|
|
Ausgabe Nr. 49 · 6. Dezember 2000 |
|
Vom Ehrenamt zur Bürgergesellschaft |
|
Bürgerschaftliches Engagement ist das "Lebenselixier für die Städte"
- 2001 ist "Internationales Jahr der Freiwilligen" Gisela Schulze betreut seit 20 Jahren Menschen ohne Wohnsitz. Holger Schell trainiert Volleyballer. Jan Schoenmakers ist Jugendrat, Angelika Herzog ist Kinderbeauftragte auf dem Emmertsgrund. Elisabeth Klebert hilft im Heimatmuseum Kirchheim. Und Elsa Petersen kümmert sich um die Nistplätze der Mauersegler in der Weststadt. Diese Menschen haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind Heidelbergerinnen beziehungsweise Heidelberger und sie haben ein Ehrenamt inne. Das mag ihnen selbst noch gar nicht aufgefallen sein, weil die meisten nur etwas tun, was ihnen Spaß bereitet oder notwendig erscheint. Aber sie tragen mit dieser Tätigkeit ihren Teil dazu bei, dass ein Gemeinwesen wie die Stadt Heidelberg funktioniert und mit Leben gefüllt wird. "Das Ehrenamt ist das Lebenselixier für die Städte" heißt es denn auch in einem Artikel der Zeitschrift des Deutschen Städtetags. Ohne die vielen freiwilligen Arbeiten und Helfer würde sogar Überlebenswichtiges fehlen. Das wird allein schon deutlich, wenn man die Rettungseinrichtungen aufzählt, die mit ehrenamtlichen Kräften arbeiten wie die Freiwillige Feuerwehr, DLRG, THW, Rotes Kreuz und andere mehr. In der jüngsten Vergangenheit hat sich das Erscheinungsbild des Ehrenamts gewandelt. Früher verstand man darunter den zum Teil lebenslangen Einsatz für einen Verein, eine Partei oder einen Verband. Heute bevorzugen viele Menschen auch das kurzfristige Engagement für eine Sache, die projektbezogene Arbeit. Insgesamt hat das Ehrenamt eine Aufwertung erfahren. Die Städte und Gemeinden, die besonders auf das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger angewiesen sind, würdigen sehr den Nutzen für die Allgemeinheit. Das Ehrenamt in einem Verein ist auch Engagement für die Bürgerschaft, das Gemeinwesen insgesamt. Wenn jeder einzelne auf diese Weise seinen Beitrag für die Gemeinschaft leistet, dann ist das große Ziel einer Bürgergesellschaft erreicht. Auch aus diesem Grund wird die ehrenamtliche Tätigkeit einmal im Jahr, am 5. Dezember, mit einem Tag des Bürgerschaftlichen Engagements gewürdigt. In diesem Jahr war an dem Tag auch die Auftaktveranstaltung für das Internationale Jahr der Freiwilligen 2001, das Vertreter von Verbänden, Vereinen und Initiativen im Spiegelsaal des Prinz Carl feierlich eröffneten. Jahr der Freiwilligen Das Jahr 2001 haben die Vereinten Nationen zum "Internationalen Jahr der Freiwilligen" (= Ehrenamtlichen, bürgerschaftlich Engagierten) ausgerufen. Damit soll dem unverzichtbaren Beitrag der Ehrenamtlichen zu größerer Anerkennung, stärkerer Unterstützung durch den Staat und mehr Förderung verholfen werden. (neu) |
|
(Foto: Rothe) |
Ein Engagierter |
Schon 76 Jahre alt ist Bruno Becker, früher Angestellter bei der Stadt und dort einer der ersten sportpädagogischen Berater. Seit fast 60 Jahren arbeitet er ehrenamtlich als Trainer für Turnen und Leichtathletik beim Heidelberger Turnverein. Zwei Mal die Woche trainiert er den Nachwuchs in der Turnhalle der Pestalozzischule, auf 20 Stunden beziffert er seinen Aufwand für das Ehrenamt. Und warum? "Ich war schon immer ein Idealist und mir bereitet die Arbeit mit Kindern und Eltern einfach Freude", sagt Bruno Becker. | |
|
Eine Engagierte |
Ursula von Dallwitz-Wegner ist Gründungsmitglied des Vereins "Betreute Wohngruppen", der sich darum kümmert, dass Wohnsitzlose ein Zuhause bekommen. "Ich arbeite ehrenamtlich, weil es mir Freude macht, auch im Alter Aufgaben zu übernehmen, immer neue Menschen kennen zu lernen und gebraucht zu werden, sei es bei der Hilfe für Wohnungslose, bei der Organisation einer Kunstauktion für den Verein "Betreute Wohngruppen" oder bei anderen Initiativen. Ich finde es dringend notwendig, dass auch alte Menschen nach ihren Kräften bei der Bewältigung der vielen gesellschaftlichen Aufgaben den jungen Menschen helfen, die für unsere Pensionen und Renten arbeiten. So verstehe ich die Erfüllung des Generationenvertrags", begründet Ursula von Dallwitz-Wegner ihr Engagement. | |
