Thema der Woche
„Heidelberg hat unglaublich viele Chancen“
STADTBLATT-Interview mit Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner
„In dieser Stadt denkt man nicht nur über die Zukunft nach, sondern entwickelt aktiv Modelle für die Zukunft.“ Zum Jahreswechsel sprach die STADTBLATT-Redaktion mit Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner.
STADTBLATT: Sie sind jetzt acht Tage im Amt. Ihre ersten Eindrücke als Oberbürgermeister?
Dr. Würzner: Ein sehr interessantes Amt mit ganz unterschiedlichen Aufgaben. Das beginnt beim Vorsitz im Verwaltungsrat der Sparkasse, wo wir mittelständischen Unternehmen in Heidelberg und der Region helfen wollen, dass sie mit erschwinglichen Krediten ihren Betrieb ausbauen können. Das Sportförderprogramm haben wir diese Woche diskutiert, die dringend anstehende Theatersanierung, die Bahnstadt als größten Zukunftsstadtteil. In der ersten Amtswoche durfte ich mit meiner Frau zudem das letzte diesjährige Konzert von Cornelius Meister genießen. Es war wunderbar.
STADTBLATT: In Ihrer Rede nach der Vereidigung haben Sie gesagt, Sie möchten Heidelberg sozial, ökologisch und wirtschaftsfreundlich weiterentwickeln. Sie sagten auch, dass diese drei Ziele untrennbar miteinander verbunden seien. Wie darf man das verstehen?
Dr. Würzner: Wir haben beispielsweise Unternehmen beim Aufbau eines Ressourcen-, Energie- und Abfallmanagements geholfen. Damit schonen wir zum einen die natürlichen Ressourcen. Gleichzeitig stärkt man dadurch den Betrieb wirtschaftlich und gibt ihm eine Zukunftsperspektive. Beispiel: Wenn eine Bäckerei ihren hohen Energieverbrauch reduziert, kann sie das Geld für den Kauf höherwertiger Rohstoffe einsetzen und ein besseres Produkt auf den Markt bringen. Dadurch wird die Bäckerei wettbewerbsfähiger, sie kann expandieren, neue Mitarbeiter einstellen.
Dieses Modell, das wir im Projekt Nachhaltiges Wirtschaften entwickelt haben, werde ich auch auf andere Bereiche übertragen. Auch der soziale Bereich war in dieses Projekt integriert. So konnten wir erreichen, dass in den Betrieben, die am Projekt teilgenommen haben, auch neue Ausbildungsplätze geschaffen wurden.
STADTBLATT: Heidelberg muss für Familien attraktiv sein, haben Sie ebenfalls in Ihrer Rede nach der Vereidigung gesagt. Wo sehen Sie da besonderen Handlungsbedarf?
Dr. Würzner: Bei der Familienförderung haben wir in Heidelberg schon viel erreicht. Wir sind bei der Betreuung der Kindergartenkinder und der Kinder unter drei Jahren schon auf einem sehr guten Niveau. Aber das reicht bei weitem nicht. Wir brauchen gerade in einer Wissenschaftsstadt wie Heidelberg ein verbessertes Betreuungsangebot für Kleinkinder bis drei Jahre. Das muss dezentral in den Stadtteilen geschehen. Auch die Kindergartensituation muss sich noch verbessern: Die Öffnungszeiten müssen beispielsweise flexibilisiert werden. Ich habe zudem den Anspruch, dass unsere Schulen die besten in der Metropolregion sind. Wir als Stadt können durch die Schaffung von ausreichend Fach- und Aufenthaltsräumen, durch einen Mittagstisch an unseren Schulen sehr viel dazu beitragen. Das sind im übrigen wichtige Standortvorteile, die wir schaffen sollten.
STADTBLATT: Sie haben angekündigt, einen Neckarufertunnel verwirklichen zu wollen. Gleichzeitig steht die Theatersanierung an, müssen Schulen und Kindergärten modernisiert, Straßen instandgesetzt werden. Das kostet viel Geld. Welche Finanzierungsmöglichkeiten sehen Sie?
Dr. Würzner: Heidelberg hat unglaublich viele Chancen – wenn wir etwas offener gerade mit Betrieben umgehen, wenn wir aktiv auf sie zugehen. Auf bestehende Betriebe in Heidelberg, aber auch auf wichtige Betriebe, die für den Standort Heidelberg von großer Bedeutung sind. In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich bereits viele intensive Gespräche geführt. All diese Betriebe haben mir signalisiert, sie hätten großes Interesse daran zu expandieren oder nach Heidelberg zu gehen. Ich bin mir sicher, dass wir damit auch die Situation der Gewerbesteuereinnahmen deutlich verbessern können. Eine Theater- oder eine Schulsanierung oder Straßenunterhaltungen bis hin zum Projekt Stadt an den Fluss lassen sich ganz anders diskutieren, wenn die Stadt eine vernünftige Ertragslage erwirtschaftet. Die müssen wir uns aber erst erarbeiten. Genau das ist mein Ziel.
