Thema der Woche
Die Universität und ihre kleine Schwester
Bundespräsident nahm Neubaupläne der Hochschule für Jüdische Studien zur Kenntnis – Neue Ebert-Biografie – Unterstützung für Sinti und Roma
Dauerregen begleitete Bundespräsident Horst Köhler während seines Arbeitsbesuchs in Heidelberg am Mittwoch letzter Woche. Das knapp fünfstündige Besuchsprogramm startete im Gebäude der Hochschule für Jüdische Studien an der Landfriedstraße.
Dort begrüßten der Leiter der Hochschule, Prof. Dr. Alfred Bodenheimer, und der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Prof. Dr. Salomon Korn, den vom baden-württembergischen Wissenschaftsminister Prof. Dr. Peter Frankenberg begleiteten Gast aus Berlin. Horst Köhler besichtigte die Bibliothek sowie die Pläne für den Erweiterungsbau der Hochschule.
Nach dem Entwurf des Heidelberger Architektenbüros Hansjörg Maier & Partner erhält das Gebäude Landfriedstraße 12 einen zwei- bis dreigeschossigen Anbau in Richtung Plöck. Ziel der baulichen Erweiterung ist es, alle Einrichtungen der Hochschule, die sich derzeit noch auf vier Orte im Stadtgebiet verteilen, unter ein Dach zu bringen. Der Altbau soll Rektorat und Dozentenzimmer aufnehmen, der Neubau die Hörsäle, das Studentensekretariat und die Verwaltung. Platz für die Mensa bietet ein historischer Gewölbekeller, der in den Neubau integriert wird.
Weil die neuen Räumlichkeiten bisher nur Pläne sind, musste das Treffen des Bundespräsidenten mit Lehrenden und Studierenden in der Alten Aula der Universität stattfinden. Dazu fanden sich auch Universitäts-Angehörige sowie Vertreter/innen des öffentlichen Lebens ein.
Eine einzigartige Einrichtung
Vor der Alten Universität begrüßten Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner und Rektor Prof. Dr. Peter Hommelhoff den Bundespräsidenten und geleiteten ihn zunächst ins Rektorzimmer. Dort trug sich Horst Köhler sowohl in das Goldene Buch der Stadt Heidelberg als auch ins Gästebuch der Universität ein. In der Alten Aula gestand er, zwar schon einige Male in Heidelberg gewesen zu sein, „aber nie in diesem wunderschönen Saal. Da habe ich etwas versäumt bisher.“
Die 1979 durch den Zentralrat der Juden in Deutschland gegründete Hochschule für Jüdische Studien bezeichnete der Bundespräsident als einzigartige Einrichtung, auf die ganz Deutschland stolz sein könne. Sie setze Zeichen der Hoffnung, aber auch der Trauer, weil sie deutlich mache, was durch den Nationalsozialismus vernichtet wurde. Viele ihrer Studierenden sind Nichtjuden, das Interesse am Judentum und an jüdischer Kultur sei also groß, stellte der Bundespräsident fest.
In einer Podiumsdiskussion mit den Studierenden Stephanie Appel und Vladislav Mitushenko zeigte sich Horst Köhler erfreut über den Zuzug jüdischer Menschen aus den Ländern der früheren Sowjetunion, die damit zeigten, dass sie in Deutschland leben möchten. Er hoffe, dass sie einmal sagen werden: „Ich habe den jüdischen Glauben, aber ich bin Deutscher.“
Zum Abschluss der Veranstaltung in der Alten Aula nannte Rektor Hommelhoff die Gründung der Hochschule für Jüdische Studien einen großen Vertrauensbeweis und versicherte: „Die Ruperto Carola hütet ihre kleine Schwester wie ihren Augapfel.“ Er hoffe, so der Rektor, den Bundespräsidenten auch bald in die Universität Heidelberg einladen zu können.
Reverenz an Friedrich Ebert
Friedrich Ebert blicke ihm nicht nur hier über die Schulter, sondern auch in seinem Berliner Amtssitz Schloss Bellevue, erzählte Bundespräsident Horst Köhler bei seinem Besuch in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte. Dort war er von Geschäftsführer Ulrich Graf und vom Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, Jan Hoesch, begrüßt worden, der die Aufgaben der Stiftung und der Gedenkstätte erläuterte.
Im Vordergrund steht die Präsentation des Lebens Friedrich Eberts und dessen Bedeutung für die Weimarer Republik, um (so Hoesch) „den Menschen – vor allem den jüngeren – den Wert der Demokratie zu vermitteln“. Die wissenschaftliche Arbeit der Gedenkstätte diene vor allem der Erforschung der Weimarer Republik.
Er sei gerne in die Gedenkstätte gekommen, um Friedrich Ebert an seinem Geburtsort die Reverenz zu erweisen, betonte Horst Köhler. Ein weiterer Grund seines Besuchs war die Entgegennahme der neuesten Ebert-Biografie. Deren Verfasser, Dr. Walter Mühlhausen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung, überreichte dem Bundespräsidenten das mehr als 1.060 Seiten umfassende und 1,8 Kilogramm schwere Werk. Im Anschluss daran trugen sich der Bundespräsident, Minister Frankenberg und Oberbürgermeister Würzner ins Gästebuch der Gedenkstätte ein.
Auch Bundespräsident der Sinti und Roma
Zwei Gründe nannte Horst Köhler auch für seinen Besuch im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma: Erstens sei dies ein wichtiger Ort der Erinnerung. Und zweitens sei er als deutscher Bundespräsident auch der Bundespräsident der deutschen Sinti und Roma. Im Hof des Dokumentationszentrums war Horst Köhler von Mitgliedern des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und von dessen Vorsitzendem Romani Rose empfangen worden.
Rose begleitete den Gast auf einem Rundgang durch die Dauerausstellung über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma. „Hier wird die ganze Dimension des verbrecherischen Denkens der Nationalsozialisten deutlich“, sagte Horst Köhler danach.
Das Dokumentations- und Kulturzentrum besteht seit zehn Jahren, der Zentralrat wurde vor fast genau 25 Jahren gegründet. Beide Einrichtungen hätten zur Verbreitung des Wissens über die Sinti und Roma beigetragen, erklärte Romani Rose. Er wies darauf hin, dass Angehörige dieser Minderheit nahezu täglich neonazistischen Übergriffen sowie staatlich gelenkten Drangsalierungen vor allem in den neuen EU-Ländern Osteuropas ausgesetzt seien.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma setze sich deshalb für eine EU-Richtlinie gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma ein. Der Bundespräsident unterstützte diese Absicht: Dass sich die deutschen Sinti und Roma für ganz Europa zuständig fühlten, sei selbstverständlich. „Woher sollten diese Impulse sonst ausgehen, wenn nicht von Deutschland?“
Zum Abschluss seines Besuchs nahm der Bundespräsident das Gedenkbuch an die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma von Romani Rose entgegen sowie einen Heidelberger Bildband von Oberbürgermeister Dr. Würzner. (br. )