Thema der Woche

Ausgabe Nr. 48 · 29. November 2000



Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kulturhauses Karlstorbahnhof (Foto: Klinger)

"Die Suche nach Neuem hat Erfolg"

Gespräch mit der Geschäftsführerin des Kulturhauses Karlstorbahnhof Ingrid Wolschin


Fünf Jahre alt ist "der Karlstorbahnhof" geworden. Das soziokulturelle Zentrum wagt seit fünf Jahren den Spagat, möglichst neue, anspruchsvolle und spannende Kultur zu bieten und dabei weitgehend wirtschaftlich zu arbeiten.

Nach anfänglichen finanziellen Problemen hat sich der Karlstorbahnhof als solide, aber weiterhin experimentierfreudige Einrichtung etabliert. Über Vergangenheit, Zukunft und Ansprüche gab Geschäftsführerin Ingrid Wolschin dem STADTBLATT Auskunft.

STADTBLATT: Wie waren die ersten fünf Jahre Karlstorbahnhof, kulturell, finanziell und im Hinblick auf die Besucherzahlen?

Ingrid Wolschin

Ingrid Wolschin: Über die letzten fünf Jahre zu reden ist für mich nicht ganz einfach, weil ich selbst erst seit zwei Jahren Geschäftsführerin bin. Kulturell hat der Karlstorbahnhof von Anfang an voll eingeschlagen. Ich war in der Anfangszeit als Besucherin häufiger auf Veranstaltungen als heute als Geschäftsführerin. Der Anspruch war seit Beginn hoch und das Haus hat sich damit in Heidelberg und der Region positioniert. Das Spartenübergreifende, die Suche nach Neuem und das Hinführen des Publikums zum Neuen hat ganz offensichtlich Erfolg.

Ich denke, die finanziellen Probleme der ersten drei Jahre waren Probleme, die jedes entstehende Unternehmen hat. Zudem war auch die Bezuschussung für ein Haus dieser Größe nicht angemessen. Mit der Umstrukturierung vor zwei Jahren konnten wir rund 100.000 Mark zusätzlich vom Land akquirieren und damit den Karlstorbahnhof auf eine solide Grundlage stellen. Das hat dazu geführt, dass wir 1998 - damals mit reduziertem Programm - sowie im vergangenen und sicherlich auch in diesem Jahr mit einer "Schwarzen Null" abschließen.

Der Erfolg zeigt sich auch in den steigenden Besucherzahlen. 1999 hatten wir 84.000 Zuschauer und damit mehr als 1998 und in diesem Jahr werden wir noch einmal zulegen.

STADTBLATT: Ist ein Veranstaltungshaus mit Anspruch heute noch zeitgemäß und vor allem finanzierbar?

Wolschin:
Die Frage ist eigentlich falsch gestellt. Nur durch unsere soziokulturelle Arbeit entwickeln sich Kultursparten weiter. Wir experimentieren mit Kultur. Wir schauen, wohin der Trend geht, überprüfen kritisch, was kulturell verwertbar ist. Was die Finanzierbarkeit angeht: Das Land gibt knapp 660 Millionen Mark für Kultur aus und die Soziokultur erhält gerade mal 3,5 Millionen. Zudem haben alle Sparten der Soziokultur nach wie vor Zuwachsraten bei den Zuschauerzahlen im Gegensatz zu den traditionellen Einrichtungen.

Gesellschaftlich ist immer das finanzierbar, was als kultureller Schwerpunkt gesetzt wird. Müssten wir wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen, was wir zur Not schaffen könnten, müssten wir mehr Mainstream machen wie kommerzielle Einrichtungen. Diese können, auch wenn sie gute Arbeit leisten, nicht so experimentell arbeiten wie wir. Das ist nur über Bezuschussung möglich. Im Moment erwirtschaften wir einen Eigenanteil von knapp 60 Prozent. Ein höherer Eigenanteil würde zu Lasten der Qualität gehen und ich weiß nicht, ob das gewollt ist.

STADTBLATT:
Welche Menschen kommen zu den Veranstaltungen und wen hätten Sie denn gerne zusätzlich als Besuchergruppe?

Wolschin: Das ist eine Gratwanderung in diesem Haus. Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir jede Altersgruppe erreichen möchten. Manche Leute sagen ja immer noch, der Karlstorbahnhof ist ein Haus für Jugendliche. Für mich war er immer das einzige Haus in Heidelberg, das interessante und spannende Kultur gemacht hat und ich bin auch schon über 40. Wir wollen natürlich auch hochwertige Jugendkultur bieten, aber ebenso die anderen Altersgruppen ansprechen. Bei Jazzkonzerten zum Beispiel treffen sich die Generationen. Das möchte ich dem Haus erhalten.

STADTBLATT: Wagen Sie einmal einen Blick auf die nächsten fünf Jahre. Was bleibt, was ändert sich?

Wolschin: Intern müssen wir die Professionalisierung voran treiben, auch wenn ein Kulturbetrieb für seine Lebendigkeit immer Ecken und Kanten braucht. Dazu gehört auch, dass in Zukunft einige Mängel an diesem Haus beseitigt werden, die einen professionellen Betrieb behindern.

