Stimmen aus dem Gemeinderat

Ausgabe Nr. 48 · 1. Dezember 1999

Dr. Jan Gradel

CDU

Holzmann

In der letzten Woche beschäftigte die Insolvenz und die Rettungsaktion des Bauriesen Phillip-Holzmann AG bundesweit die Presse. Dies ist sicherlich kein unmittelbares kommunalpolitisches Thema, aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, um aus Sicht eines mittelständischen Unternehmers die Falschheit und Fatalität einer solchen, so genannten Rettungsaktion, darzulegen.

Als Ausgangssituation zeigt sich ein Unternehmen, welches sich aus eigener Verantwortung in eine finanzielle Schieflage manövriert hat. Diese Situation ist nicht über Nacht über den Konzern hereingebrochen, sondern ist zum einen das Ergebnis der Marktsituation (Konsolidierung auf dem Bausektor mit nachlassender Immobilienpreisen) und zum anderen einer jahrelang fehlerhaften Unternehmensführung. Es hat in den vorherigen Jahren mehrere Versuche gegeben, den Konzern wieder in sicheres Fahrwasser zu führen, diese wurden stets von den beteiligten Banken mitgetragen. Nun ist man an einem Punkt angekommen, an dem es sich, sozusagen bei bestem Willen, nicht mehr rechnet, das Unternehmen gerät in die Insolvenz. Der Fortbestand eines solchen Unternehmens hängt nun von zwei Faktoren ab: von einem Sanierungskonzept und von einem Finanzierungskonzept. Wobei die Regel gilt: ein Sanierungskonzept mit Aussicht auf Erfolg ist stets auch finanzierbar. Die von der Unternehmensführung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftsberatern vorgelegten Sanierungskonzepte wurden von den Geldgebern bewertet, aber in Folge sind diese reihenweise ausgestiegen. Jeder Kapitalgeber hat gerechnet und für sich bewertet und ist zu einem Ergebnis gekommen, wie hoch seine Risikobeteiligung sein kann und bis zu wie viel Invest er seinem "schlechten Geld noch gutes nachwerfen kann". Das Ergebnis war, dass der Fortbestand des Unternehmens in der Form nicht darstellbar war. Es haben also Wirtschaftsfachleute aus Management und Beratungsinstituten ein Konzept vorgelegt und Hunderte von Wirtschaftsfachleuten aus dem Finanzsektor haben dies geprüft, bewertet und keine Chance gesehen. Da taucht plötzlich wie Phönix aus der Asche die Bundesregierung auf und schüttet über Nacht das staatliche Füllhorn mit 200 Mio. DM über den maroden Konzern aus. Das heißt: der Steuerzahler wirft das Geld nach, was allen anderen nicht zuzumuten war, und unser Kanzler steht einmal mehr als Retter der Nation da.

Aber welchen Sinn hat das Ganze? Der Untergang eines Unternehmen ist ein normales Marktregulativ. Unternehmen werden gegründet, expandieren, leben eine Weile und gehen eben unter, wenn ihre Zeit gekommen ist. Wenn dem nicht so wäre, würden wir noch im Feudalstaat leben. Bleibt die Frage nach dem Erhalt der Arbeitsplätze. Aber auch dies ist nicht gegeben, denn jeder weiß, dass wir momentan einen Überhang im Baugewerbe haben und dass die betroffenen Arbeitsplätze so oder so wegfallen, denn wo nicht gebaut wird, brauchen wir logischerweise auch keine Bauarbeiter.

Aber welchen Sinn hat dies noch? Wenn man die Lage auf dem Bausektor betrachtet, so stellt man fest, dass dieser zunächst mit staatlichen Mitteln künstlich aufgebläht wurde, war doch ganz Mitteldeutschland zu überbauen. Darüber hinaus ist der Bausektor ein Bereich, der seinen eigenen Markt nicht steuert. Denn er ist abhängig von den Entscheidungen der Bauträger und jedes seiner produzierten Wirtschaftsgüter ist eine Einzelanfertigung und dazu noch ein extrem langlebiges Wirtschaftsgut. Nun bekommt die Angelegenheit ein G´schmäckle. Denn diejenigen, die den Markt bestimmen, sind die Bauträger, und wenn nun plötzlich der Bund, als Bauträger Nr. 1 im Staate, einem Baukonzern über Nacht 200 Mio. DM schenkt, so muss er doch an dessen Erhalt sehr interessiert sein. Und wenn nun plötzlich alle anderen Kapitalgeber wieder mitspielen, so müssen doch noch andere Versprechungen gegeben worden sein, die Zukunft des Konzerns zu sichern. Und hier beginnt die sozialistische Staatswirtschaft wieder zu greifen, um den Begriff "Genossenwirtschaft" zu vermeiden.

