Thema der Woche

Ausgabe Nr. 52 · 27. Dezember 2001



"Wenn wir im globalen Wettbewerb bestehen wollen, müssen wir der Bildung unserer Kinder viel mehr Aufmerksamkeit schenken": Hausaufgabenbetreuung an einer Heidelberger Grundschule.
Archivfoto: Rothe











"Wenn es uns gelingt, diese Vorschläge im Wesentlichen umzusetzen, dann werden wir mittelfristig ein neues, lebendiges Stadtzentrum bekommen, das auf die benachbarten Stadtteile positiv ausstrahlt.": OB Beate Weber vor dem Bahnstadt-Entwurf des siegreichen Planungsbüros Trojan + Trojan. Foto: Rothe

"Weiter in Richtung ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit"

STADTBLATT-Gespräch mit Oberbürgermeisterin Beate Weber zum Jahreswechsel

Schon traditionell ist das STADTBLATT-Gespräch mit Oberbürgermeisterin Beate Weber zum Jahreswechsel. Ein Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr und der Ausblick auf 2002 stehen im Mittelpunkt ihrer Ausführungen.

STADTBLATT: Am 20. Dezember wurde der Haushalt 2002 verabschiedet. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Beate Weber: Der Haushalt ist mit einer sehr großen Mehrheit angenommen worden, das freut mich natürlich. Wir haben im Gemeinderat an vielen Stellen Annäherungen erreicht und wichtige Weichen im sozialen und ökonomischen Bereich gestellt. Es war ja im Vorfeld des Haushaltsbeschlusses doch häufig der falsche Eindruck entstanden, als ob nur Entscheidungen über Verkehrsfragen anstünden. Der Haushalt 2002 enthält aber auch andere bedeutende Ziele. Für mich ist besonders wichtig, dass auch die Interessen der Kinder und Jugendlichen darin berücksichtigt sind. Gerade auf diesem Feld wurden die Weichen zu meiner Zufriedenheit gestellt. Das heißt, wir steuern weiter in Richtung ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit.

Etwas Sorge bereitet mir die Haushaltssperre von 1,5 Millionen Euro und die zusätzlich beschlossene Minderausgabe von 350.000 Euro. Das machte mir persönlich die Zustimmung zum Haushalt etwas schwer, weil das die Stadtverwaltung in irgendeiner Weise auffangen muss. Aber ich denke, wir werden auch dieses Problem meistern.

STADTBLATT: Ein neuer Stadtteil auf dem Gelände der Bahninsel nimmt Konturen an. Wie wird sich dieses neue Quartier in die Gesamtstadt einfügen?

Weber: Einen attraktiven Stadtteil etwa in der Größe der Altstadt zu planen, ist schon nicht ganz einfach. Ihn mit den benachbarten Stadtteilen zu einer Einheit zu verbinden, aber gleichzeitig städtebaulich etwas Neues zu wagen, ist schwierig. Doch genau dies sieht das beim städtebaulichen Wettbewerb siegreiche Architektenbüro Trojan + Trojan aus Berlin mit seinem Entwurf vor: Es soll ein neuer, eigenständiger Stadtteil mit Wohnungen für bis zu 6.000 Menschen und rund 8.000 Arbeitsplätzen entstehen. Der Entwurf nimmt auch städtebauliche Strukturen der Weststadt mit auf und öffnet sich zu einem geplanten Park im Osten des Pfaffengrunds. Wenn es uns gelingt, diese Vorschläge im Wesentlichen umzusetzen, dann werden wir mittelfristig ein neues, lebendiges Stadtzentrum bekommen, das auf die benachbarten Stadtteile positiv ausstrahlt. Eine große Chance für Heidelberg.

STADTBLATT: Inzwischen konkretisieren sich die Planungen zur Straßenbahn nach Kirchheim. Sehen Sie noch große Hindernisse bis zur Gleisverlegung?

Weber: Die vier Bürgerversammlungen in Kirchheim und in der Weststadt verliefen weitgehend sachlich, zeigten weitgehende Zustimmung, trotz unterschiedlicher Meinungen. Das konnte der Erste Bürgermeister Prof. Dr. Raban von der Malsburg, der die Versammlungen leitete, erfreut feststellen. Anregungen aus diesen Versammlungen werden, wenn möglich, auch in die Planung mit einfließen. Im Frühjahr 2002 werden die Pläne noch einmal zur Diskussion gestellt. Ich hoffe, dass wir dann einen tragfähigen Kompromiss gefunden haben werden, mit dem möglichst alle leben können. Wenn die Straßenbahn einige Jahre durch Kirchheim und dann weiter nach Sandhausen und Walldorf gefahren ist, wird sie, da bin ich mir sicher, keiner mehr missen wollen. Das zeigen auch die Erfahrungen aus Straßburg, Karlsruhe, Heilbronn oder Mannheim, wo neue Straßenbahnlinien sehr gut angenommen wurden.

STADTBLATT: Der Technologiepark wächst, ein Umweltpark soll entstehen: Heidelberg ist offensichtlich ein guter Wirtschaftsstandort. Gilt das auch für die kommenden Zeiten mit geringem Wirtschaftswachstum?