Bleiben wird die Vielfalt. Ich wünsche mir auch, dass wir diese Gratwanderung zwischen anspruchsvoller Kultur und der Wirtschaftlichkeit, die wir erbringen müssen, auch zukünftig hinkriegen. Weiterhin wünsche ich mir eine gute Kooperation mit der Politik. Wir zeigen, dass wir uns nicht zurück lehnen, selbst Sponsoren für unsere Arbeit finden und schön wäre es, wenn die Politik die verbleibenden Lücken schließt. Ich habe auch ein paar Ideen für die Zukunft, die will ich hier aber nicht preis geben. Kulturell kann man in Heidelberg aber bestimmt noch sehr viel machen. (neu)


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Schrill, bissig und höchst unterhaltsam

Zum 5. Geburtstag: Ein Festival-Programm quer durch alle Sparten des Hauses


Mit einer Festival-Woche vom 4. bis 13. Dezember feiert das Kulturhaus Karlstorbahnhof sein fünfjähriges Bestehen. Kulturcafé, Medienforum, Eine-Welt-Zentrum und Theaterverein sorgen für ein vielfältiges Kulturprogramm und riskieren auch mal einen kritischen Blick in die Welt. Hier das Programm.

Independent-Musik
Montag, 4. 12., 21.30 Uhr:
Mit der legendären Band "Tuxedomoon" und DJ Hell eröffnet das Karlstorbahnhof-Team die Festivalwoche.

Welt-Musik
Dienstag, 5. 12., 20 Uhr: Unter dem Titel "Klangwelten 2000" stellen Musiker aus sechs Ländern ihre Kultur vor und treten in einen akustischen Dialog. Mit von der Partie sind Rüdiger Oppermann (Harfe, Europa), Jatinder Thakur (Tabla, Indien), Mongolian Voices (Schamanengesänge, Oberton-Akrobatik, Tiefbass-Kehlkopfgesänge, Mongolei), Rainer Granzin (Piano, Deutschland), Tata Dindin (Gesang, Gambia) und Agus Wahyu (Percussion, Java).

Ausstellung
Dienstag, 5. 12. 20 Uhr: Die Ausstellung "Entwicklungsland Deutschland" lädt zu einem Perspektivenwechsel ein. Unter dem Gesichtspunkt der "Nachhaltigkeit" werden die Industrienationen aufgefordert, Konsum und Produktionsweisen zu hinterfragen. Plakate provozieren mit widersprüchlichen Text-Bild-Aussagen und verraten, wie jeder seinen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Welt beitragen kann.

Kabarett
Donnerstag, 7. 12., 20 Uhr: Georg Schramm, 1999 mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet, gastiert mit seinem bissigen Programm in Heidelberg. Gespickt mit rabenschwarzem Humor, pointiert Schramm menschliche Schwächen.

Video-Kunst
Freitag, 8. 12., 20 Uhr: Zum Jubiläum haben sich tikk-Theater und Medienforum zu einem Projekt zusammengeschlossen, in dem die Gestalt des Kriegers im Mittelpunkt steht. Vier Video-Installation werden präsentiert: "Die Hymne an den Krieg" nach Ödon von Horvath in der Inszenierung des Theaters Gutmacher, "Angst, Lärm, der schwarze Mann oder sein Bruder Fritz, das Wildschwein" von Dominik Geiss, "Krieger, ein Denkmal" von Wolf Brückmann und "Der Schlaf des Kriegers" von Hermann Ahlers.

Film
Freitag, 8. 12., 20 Uhr: Passend zu den Video-Arbeiten zum Thema "Krieger" zeigt das Kommunale Kino den Dokumentarfilm "Allein machen Sie dich ein" über eines der ersten selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentren. Musik: Ton Steine Scherben.

Jazz & Words
Sonntag, 10. 12., 20 Uhr
beginnt eine Spoken-Word-Poetry-Jazz-Performance mit Christian Brückner und dem Jazz Ensemble "Lone World Trio". Brückner, bekannt als "Die Stimme" von Marlon Brando, Harvey Keitel und Robert de Niro, liest bekannte Beat-Generation-Autoren wie Allen Ginsberg und Kenneth Koch. Das Lone World Trio bereitet die musikalische Grundlage, auf der die markante Stimme Brückners sich entfaltet.

Lange-Tanz-Nacht
Montag, 11. 12., 21.30 Uhr:
Mit Gespür für tanzbare Grooves, innovativen Sound und spritzige Wortspiele haben sie Kultstatus erlangt: Die "Sparks" gastieren im Karlstorbahnhof.

Gitarren-Rock
Mittwoch, 13. 12., 21.30 Uhr:
Seit Quentin Tarantinos Film "From Dusk still Dawn" ist die Truppe um Tito Larriva zur Kultband avanciert. Tito & Tarantula sorgen mit Songs voller Dynamik für volle Konzertsäle.
   
  Mehr Infos unter: www.karlstorbahnhof.de


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Verlosung

Das STADTBLATT verlost fünf Eintrittskarten zu "5 Jahre Karlstorbahnhof": Je eine Karte für Klangwelten 2000 (5.12.), Georg Schramm (7.12.), Video Kunst zur Figur des Kriegers (8.12.), Christian Brückner (10.12.) und den Sparks (11.12.) gibt es für diejenigen zu gewinnen, die nur am Mittwoch, 29.11. per Telefon (58-1203), per Fax (58-1290) oder per E-Mail (oeffentlichkeitsarbeit@heidelberg.de) sagen oder schreiben können, wie viele Besucher 1999 im Karlstorbahnhof waren. Bei mehreren richtigen Antworten entscheidet das Los. Die Karten werden am Veranstaltungstag an der Kasse bereit gehalten.

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Stand: 28. November 2000