Thema der Woche

Ausgabe Nr. 48 · 1. Dezember 1999



Die Spaten stehen in Wartestellung bei der Ansprache von Oberbürgermeisterin Beate Weber. Anschließend ging man gemeinsam ans Werk. (Foto: Rothe)

Spatenstich für die Alte Glockengießerei

Bergheims großes Wohn- und Gewerbeprojekt startet


Das kalte Wetter wäre den Pinguinen, die auf riesigen Transparenten vom Bauprojekt "Alte Glockengießerei" künden, sicher sehr sympathisch gewesen. Von den starken Schneefällen der vorangegangenen Tage waren noch etliche weiße Flecken übrig, als Oberbürgermeisterin Beate Weber, Erster Bürgermeister Prof. Dr. Joachim B. Schultis, Gunter Heller, Geschäftsführer der stadteigenen Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz, und der Kölner Architekt Prof. Erich Schneider-Wessling gemeinsam zum Spaten griffen, um den Baubeginn sichtbar zu machen.

Die Alte Glockengießerei ist "eines der umfangreichsten innerstädtischen Bauvorhaben und zugleich eines der größten Projekte der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz überhaupt", so GGH-Geschäftsführer Heller. "Leben, wo Deutschland besonders schön ist - Heidelberg am Neckar - Wohnen, wo Heidelberg besonders reizvoll ist - Alte Glockengießerei in Bergheim" zitierte Heller aus der Werbung für das 160-Millionen-Projekt, dessen erster Bauabschnitt bis 2001 realisiert werden soll.

Im Moment des Spatenstichs an einem Wintertag auf einem abgeräumten Gelände war von diesem Reiz noch wenig zu spüren. Aber das, was als Ergebnis mehrjähriger intensiver Planungsarbeit auf der Industriebrache zwischen Kurfürsten-Anlage, Römerstraße und Alter Bergheimer Straße einmal entstehen soll, verspricht eines der interessantesten Heidelberger Bauobjekte und ein großer Gewinn für den Stadtteil Bergheim zu werden. Lichtdurchflutete Wohn- und Gewerbeeinheiten werden sich um Innenhöfe gruppieren und mitten in der Stadt "gemütliche Wohn- und Arbeitsinseln" schaffen, wirbt die Bauherrin.

Das Projekt mit seinen rund 200 Miet- und Eigentumswohnungen sowie etwa 25 gewerblichen Einheiten, mit dem großen Bürogebäude und einer Tiefgaragenanlage habe in jeder Hinsicht sehr große Anforderungen an die GGH gestellt. Heller bedankte sich bei den zahlreichen am Projekt beteiligten Partnern. Dem Kölner Architekten Professor Schneider-Wessling war die gestalterische und künstlerischen Koordination übertragen. Die Architekturbüros Hauss und Hartmann, Joest und Walther, Schröder und Stichs und Schneider-Wessling waren in einer Arbeitsgemeinschaft mit der Entwurfs- und Ausführungsplanung beauftragt.

"Ich habe mich immer über die Bilder in der Zeitung gewundert, dass die, die Spaten stechen, so glücklich aussehen - inzwischen weiß ich warum", sagte Oberbürgermeisterin Beate Weber. "Der Spatenstich, das ist der Zeitpunkt, an dem es nach einer sehr langen und komplizierten Vorbereitungszeit für die Öffentlichkeit erkennbar richtig losgeht, und das ist ein schöner Augenblick." Es war ein langer Weg vom Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan "Alte Glockengießerei" im Jahre 1993, über einen ersten Bebauungsplanentwurf 1995 und einen Planungsworkshop 1997 bis zum Baubeginn 1999.

"Wir setzen mit dieser Maßnahme einen wichtigen räumlichen Akzent", sagte Beate Weber, "auch für die Stadtbücherei, indem wir wieder Leben in diesen Bereich der Stadt bringen." Das Bauprojekt bringe eine deutliche Verbesserung für Bergheim, indem bezahlbarer Wohnraum geschaffen und Gewerbe angesiedelt wird. "Wir fördern damit auch die Stadt der kurzen Wege."

