feiern sie mit Freunden und Förderern das 20-jährige Bestehen ihres Theaters im Landfriedkomplex.
STADTBLATT: 20 Jahre sind eine lange Zeit, hätten Sie damals gedacht, dass Sie so lange in Heidelberg bleiben?
Graczol: Nein, begonnen haben wir hier mit einer Zukunftsperspektive von neun Monaten, dann sollte ein anderer Nachmieter kommen. Aber mit diesen Räumen war es Liebe auf den ersten Blick, und diese Zeit wollten wir uns nicht nehmen lassen. Nach neun Monaten hatte er es sich anders überlegt und wir konnten richtig loslegen.
STADTBLATT: Was treibt Sie an?
Graczol: Also ich habe ja den Beruf jahrelang als Schauspieler auf der Bühne ausgeübt. Irgendwann bekommt man dann das Bedürfnis, die Seite zu wechseln. Ich habe auch sehr oft die Stücke nicht erkannt in den Inszenierungen der anderen Regisseure. Ich wollte das anders machen! Ich hatte wirklich das Bedürfnis, die Stücke in dem Geiste der Autoren zu machen. – Es ist auch ein Stück angewandte Psychologie. Ich versuche Laien dazu zu bringen, auf der Bühne Charaktere zu spielen, mit Emotionen, die einen ergreifen oder zum Lachen bringen...
Steiner-Graczol: Man kann auch sagen, Goethe und Schnitzler sind Medizin für die Seele.
STADTBLATT: Wie finden Sie Ihre Mit-Taeter?
Graczol: Unsere Schauspieler der ersten Stunde habe ich teilweise am Tresen angesprochen, habe Plakate geklebt und Annoncen aufgegeben, dass ich Amateurschauspieler suche. Später sind immer öfter Leute aus dem Publikum nach der Vorstellung zu uns gekommen, sie möchten gerne mitspielen. Die kommen dann in unser Buch mit Adresse und Telefonnummer und wenn eine größere Produktion ansteht, rufe ich sie an, manchmal klappte es dann. Auf Grund der Tatsache, dass die Leute ohne Gage spielen, können wir es uns leisten, manchmal ganz große Stücke zu spielen, also Faust, Hamlet oder wie jetzt gerade „Professor Bernhardi“ mit 20 Männer-Rollen.
Steiner-Graczol: Da gibt es blitzschnelle Umbauten, jeder weiß, was er zu tun hat. Das ist wie bei einem Feuerwehreinsatz. Toll was die Leute leisten. – Neue Stücke proben wir Montag bis Donnerstag von 19 bis 23 Uhr. In der Pause gibt’s dann etwas zu Essen. Die meisten kommen ja nach der Arbeit hierher. Und an den Wochenenden spielen wir unser Repertoire.
STADTBLATT: Pläne oder Wünsche für die Zukunft?
Graczol: Wir proben gerade „Acht Frauen“. Das Stück kommt voraussichtlich im Juni ins Programm. Und dann möchte ich gerne einmal „Nathan der Weise“ machen. Das ist ein wunderschönes Stück auch mit vielen Rollen. Und wir wünschen uns, dass unser neuestes Stück „Das Herz eines Boxers“, das ich mit einem 15-jährigen sehr begabten Jungen, Nikos Boussios, spiele, ein Erfolg wird.
„Das Herz eines Boxers“ steht wieder von Samstag, 17., bis Montag, 19. Februar, auf dem Programm des Taeter Theaters, Vorstellungsbeginn ist um 20 Uhr, Sonntag 17 Uhr. Kartenvorbestellung unter Telefon 06221 163333, www.taeter-theater.de. (doh)