Auch mein wichtigstes Projekt fürs nächste Jahr – eine Familienoffensive – kann nur gelingen, wenn man auf der wirtschaftlichen Ebene die Potenziale erschließt. Stichwort Theatersanierung: Wir arbeiten gerade einen konkreten Vorschlag für den Gemeinderat aus, der die Sanierung über eine Stiftung ermöglicht. Gemeinsam mit der hervorragenden Bürgerinitiative „Rettet unser Theater“ gelingt es uns mit Sicherheit dann auch, das Theater zu sanieren. Eine Sanierung über den Zukunftsfonds gibt es mit mir jedoch nicht.
STADTBLATT: Stichwort Bahnstadt: Auch hier stehen im nächsten Jahr wichtige Entscheidungen an. Wie werden Sie Heidelbergs neuen Stadtteil voranbringen?
Dr. Würzner: Mir gefällt der Name Parkstadt eigentlich besser. Wir müssen darüber entscheiden, welche Entwicklungsmöglichkeiten wir uns dort vorstellen, und wie wir uns die Zusammenarbeit mit dem Partner Aurelis vorstellen, der ja dort die größte Fläche besitzt. Kann man mit Aurelis vertragliche Regelungen erreichen, die es erlauben, das Gebiet in einem Stufenkonzept zu entwickeln? Ein kompletter Ankauf ist aus meiner Sicht sowieso nicht machbar. Mit einem Stufenmodell könnten wir meines Erachtens flexibler auf neue Anforderungen reagieren. Immerhin wird sich die Entwicklung dieses Gebiets über 15 bis 20 Jahre hinziehen.
STADTBLATT: Um erfolgreich agieren zu können, brauchen Sie nicht nur sichere Mehrheiten im Gemeinderat, sondern auch eine leistungsfähige Verwaltung. Ist die Stadtverwaltung in ihren Augen gut und zukunftsfähig aufgestellt?
Dr. Würzner: Ich habe vor, dem Gemeinderat noch im Januar einen Strukturvorschlag zu unterbreiten für die Bereiche der Stadtverwaltung, die meiner Meinung nach optimiert werden müssen. Ich bin gerade dabei, dies mit den betroffenen Ämtern und Dezernenten intensiv zu besprechen. Für den Bereich der Wirtschaftspolitik halte ich eine neue Struktur für notwendig, die enger an die Stadt angebunden ist – im Bereich der Verkehrspolitik eine Zusammenführung der Einheiten, die bisher sehr dezentral innerhalb der Stadt verteilt sind und deshalb nicht die Synergieeffekte ermöglichen, die ich mir vorstelle. Auch den Bereich der Familienpolitik möchte ich etwas neu strukturieren.
Ich lege großen Wert auf eine effiziente Verwaltung. Daher werde ich in einem zweiten Schritt auch Vorschläge machen, wo wir beispielsweise Ämter zusammenlegen können.
STADTBLATT: Zu guter Letzt: Ihre persönlichen Wünsche für 2007?
Dr. Würzner: Ich wünsche mir, dass nicht nur die Stadt, sondern auch unsere Partner im nächsten Jahr das Thema Familienpolitik stärker in den Vordergrund stellen. Dass wir ein soziales Miteinander in der Stadt pflegen und fördern – egal, welchen religiösen oder ethnischen Hintergrund die Menschen haben. Weiter wünsche ich mir, dass es uns bereits im nächsten Jahr gelingt, diese Stadt mit ihrem wunderbaren Flair weiter aufzuwerten und neu zu positionieren unter dem Aspekt: Wir sind eine historische Stadt, wir sind eine Wissenschaftsstadt, wir sind aber auch eine moderne Stadt mit einem kulturell interessanten Angebot. Eine Stadt, in der die besten Köpfe arbeiten und die als Keimzelle für neue Ideen und Innovationen gilt. Eine Stadt, die konsequent auf Nachhaltigkeit setzt, geringeren Ressourcenverbrauch, höheren Umweltschutz, eine intakte Umwelt.
Ich freue mich auf meine Aufgabe als Oberbürgermeister, werde sie mit Leidenschaft angehen und mit dem Team Stadtverwaltung gemeinsam entwickeln. Dabei bin ich offen für neue Ideen und kreative Konzepte, die die Stadt nach vorne bringen. Ich möchte ein Klima fördern, in dem spürbar ist: „In dieser Stadt denkt man nicht nur über die Zukunft nach, sondern entwickelt aktiv Modelle für die Zukunft.“