"Die GGH geht mit städtebaulichen Entwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen neue Geschäftsfelder aktiv an", betonte Joachim B. Schultis, Erster Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft. Mit der Alten Glockengießerei, dem größten Projekt in der 75-jährigen Geschichte der GGH, müsse sich die Gesellschaft erstmals richtig aktiv auf dem Markt bewegen. Die Eigentumswohnungen werden gemeinsam mit Partnern vermarktet. Er sei der Überzeugung, dass die Gesellschaft diese Aufgabe schaffen werde. (rie)

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Bauen nach menschlichem Maß

Prof. Schneider-Wessling: "Eindruck vom Einfamilienhaus"


Architekt und Stadtplaner Prof. Erich Schneider-Wessling erläuterte das Konzept für die Alte Glockengießerei. Es sei geprägt von einer Architektur des menschlichen Maßstabs, kommunikativer Struktur, umfassender Begrünung und Nutzung der Sonnenenergie.

Schneider-Wessling, der sich freute, "der so berühmten OB zu begegnen und mit ihr gleich im Sandkasten buddeln zu dürfen", lobte den allseitigen guten Willen und die freundschaftliche Zusammenarbeit beim Projekt Alte Glockengießerei. Die von Heidelbergs Chef-Stadtplaner Diethelm Fichtner bevorzugten kooperativen Planungsworkshops seinen eine gute Form, "um miteinander, nicht gegeneinander zu arbeiten, um gemeinsam das Richtige zu finden". Dies sei "eine Baukultur, wie man sie in andere Städte Deutschlands tragen sollte".

Das Bauvorhaben sei gekennzeichnet, so Schneider-Wessling, durch "eine kommunikative Struktur: kleine Blöcke, die über Innenhöfe miteinander in Verbindung stehen". Die Dächer werden sich nach Süden zur Sonne hin öffnen und damit "Sonnenfänger" sein. Durch kleine Einheiten und schmale Gassen entstehe ein menschlicher Maßstab. Jeder werde seinen Garten oder Dachgarten haben. "Wir geben der Natur so viel zurück, wie wir ihr durch Bauen wegnehmen", betonte der Architekt, der umfassende Fassadenbegrünung vorgesehen hat. Jeder werde später den Eindruck haben, er habe ein Einfamilienhaus in der Stadt. (rie)

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Im Hof der Heidelberger Glockengießerei

Die Glockengießerei - ein Stück Stadtgeschichte

Friedrich Wilhelm Schillings Glocken läuten in vielen Ländern


Seit vielen Jahren ist das Gelände an der Römerstraße Gewerbebrache. In den wenigen Jahrzehnten ihres Bestehens zwischen 1949 und 1971 hatte die Glockengießerei Schilling Weltruf erworben.

Als Friedrich Wilhelm Schilling vor 50 Jahren nach Heidelberg kam, muss das Gelände so ähnlich ausgesehen haben wie heute. Mit lediglich einem eingeschossigen Steinbau, zwei Scheunen und einem Schuppen voller Schrott begann er quasi aus dem Nichts seine Glockengießerei aufzubauen. Innerhalb weniger Jahre gelang es Schilling, der einer alten Glockengießerfamilie entstammte, durch die Qualität seiner Arbeit Weltruf zu erlangen.

Die Glockengießerei von Friedrich Schilling lieferte Glocken für die Heidelberger Providenz-Kirche, die Jesuiten-Kirche und St. Bonifaz. Heidelberger Glocken gingen auf die Philippinen, nach Ghana und in die USA. Einen besonderen Ruf hatte Schilling als Schöpfer von Glockenspielen. Sie erklingen unter anderem im Heidelberger Rathaus, im Mannheimer Alten Rathaus und im Römer in Frankfurt.

Schilling, so Oberbürgermeisterin Beate Weber in ihrer Ansprache anlässlich des Spatenstichs, "hat die Stadt akustisch geprägt" und den Namen Heidelbergs in die Welt hinausgetragen. Sie begrüßte es, dass mit dem Namen "Alte Glockengießerei" die Erinnerung an ein Stück Stadtgeschichte erhalten bleibt, und regte an, die frühere Nutzung des Grundstücks bei der Einweihung auf geeignete Weise erkennbar zu machen. (rie)

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Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



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Stand: 30. November 1999