Stadt und Leute

Ausgabe Nr. 46 · 15. November 2000



Beim Vorlesen der Namen der aus Heidelberg verschleppten Juden hörten Rabbiner Jakob Ebert, Erster Bürgermeister Pof. Dr. Raban von der Malsburg und Prof. Dr. Daniel Krochmalnik (2. bis 4. von links) wie Hunderte auf dem Synagogenplatz schweigend zu. (Foto: Rothe)

Zeichen der Solidarität

Gedenkstunde an Pogromnacht auf dem Synagogenplatz unter großer Anteilnahme


Einige hundert Menschen - "so viele, wie seit Jahren nicht mehr", stellte Erster Bürgermeister Prof. Dr. Raban von der Malsburg fest - hatten sich am Abend des 9. November zum Gedenken an die Pogromnacht vor 62 Jahren auf dem Synagogenplatz eingefunden.

Dort, wo in den Morgenstunden des 9. November 1938 die frühere Heidelberger Synagoge - wie Tausende andere jüdische Gotteshäuser in Deutschland - von den Nationalsozialisten niedergebrannt wurde, erinnerte der Erste Bürgermeister daran, dass dies "der Auftakt zum dunkelsten Kapitel unserer langen Geschichte" war. Er wertete es als gutes Zeichen, dass dennoch ein Zusammenleben von Christen und Juden möglich ist und dass sich die jüdische Gemeinde in Heidelberg eine neue Synagoge geschaffen hat.

Die Anschläge und Gewalttaten in jüngster Zeit gäben der Gedenkstunde eine besondere Aktualität, betonte Malsburg und forderte: "Nie wieder sollen Synagogen brennen und Menschen wegen ihres Glaubens ausgegrenzt oder gedemütigt werden."

Nach jener Nacht vor 62 Jahren hätte jeder in Deutschland wissen müssen, wohin die Entwicklung geht, sagte Georg Haas von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Zumindest von den christlichen Kirchen hätte ein Aufschrei kommen müssen. Heute lebten in diesem Land wieder Menschen in der Angst vor der Gefahr verfolgt zu werden, weshalb jedes Zeichen von Solidarität und gegen Antisemitismus und Fremdenhass wichtig sei.

Die Entwicklungen der jüngsten Zeit machten deutlich, dass der Gedenktag eine Angelegenheit aller sei, betonte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Heidelbergs, Prof. Dr. Daniel Krochmalnik. Zwei Studierende der Hochschule für jüdische Studien lasen die Namen der ehemaligen Heidelberger/innen jüdischen Glaubens vor, die von den Nazis verschleppt wurden. Ein Gebet von Rabbiner Jakob Ebert beschloss die Feierstunde. (br.)

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Junge Heidelberger

In Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendamt stellt das STADTBLATT in loser Folge Jugendliche aus Heidelberg vor. Wir wollen mit einigen Fragen zum Lebensumfeld, zu Ausbildung, Familie, Werten und Träumen ein bisschen mehr über "die Jugend" in der Stadt erfahren. Natürlich kann unser Interview nur ein klein wenig von den Jugendlichen preis geben. Wer mehr erfahren möchte, muss sie schon persönlich kennen lernen.

Charlotte Wegner, 17 Jahre, wohnt in Handschuhsheim, geht aufs Hölderlin-Gymnasium und nennt den Zirkus, Basketball und Musik hören als Hobbys.
Sie ist Betreuerin bei der Zirkusschule Peperoni und bereitet gerade mit über 100 Kindern und Jugendlichen das Weihnachtsprogramm "Lila und der Legostein" vor.
 
STADTBLATT: Was gefällt Dir besonders an Heidelberg?

Charlotte: Die Atmosphäre und die guten Bus- und Bahnverbindungen. Da ich noch keinen Führerschein habe, bin ich darauf angewiesen.

STADTBLATT: Was gefällt Dir überhaupt nicht?

Charlotte: Die Ampelschaltung. Wenn man es mal eilig hat, ist es schon nervig, wenn man immer stehen bleiben muss. Außerdem kommen die Nachttouren der HSB zu früh.

STADTBLATT: Was fehlt Dir in Heidelberg?

Charlotte: Jugendräume fehlen. Ich hatte neulich Geburtstag und wollte feiern, habe aber keine Räume gefunden. Wenn es welche gab, waren sie zu teuer.

STADTBLATT: In welcher Stadt oder welchem Land willst Du später leben und warum?

Charlotte: Ich werde auf jeden Fall mal nach Berlin gehen, da ist mein Vater geboren, da habe ich Verwandte und Bekannte. In Heidelberg kennt man jeden, Berlin ist Großstadt.

STADTBLATT: Wie und wo würdest Du am liebsten arbeiten?

Charlotte: Weiß ich noch nicht. Ich will jetzt ein Praktikum beim Theater machen oder, wenn es klappt, beim ZDF in Berlin.

STADTBLATT: Was ist Dein Traumberuf?

Charlotte: Früher wollte ich Opernsängerin oder Hebamme werden. Ein richtiger Traum von mir ist es, beim Cirque du Soleil als Artist mitzumachen. Ich war gerade zum dritten Mal in einer Aufführung.

STADTBLATT: Was ist das Wichtigste an einer Familie?

Charlotte: Auf jeden Fall Friede und Harmonie zu Hause, was bei uns selten ist, aber das ist normal. Wichtig finde ich, Rückhalt und Unterstützung zu haben, egal was passiert.