Jede(r) Dritte dabei |
|
34 Prozent der Bundesbürger engagieren sich nach eigener Aussage in irgendeiner Weise ehrenamtlich, ergab eine Umfrage von Infratest Burke. Von den bisher nicht Aktiven zeigten sich 40 Prozent durchaus an einer ehrenamtlichen Tätigkeit interessiert: Es gibt also ein erhebliches "Engagementpotential". | |
|
|
Zum Seitenanfang | |
|
|
Heidelberg setzt auf die Freiwilligen |
|
Seit 1998 ist die Stadt Modellstandort für Bürgerschaftliches Engagement Bei Tanja Paschen und Anna Thesig laufen die ehrenamtlichen Fäden in Heidelberg zusammen. Sie sind das Team von der Freiwilligenbörse, die als Vermittlungs- und Beratungsagentur den Personen und Organisationen zur Seite steht, die sich ehrenamtlich betätigen (wollen). Wichtigstes Instrument ihrer Tätigkeit ist ein roter Ordner, der rund 200 Tätigkeitsbeschreibungen von rund 100 Organisationen, Initiativen und Projekten enthält. 60 dieser Ordner liegen in Bürgerämtern, der Volkshochschule, in den Seniorenzentren, in den Instituten der Universität und anderen Einrichtungen aus, die Publikumsverkehr haben. Wer sich ehrenamtlich betätigen möchte, kann hier unter den Bereichen Büro und Organisation, Kultur und Kreativität, Ökologie, Soziales oder Sport das aussuchen, was ihm oder ihr am ehesten zusagt. Die Freiwilligenbörse berät nicht nur die Ehrenamtlichen oder die, die es werden wollen. Sie bietet den Organisationen und Initiativen auch Unterstützung an, wenn es um Fragen der Zusammenarbeit mit anderen, um Fachgespräche oder Fortbildungen geht. Und natürlich wirbt sie überall für das Ehrenamt und die Börse. Seit 5. Dezember 1997, dem ersten Heidelberger Freiwilligentag, gibt es die Agentur. Sie entstand in Zusammenarbeit von Paritätischem Wohlfahrtsverband und Stadt Heidelberg mit Unterstützung der Volkshochschule. Seit Mai 1998 gibt es auch, neben Geldern der Stadt und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, finanzielle Unterstützung vom Sozialministerium des Landes. Ab diesem Zeitpunkt war Heidelberg Modellstandort im "Landesnetzwerk zur Förderung Bürgerschaftlichen Engagements". Bis zum Jahresende 2000 sollten mit diesem Projekt die Rahmenbedingungen für das Bürgerschaftliche Engagement vor Ort verbessert werden. "Ich bin optimistisch, dass auch im kommenden Jahr das Projekt weiter laufen wird", sagte Ralf Baumgarth vom Paritätischen Wohlfahrtsverband kürzlich vor dem Sozialausschuss. Dieser beschloss, dass auch die Stadt Heidelberg weiterhin Gelder für die Arbeit der Freiwilligenbörse bereit stellt, wenn das Land die Komplementärfinanzierung übernimmt. Da 2001 das Internationale Jahr der Freiwilligen ist, für das auch das Land wirbt, erscheint eine weitere Förderung sehr wahrscheinlich. Freiwilligen-Café Am Mittwoch, 6. Dezember, ab 20 Uhr, treffen sich Bürgerschaftlich Engagierte im Markusforum am Markusplatz, Rheinstraße 29. Bei einem kleinen Umtrunk besteht die Möglichkeit, sich über Projekte und Tätigkeitsfelder auszutauschen oder einfach nur in entspannter Atmosphäre das Beisammensein zu genießen. Termine 2001 Noch nicht vollständig ist der Veranstaltungskalender zum Internationalen Jahr der Freiwilligen. Geplant sind unter anderem ein "Sprachenfest" am 9. Februar 2001 in der Volkshochschule, damit sich Menschen aus verschiedenen Kulturen kennen lernen, Barrieren abbauen und miteinander feiern können. Am 4. Juni plant die Freiwilligenbörse einen Aktionstag. Vom 5. bis 29. Juni informiert der Verein AGAPE in einer Ausstellung im Rathaus über seine Arbeit in den Slums von Bangladesh und Nepal. Am 5. Juli macht die Telefonseelsorge einen Infostand über ihre Arbeit und vom 4. bis 7. Juli will das Katholische Jugendbüro Heidelberg Jugendliche dazu einladen, 72 Stunden lang ihre Stärken und Fähigkeiten für gemeinnützige Organisationen einzubringen. (neu) |
|
Beate Weber |
"Ehrenamt ist die Seele der Demokratie" sagte Bundeskanzler Gerhard
Schröder jüngst über das Bürgerschaftliche Engagement. Diesen
Satz kann ich nur unterstreichen. Wenn sich Bürgerinnen und Bürger engagieren,
heißt das, dass sie sich mit ihrem Gemeinwesen identifizieren und solidarisch