Die gleichen SPD-Genossen, die im Lande die Kreditvergabe in den Sparkassen kritisieren und restriktive Vergabekriterien und noch mehr Kontrolle fordern, gehen hier ganz unverblümt und im vollen Einklang mit der Presse (wer hier mit denkt, dass frage ich mich schon lange!) den Weg in die staatliche Klüngelei und sonnen sich mit "unserem Kanzler" in wiedergewonnenen Prozentpunkten. Wenn darüber hinaus unser Pressekanzler in der Welt herumreist und für Deutschland als Investitionsstandort wirbt, macht er sich gänzlich unglaubwürdig. Kein Unternehmen investiert in einem Staat, in dem eigene Firmen subventioniert werden, denn dagegen kann niemand konkurrieren. Diese Gelder bleiben also weg, die Folgen hiervon werden wir erst viel später zu tragen bekommen. Es bleibt ein unerhörter Eingriff in den Markt. Letztlich gilt für den Staat vor allem und stets als Handlungsmaxime das Gleichheitsprinzip. Als Folge gebe ich die Empfehlung, dass ab jetzt alle mittelständischen Unternehmer etwaige Insolvenzanträge nicht mehr beim zuständigen Amtsgericht einreichen, sondern vorab dem Bundeskanzleramt zur Bewertung vorlegen. Denn, wie Sie wissen, werden zwischen 65 und 70% der Arbeitnehmer im Mittelstand beschäftigt. Welche Meriten könnte sich unser Pressekanzler hier verdienen!
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Dr. Anke Schuster

SPD

In Bergheim werden die Weichen für die Zukunft gestellt

So wie guter Wein reifen muss, brauchen auch städtebauliche Konzeptionen ihre Zeit für anschauliche Ergebnisse. Dies zeigt sich auch im jüngsten und zugleich größten Projekt der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH): der Planung und Bebauung der Alten Glockengießerei. Fast 3 Jahre sind von der ersten Planung bis zum ersten Spatenstich in der letzten Woche vergangen. Was auf diesem traditionellen Gelände in den nächsten Jahren verwirklicht werden soll, kann sich sehen lassen. Die alte Glockengießerei ist ein ehrgeiziges Projekt der GGH sowohl in Bezug auf die Größenordnung, ein Areal von 12.300 Quadratmetern wurde städtebaulich überplant, als auch in Bezug auf die Konzeption, die soziale Komponenten und Aspekte wie Nachhaltigkeit, generationenübergreifendem Wohnen und behutsame städtebauliche Entwicklung miteinander verbindet. 200 Miet- und Eigentumswohnungen und 25 gewerbliche Einrichtungen werden auf diesem Areal entstehen. Ein Viertel der Wohnungen wird für Menschen mit Wohnberechtigungsschein zur Verfügung stehen. Damit wird in hohem Maße bezahlbarer Wohnraum auch in Zentrumsnähe bereit gestellt. Mit dem Anschluss an eine Sozialstation werden diese Wohnungen auch für ältere Menschen attraktiv, die ganz besonders auf kurze Wege zu städtischen und gesellschaftlichen Einrichtungen angewiesen sind. Die Mischung zwischen gewerblicher Nutzung und Wohnen ist insbesondere unter frauenspezifischen Gesichtspunkten zu begrüßen. Gerade Frauen sind häufig auf eine räumliche Nähe von Wohnung und Arbeitsplatz bei der Bewältigung ihrer Doppel- und Dreifachbeanspruchung durch Ausübung ihres Berufes, Organisation des Familienalltags und Bewältigung des Haushalts angewiesen.

Die Planung für die Alte Glockengießerei ist auch deshalb so ansprechend, da trotz der Größendimension des Projekts Wert darauf gelegt wurde, dass Bergheim durch diese Bebauung kein anderes Gesicht erhält. So orientiert sich der gesamte Komplex an alten Plänen und ahmt die kleinen, schmalen Gassen des traditionellen Vorbildes nach. Dies konnte u.a. nur deshalb gelingen, weil man sich darauf verständigen konnte, den oberirdischen Raum den Menschen vorzubehalten und die Autos unterirdisch in einer Tiefgarage zu platzieren. Durch die frühe Einbindung aller städtischen Ämter und der Bürgerinnen und Bürger in die Planungsphase konnte so weit wie möglich auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse Rücksicht genommen werden. Positiv hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass gerade die Belange von Frauen in der Planung eine besondere Berücksichtigung fanden, so beispielsweise bei der Tiefgarage, wo das Sicherheitsempfinden von Frauen mit Hilfe des Frauenamtes eine große Rolle gespielt hat.

Mit der Bebauug der Alten Glockengießerei und dem jüngst vom Gemeinderat verabschiedeten Bebauungsplans Radium-Solbad findet in Bergheim eine gezielte städtebauliche Neuordnung statt. Die Wohnfunktion in diesem Stadtteil wird erheblich erhöht. Bergheim wird somit in den nächsten Jahren an Bedeutung und Attraktivität deutlich gewinnen, ohne dabei seinen spezifischen Charakter zu verlieren.
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Irmtraud Spinnler

GAL

Die Neuen kommen!

In zwei Folgen stellen wir Ihnen unsere vier neugewählten Stadträtinnen und Stadträte der GAL-Fraktion vor. Alle haben sich in der Vergangenheit in verschiedenen Gruppen und Initiativen engagiert und werden nun ihre Erfahrungen in die gemeinderätliche Arbeit einbringen.
   