STADTBLATT: Was ist das Wichtigste an einer Beziehung?

Charlotte: Ehrlichkeit.

STADTBLATT: Warum braucht man Freunde?

Charlotte: Zum Lachen, Ausheulen und ewig lang Reden am Telefon.

STADTBLATT: Was bedeuten für Dich Liebe und Treue?

Charlotte: Liebe ist schwer zu definieren, es bedeutet, dass man jemanden extrem gern hat. Auf Treue lege ich nicht so großen Wert, vielleicht liegt das aber daran, dass ich noch so jung bin.

STADTBLATT: Was bedeutet für Dich Religion/Kirche?

Charlotte: Garnichts. Ich glaube nicht an Gott.

STADTBLATT: Wozu braucht man Idole?

Charlotte: Um sich Ziele zu setzen und um das Gleiche oder fast das Gleiche wie die Idole zu erreichen.

STADTBLATT: Was bedeutet Geld für Dich?

Charlotte: Geld bedeutet Macht.

STADTBLATT: Engagierst Du Dich politisch? Warum (nicht)?

Charlotte: Nein. Ich habe keine Zeit und weiß nicht wo. Was mich interessiert, ist der Gemeinschaftskundeunterricht. Es ist schon erschreckend, wie wenig manche von den Klassenkameraden über Politik Bescheid wissen.

STADTBLATT: Für was engagierst Du dich?

Charlotte: Für den Circus Peperoni.

STADTBLATT: Was fällt Dir zum Thema Fremdenhass ein?

Charlotte: Das sollte man abschaffen. Jeder hat das Recht so zu leben, wie er will.

STADTBLATT: Bist Du mit Deinem Leben zufrieden?

Charlotte: Ich bin nie zufrieden mit mir, egal was ich mache. Es ist schwer, mit sich selbst zufrieden zu sein.

STADTBLATT: Wie sehen Dich die anderen?

Charlotte: Hoffentlich nicht so schlecht. Mein Papa nennt mich dickköpfig und naseweis.

STADTBLATT: Drei Wünsche zum Schluss.

Charlotte: Ich wünsche mir, dass die Weihnachtsvorstellung vom Circus Peperoni gelingt, dass ich mein Abitur schaffe und dass ich mit meinen Freunden immer gut auskommen werde.

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Das Friedenskreuz im Jahre 1953. (Foto: Popp)

Friedenspreis ausgelobt

Stiftung Heidelberger Friedenskreuz vergibt ihn für Bemühen um Verständigung


Bisher sah die Stiftung Heidelberger Friedenskreuz ihren Hauptzweck im Erhalt des gleichnamigen Kreuzes an der Speyerer Straße und in der jährlichen Karfreitagsprozession von der katholischen Kirche St. Peter in Kirchheim dorthin. Künftig gehört zu den Aufgaben der Stiftung auch die Vergabe eines Friedenspreises.

Der Friedenspreis wird erstmals 2001 und danach in allen ungeraden Jahren vergeben und ist mit 2.500 Euro ausgestattet. Ihn können Einzelpersonen oder Initiativen aus Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis erhalten, die sich in besonderer Weise um das Gemeinwohl, insbesondere um die Verständigung deutscher und ausländischer Bürgerinnen und Bürgern engagiert haben.

Über die Preisvergabe befindet ein Kuratorium mit dem katholischen Dekan Dr. Klaus Zedtwitz, Oberbürgermeisterin Beate Weber, Kirchheims Stadtteilvereinsvorsitzender Inge Heinzerling und den Vorstandsmitgliedern der Stiftung Friedenskreuz. Diese sind der Gemeindepfarrer von St. Peter sowie Gerlinde Güllich, Georg Grädler und Roland Blatz.

Das Preisgeld wird aus den Zinsen des Stiftungsvermögens finanziert, erläutert Stiftungsvorsitzender Blatz. Und: Der Preis entspricht dem Anliegen der Stiftung und ihres Gründers Alfons Eller. Blatz hofft, dass der Preis vor allem junge Menschen motiviert, sich für eine friedvolle Verständigung einzusetzen.

Das von dem Kirchheimer Ehepaar Alfons und Rosa Eller mit eigenen Mitteln und Spenden errichtete Friedenskreuz wurde 1953 eingeweiht. Der Sockel des Monuments trägt die Inschrift "Liebet einander wie ich euch geliebt habe" in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch, den Sprachen der Hauptbeteiligten am zweiten Weltkrieg. Beim Bau wurden merowingische Gräber aus der Zeit um 500 und Reste eines Steinkreuzes von 1224 gefunden.

Fast 40 Jahre lang sorgte Alfons Eller (er starb 1993) selbst für die Pflege des heute von einer Baumgruppe gesäumten Friedenskreuzes. 1989 überführte er es in die gleichnamige Stiftung. (br.)
   
 

Bewerbungen und Vorschläge

für den Friedenspreis können bis 30. März 2001 bei der Stiftung Heidelberger Friedenskreuz, c/o Pfarramt St. Peter, Lochheimer Straße 39, 69124 Heidelberg, formlos eingereicht werden. Sie sollten eine allgemeine Darstellung des Projekts mit zeitlichem Rahmen, Anzahl der Beteiligten, Zielsetzung und Zielgruppe sowie Art und Umfang der Einbeziehung der Betroffenen enthalten.


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Stand: 14. November 2000