sind. Damit stärken sie die Demokratie. Aus diesem Grund begrüßt die Stadt Heidelberg die Tatsache, dass sich die Einsicht mehrt, dass einiges von dem, was man in einer Gemeinde gerne sehen würde, auch selbst in Ordnung bringen kann. Wenn die Menschen in ihrem Umfeld selbst aktiv werden, helfen, mitreden und mitmischen, dann tut dies einer Stadt sehr gut. Ein Gemeinwesen wird erst dann wirklich lebendig, wenn ihre Bewohnerinnen und Bewohner nicht darauf warten, dass "die Stadt" aktiv wird, sondern selbst anpacken. Es ist uns deshalb wichtig, dass die Stadt Hilfestellung leistet und Grundlagen bietet, auf denen sich ehrenamtliche Arbeit und bürgerschaftliches Engagement entfalten können. Es darf jedoch nicht sein, dass sich Staat oder Kommune zurückziehen und Verantwortung anderen aufbürden. Es geht vielmehr darum, dass wir gemeinsam Aufgaben lösen und Ziele erreichen, die für ein funktionierendes Gemeinwesen notwendig sind. Nur so lässt sich das große Ziel einer Bürgergesellschaft erreichen. Deswegen freue ich mich, dass in Heidelberg schon so viele Menschen ehrenamtlich tätig sind. Das Internationale Jahr der Freiwilligen 2001 wird ihre gemeinnützige Arbeit würdigen. Für uns alle wäre es natürlich besonders wertvoll, wenn dieses Jahr den einen oder die andere dazu bewegte, sich selbst zu engagieren. Die Stadt Heidelberg bemüht sich nach Kräften, dieses Engagement zu unterstützen. Beate Weber Oberbürgermeisterin |
Dr. Friedhelm Repnik MdL, |
Eine zukunftsfähige Gesellschaft muss lebendig sein. Dazu braucht sie
Bürger, die Interesse an und Bereitschaft zu ihrer Mitgestaltung haben. Solch
Bürgerschaftliches Engagement entsteht in erster Linie im jeweiligen persönlichen
Lebensumfeld. Ein wichtiges Ziel der Politik des Landes war und ist es deshalb, lokale Rahmenbedingungen für Bürgerengagement durch Anlaufstellen, gemeinsame Projekte und auch Fortbildungskurse zu schaffen und zu verbessern. Der Aufbau örtlicher Anlaufstellen im Land hat vor fünf Jahren mit der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Sozialministerium, dem Gemeindetag, dem Landkreistag und dem Städtetag Baden-Württemberg begonnen. Das Ergebnis dieses Modellprojektes kann sich sehen lassen: ein bundesweit einmaliges Netzwerk, an dem sich 15 Städte, 13 Landkreise und vier Gemeinden sowie sechs Wohlfahrtsverbände beteiligen. In diesem Netzwerk arbeiten Freiwilligenagenturen, Bürgerbüros, Selbsthilfekontaktstellen, Kontaktbörsen und Agendabüros eng zusammen. Auf Grund der Erfahrungen dieses Modellprojektes wird die zwischen dem Sozialministerium, dem Gemeindetag, dem Landkreistag und dem Städtetag Baden-Württembergs bestehende Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements im Land in den kommenden Jahren mit einem neu aufgelegten Förderprogramm die Kompetenzen ehrenamtlich und Bürgerschaftlich engagierter Bürger über so genannte "Lernbausteine" stärken. Dr. Friedhelm Repnik MdL Sozialminister Baden-Württemberg |
Service |
|
Folgende ausgewählte Einrichtungen geben Tipps, wie und wo man sich ehrenamtlich
betätigen kann. Koordinierungsstelle Bürgerschaftliches Engagement Christine Huber, Rathaus, Marktplatz 10, 69117 HD, Tel 58-1210 Freiwilligenbörse Alte Eppelheimer Straße 38, 69115 HD, Tel. 619444 Akademie für Ältere Bergheimer Straße 76 69115 HD, Tel. 97500 Arbeitsgemeinschaft Stadtteilvereine Schleifweg 50, 69126 HD, Tel. 409945 BUND Hauptstraße 42, 69117 HD, Tel. 182631 IAV-Stelle (Betreuung, Pflege alter Menschen) Dantestraße 7, 69115 HD, Tel. 58-4900 Lokale Agenda Büro Kornmarkt 5, 69117 HD, Tel. 58-2121 Sportkreis Heidelberg Harbigweg 5, 69124 HD, Tel. 160563 Stadtjugendring Harbigweg 5 69124 HD, Tel. 22180 Zukunftswerkstätten der Frauen Kontakt über: Amt für Frauenfragen, Marktplatz 10 69115 HD, Tel. 58-1556 Weitere Organisationen findet man auf den Internetseiten der Stadt Heidelberg unter www.heidelberg.de/soziales. Informationen zum Jahr der Freiwilligen gibt es im Internet unter www.ifj-2001.de. de oder www.buerger.aktiv.de. |
|
|
|
Zum Seitenanfang | |
Zur Inhaltsangabe STADTBLATT | |
Copyright © Stadt Heidelberg 1999, All Rights Reserved Stand: 5. Dezember 2000 |