Thema der Woche

Ausgabe Nr. 45 · 10. November 1999

"Der Männergewalt klare Grenzen setzen"

Frauenbeauftragte Dörthe Domzig zur Plakat- und Veranstaltungskampagne "Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache"


45 Prozent aller Heidelberger Frauen, die im letzten Jahr Gewalt erfahren haben, waren Opfer von Verwandten oder engen Bekannten. Damit Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht länger "Privatsache" bleibt, haben das Amt für Frauenfragen der Stadt Heidelberg und das "Bündnis gegen Gewalt an Frauen" eine Kampagne initiiert, die die öffentliche Diskussion um das Thema neu beleben soll. Über die Kampagne sprach das STADTBLATT mit der Heidelberger Frauenbeauftragten Dörthe Domzig.

STADTBLATT: Frau Domzig, warum gerade jetzt eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen?

Domzig: Gerade die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit, die mit einem Rückzug in die Privatsphäre verbunden ist. Es ist aber auch eine Zeit, in der erfahrungsgemäß besonders stark unverdaute Probleme aufbrechen und Gewalt im sozialen Nahraum eine besondere Rolle spielen kann. Darum war es uns wichtig, dass wir die Vorbereitungen für diese Kampagne im Rahmen der Kommunalen Kriminalprävention gemeinsam mit dem Bündnis gegen Gewalt an Frauen gerade jetzt abschließen konnten. Wir halten es nach wie vor für eine unverzichtbare öffentliche Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht zum privaten Problem der Betroffenen erklärt und damit in hohem Maße unsichtbar gemacht wird.

STADTBLATT: Warum ist Gewalt im Privatbereich noch immer ein Tabu-Thema in der Öffentlichkeit?

Domzig: Nach bald 25 Jahren mehr oder weniger intensiver öffentlicher Auseinandersetzung mit der Gewalt an Frauen und Mädchen haben wir es heute nicht mehr mit Tabubrüchen im engen Sinne zu tun. Aber das Thema löst noch immer sehr viel Emotionen und Abwehr aus. Das hat viele Gründe. Beispielsweise weil nicht sein kann, was nicht sein darf; weil es dabei um eine Auseinandersetzung mit dem Selbstbild von Männern geht und um die öffentliche Zurückweisung unzumutbarer Anmaßungen. Es wird viel zu wenig gesehen, dass öffentliche Debatten auch dazu beitragen, herauszufinden, wie die Bedingungen für eine neue Solidarität zwischen den Geschlechtern aussehen können.

STADTBLATT: Gewalt gegen Frauen ist kein neues Thema - was hat die Stadt bisher in Sachen Präventionsarbeit geleistet?

Domzig: Da sind einerseits die Projekte, um den öffentlichen Raum für Frauen sicherer zu machen. Beispielhaft sei hier das Beleuchtungskonzept genannt, das im Anschluss an die Sicherheitsstudie des Frauenamtes vom Gemeinderat verabschiedet wurde, aber auch das Frauen-Nachttaxi, die Frauenparkplätze in Tiefgaragen, die Wen-Do Selbstverteidigungskurse oder auch das SOS-Handy, das Bürgerinnen bei uns ausleihen können, um in Notfällen einen direkten Draht zur Polizei herzustellen. Die zweite Säule sind Projekte, die auf den Privatbereich bezogen sind. Hier unterstützt die Stadt schon seit vielen Jahren das Frauenhaus und die Beratungsstelle Courage sowie den Frauennotruf. Außerdem gibt es finanzielle Förderung für die Arbeit des Kinderschutzbundes, des Kinderschutzzentrums und des Mädchenhausvereins. Die dritte Säule stellt die Gleichstellungspolitik dieser Stadt dar, die mit der Einrichtung des Amtes für Frauenfragen kräftige Unterstützung bekam.

STADTBLATT: Die neue Kampagne wird von außergewöhnlich vielen Kooperationspartnern und -partnerinnen getragen...