Weber: Der Wirtschaftsstandort Heidelberg gehört mit zu den besten in Deutschland, das haben viele Untersuchungen bestätigt. Und das wirkt sich auch auf die Beschäftigtenzahlen aus, die im Jahr 2000 so hoch wie nie waren. Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, sieht auch die dynamische Entwicklung: Die 3. Baustufe des Technologieparks wird bald bezugsfertig sein. Ingesamt wird der Technologiepark Heidelberg dann über 46.500 Quadratmeter Labor- und Bürofläche verfügen, und rund 1.500 Beschäftigte werden hier arbeiten. Der geplante Umweltpark, der als zentrale, richtungweisende Institution das Fachwissen verschiedener Zweige der Umwelttechnologien bündeln soll, oder das Konferenzzentrum werden weitere beschäftigungswirksame Effekte nach sich ziehen. In Bergheim oder Rohrbach entstehen neue Quartiere, die neben Wohnungen auch Büroflächen und Geschäfte beherbergen.

Auch wenn der derzeitige wirtschaftliche Abschwung Heidelberg als Dienstleistungszentrum nicht ganz so schwer trifft, müssen wir natürlich weiter aktiv für den Standort werben: Das gelingt am besten, wenn wir in den Schulen und der Kultur, bei der Verkehrsplanung, der Infrastruktur, beim Service für interessierte Unternehmen und Existenzgründer die besten Rahmenbedingungen bieten. Aber auch unser Einzelhandel hat gezeigt, dass gemeinsames Handeln hervorragende Erfolge bringt.

STADTBLATT: Das Internationale Jahr der Freiwilligen geht zu Ende. Müssen Ehrenamtliche 2002 wieder mit weniger Aufmerksamkeit rechnen?

Weber: Heidelberg bietet gute Rahmenbedingungen für diejenigen, die sich ehrenamtlich für die Gemeinschaft engagieren. Deshalb haben wir auch eine "Koordinierungsstelle Bürgerengagement" bei der Stadt eingerichtet, deshalb werden wir ab kommenden Jahr erstmals eine "Bürgerplakette" als Anerkennung für besondere Leis-tungen auf diesem Gebiet verleihen. Das zeigt, dass wir daran arbeiten, freiwilligem Engagement als wichtiger Säule eines funktionierenden Gemeinwesens langfristig noch mehr Gewicht zu verleihen. Auch wenn eine Kommune nicht die Verantwortung für alle sozialen, kulturellen, ökologischen oder sportlichen Aktivitäten an Ehrenamtliche delegieren sollte, bin ich doch der Überzeugung, dass eine Stärkung privaten Engagements sich positiv auf das Gemeinwesen auswirkt. Deshalb können freiwillig Engagierte auch in Zukunft mit unserer Unterstützung rechnen.

STADTBLATT: Eine ganz aktuelle Frage zum Schluss. Welche Konsequenzen zieht die Stadt Heidelberg aus der PISA-Studie?

Weber: Nicht nur als ehemalige Lehrerin berührt mich dieses Thema in besonderem Maße. Wenn wir im globalen Wettbewerb bestehen wollen, müssen wir der Bildung unserer Kinder viel mehr Aufmerksamkeit schenken. Wir dürfen vor allem die nicht vergessen, die in einen gewissen Rückstand geraten sind, weil ihre Eltern sie nicht fördern können oder weil sie sprachliche Probleme haben. Ich habe daher die Förderaktivitäten der Stadt in Kindertagesstätten und Schulen zusammenstellen lassen, um zu prüfen, wo wir noch zusätzliche Angebote machen können.

Dabei zeigt sich: Wir haben hier in Heidelberg schon ein gut ausgebautes Fördersystem: Wir bieten unter anderem Sprachförderung in den städtischen Kitas an, fördern Kinder gezielt vor dem Wechsel in die Grundschule, haben ein erweitertes Betreuungsangebot im Rahmen der verlässlichen Grundschule und werden ab Anfang kommenden Jahres Schulsozialarbeit in allen Heidelberger Haupt- und Förderschulen durchführen, ähnlich wie in dem erfolgreichen Modell an der Grundschule Emmertsgrund. Unser Anteil an Ganztagesbetreuung von Kindern zwischen 0 und 10 Jahren übersteigt weit den Landesdurchschnitt.

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz gesteht unseren Kindern ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und die Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu. PISA hat gezeigt, dass dies nur in Ansätzen gelingt. Deswegen müssen wir auch in Heidelberg alles tun, um diesen Anspruch in Zukunft zu verwirklichen. Das ist für mich im besten Sinne nachhaltige Politik, denn eine stabile Gesellschaft, eine erfolgreiche Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze wurzeln in einer soliden und alltagstauglichen Bildung. Ich gehe davon aus, dass die Förderung der individuellen Kompetenz von Kindern und Jugendlichen eines der wichtigen Themen der kommenden Jahre in Deutschland sein wird.

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Stand: 21. Dezember 2001