Susanne Bock

Susanne Bock, 48 Jahre alt, lebt mit ihren beiden Söhnen seit 15 Jahren in der Altstadt. Sie ist an Uni und Pädagogischer Hochschule als Lehrbeauftragte sowie auch freiberuflich als Sprechpädagogin tätig. Seit 1994 war sie als gewählte Vertreterin für alle Heidelberger Kindertagesstätten beratendes Mitglied im Jugendhilfeausschuss. Den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien mehr Geltung zu verschaffen, auch was die Stadtplanung, die Verkehrspolitik und ähnliches angeht, liegt ihr am Herzen. Im Sozial- und Jugendhilfeausschuss und im Umweltausschuss wird Susanne Bock künftig ihre Schwerpunkte setzen.
 
 

Peter Holschuh

Peter Holschuh, 45 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in der Heidelberger Altstadt, wohnhaft in der Weststadt. Ausbildung in der allgemeinen Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg, beschäftigt beim Straßenbauamt Heidelberg, dort auch Vorsitzender des Gesamtpersonalrates und Mitglied im Bezirkspersonalrat beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Seit über 20 Jahren leistet er aktive Gewerkschaftsarbeit, unter anderem seit zwölf Jahren Mitglied im ÖTV-Kreisvorstand. Peter Holschuh wird sich vor allem in den Bereichen aktive Beschäftigungspolitik, Finanzen und Verkehr engagieren. Dabei liegen ihm besonders die Interessen von Minderheiten und Randgruppen am Herzen. Diese will er im Haupt- und Finanzausschuss, im Sozialausschuss und im Ausländerrat vertreten.
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Dr. Ursula Lorenz

FWV

Erhaltungssatzung

In der letzten Sitzung des "alten" Gemeinderates wurde heftig um den Aufstellungsbeschluss der Erhaltungssatzung Handschuhsheim debattiert. Grundsätzlich sind sich alle Gemeinderäte darüber einig, dass es sinnvoll und gewünscht ist, die alten Ortskerne in ihren wesentlichen Merkmalen zu erhalten. Das Instrument dafür ist § 172 BauGB. Die Vorarbeiten für Handschuhsheim sind fortgeschritten, die Umsetzung wäre möglich. Bedenken bereiten die Begrenzung des vorgesehenen Areals, der Eingriff in bereits laufende Bauvorhaben, und die Auslegung der Erhaltenswürdigkeit. Ausserdem sind Konflikte zwischen bauwilligen Bürgern und der Verwaltung im Einzelfall vorprogrammiert. Wir wollen keine erhebliche Bauverhinderung für die Bürger des nächsten Jahrhunderts. Die FWV hat ihre Zustimmung gegeben, nachdem unsere Ergänzungsanträge angenommen wurden:

1. Bis heute vorliegende Bauanträge werden von der Aufstellung der Erhaltungsatzung nicht betroffen.
2. Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, die Einrichtung eines Beirats vorzubereiten. (Diesen halten wir zur Bewältigung von Konfliktsituationen für erforderlich).
3. Vor der Verabschiedung der Erhaltungssatzung soll der Entwurf der Gestaltungssatzung vorliegen. Wir hoffen damit auf eine akzeptable Lösung für Erhalter und Erneuerer. Später sollen ähnliche Satzungen für Wieblingen, Rohrbach und Kirchheim erarbeitet werden.
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Annette Trabold

F.D.P.

Erhaltungssatzung

Große Aufregung im letzten Gemeinderat. Ich kam mir streckenweise vor, als hätten wir den Wahlkampf noch vor uns. Dabei ging es eigentlich um einen "Ladenhüter". Ein Uralt-Thema gewissermaßen, das schon lange im Gemeinderat auf der Tagesordnung steht: um eine Erhaltungssatzung für Handschuhsheim. Und ungeachtet der Tatsache, dass sich schon vor Jahren im Prinzip alle einig waren, dass wir zur Erhaltung unserer historischen, dörflichen Ortskerne eine solche Satzung brauchen, wurde jetzt aus manchen Fraktionen behauptet, es solle etwas "durchgepeitscht" werden. So unterschiedlich kann man Zeit wahrnehmen.

Natürlich kann man sich der Moderne nicht verweigern, selbstverständlich müssen zeitgemäße Gebäude entstehen, das ist doch ganz klar - aber wir müssen auf der anderen Seite sehr sorgsam mit dem gewachsenen historischen Stadtbild umgehen. Schauen Sie sich doch die Bausünden aus den 70er Jahren in den Stadtteilen einmal an. Da schmerzt das Auge und das Geschrei ist groß, wenn eine solche Bausünde dann steht. Aber dann ist es zu spät. Also: Kein Grund zur Aufregung. Mit der Erhaltungssatzung soll lediglich die Grundlage geschaffen werden, dass solche Bausünden in historischen Vierteln unserer Stadt - die ja auch gerade wegen ihres Stadtbildes in der ganzen Welt bekannt ist - vermieden werden. Wer auch hier jetzt schon wieder "ideologische böse Absichten" oder sonstiges unterstellt und konstruiert, schießt meines Erachtens über das Ziel weit hinaus.

  Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



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Stand: 30. November 1999