Domzig: ...ja wir freuen uns sehr, dass sich so viele angesprochen gefühlt haben, denn das bedeutet, dass wir öffentliche Gespräche am Leben halten, die dazu beitragen, dass diese Gewalt und ihre Ursachen nicht länger verschleiert werden. So können auch neue Impulse entstehen, um die Arbeit weiterzuentwi-ckeln und das Netzwerk gegen Gewalt an Frauen und Mädchen zu vergrößern. Denn alle können etwas dafür tun, dass der Männergewalt klare Grenzen gesetzt werden. (eu/brö)

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Wo Frauen Hilfe finden

Heidelberger Hilfs- und Beratungsangebote


Frauen, die Gewalt erfahren haben oder sich bedroht fühlen, finden in Heidelberg Hilfs- und Präventionseinrichtungen, die mit Beratung und konkreten Angeboten weiterhelfen. Die wichtigsten hier auf einen Blick:

- Polizeidirektion Heidelberg
Römerstr. 2-4,
69115 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 99 16 01

- Frauennotruf Heidelberg
gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen e.V.
Telefon (0 62 21) 18 36 43

-
Frauenhaus Heidelberg
Frauen helfen Frauen e.V
Postfach 10 23 43,
69013 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 83 30 88

- Courage - Beratungsstelle für Frauen
Frauen helfen Frauen e.V.
Mannheimer Str. 287, 69123 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 84 07 40

-
Internationales Frauenzentrum (IFZ)
Kommunikation und Beratung für eingewanderte Frauen und Mädchen in Heidelberg e.V.
Poststr. 8,
69115 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 18 23 34

-
Mädchenhaus Heidelberg
Verein zur Förderung feministischer Mädchenarbeit e.V.
Uferstr. 64,
69120 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 43 92 50

- Deutscher Kinderschutzbund (DKSB)
Ortsverband Heidelberg e.V.
Theaterstr. 11,
69117 Heidelberg
Telefon 0800 / 111 0 333
Kinder- und Jugendtelefon: anonymes, gebührenfreies Gesprächsangebot montags bis freitags von 15-19 Uhr

-
Kinderschutzzentrum
Arbeiterwohlfahrt
Heidelberg
Gaisbergstr. 53
69115 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 60 08 19

-
Kinder- und Jugendamt
Stadt Heidelberg
Fischmarkt 2,
69117 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 58 31 51

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Veranstaltungsvorschau í99

18.11.99, 18.00 Uhr, Internationales Frauenzentrum, Poststr. 8
Internationales Frauenzentrum
Dipl. Psych. Preeti Puromit, Vortrag, "Migrantinnen sagen NEIN zur Gewalt"

2.-8.12.99, Gloria/Gloriette-Filmtheaterbetriebe, Hauptstr. 146
Mädchenhausverein in Zusammenarbeit mit Gloria-Filmtheaterbetrieben
Filmtage:
2./3.12.99, 16.00 Uhr "Angeklagt",
4./5.12.99, 15.30 Uhr "Die Farbe Lila",
6.-8.12.99, 16.00 Uhr "Die letzte Kriegerin".
Eintritt: Einheitspreis 9 DM, Schulklassen ab 20 Personen 6 DM

4.12.99, Turnhalle der Friedrich-Ebert-Schule/ Theodor-Heuss-Realschule, Plöck 103-105
Amt für Frauenfragen
WEN-DO Selbstbehauptungs-/Selbstverteidigungs-Schnupperkurse für Frauen
Kurs 1: 9.00-12.00 Uhr
Kurs 2: 13.00-16.00 Uhr
Anmeldung erforderlich unter Telefon 06221758 15 54. Die Teilnahme ist kostenlos.




Die Kampagne "Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache" läuft auch im Jahr 2000 weiter. Veranstaltungshinweise finden Sie im STADTBLATT und in der Tagespresse.

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Unser Foto zeigt (v.l.) Reiner Greulich (Polizeidirektion Heidelberg), Heiner Bernhard (Amt für öffentliche Ordnung), Oberbürgermeisterin Beate Weber, Manfred Lautenschläger (Verein "Sicheres Heidelberg"), Dörthe Domzig (Frauenbeauftragte) und Walter Hamilton (Telekom). (Foto: Rothe)

SOS-Handys für mehr Sicherheit

Als erste Kommune in Baden-Württemberg stellt Heidelberg seiner Bevölkerung "SOS-Handys" kostenlos zur Verfügung. Das Projekt startete Ende Oktober mit einer Spende der Telekom von 30 Handys. Die Mobiltelefone können ab Anfang Dezember beim Amt für öffentliche Ordnung (Telefon 06221/ 58 17 81) und beim Amt für Frauenfragen (06221/ 58 15 52) kostenlos ausgeliehen werden. Freigeschaltet ist bei allen SOS-Handys die Notrufnummer 112, normale Telefonate sind nicht möglich. Mit dem mobilen Draht zur Polizei reagiert die Stadt Heidelberg und der Verein "Sicheres Heidelberg" auf die Studie "Angsträume in Heidelberg". Weitere Handy-Spenden sind willkommen. Kontakt: Amt für öffentliche Ordnung, Telefon 06221/58 17 81.
 
 
 

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Zur Inhaltsangabe STADTBLATT



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Stand: 9. November 1999