Thema der Woche

Ausgabe Nr. 43 · 22. Oktober 2003

Ausgaben stiegen stärker: Während die Einnahmen durch die Gewerbesteuer zwischen 1990 und 2003 nur um 29 Prozent anstiegen, gingen die Ausgaben für Jugend- und Sozialhilfe um knapp 67 Prozent in die Höhe.

Quelle: Kämmereiamt

Städte brauchen Gemeindefinanzreform

Nur eine aufgabengerechte Finanzausstattung sichert langfristig die Handlungsfähigkeit der Kommunen

Seit Wochen kann man das Tauziehen zwischen den Städten und Gemeinden und der Bundesregierung und den Ländern verfolgen, in der es grundsätzlich um die Finanzen der Kommunen in der Zukunft geht. Welche Position Städte und Gemeinden, und damit auch Heidelberg, in diesem Konflikt vertreten, wollen wir auf dieser Seite skizzieren.

Die Finanzlage der Städte
Für das Jahr 2003 rechnet der Deutsche Städtetag mit einem Rekorddefizit von rund 9 Milliarden Euro in den Verwaltungshaushalten seiner Mitgliedsstädte. Im Jahr 2000 lagen sie noch bei rund 3,3 Milliarden Euro. Die Ursachen für diese Entwicklung liegen vor allem in den drastisch rückläufigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer und in explosionsartig gestiegenen Sozialausgaben.

Heidelberg erwartet für das Jahr 2003 Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer von 19 Millionen Euro. Insgesamt fehlen der Stadt in diesem Jahr letztlich (unter anderem wegen der reduzierten Gewerbesteuerumlage, die an das Land abgeführt wird) 14 Millionen Euro. Im nächsten Jahr erwartet das Kämmereiamt sogar Mindereinnahmen von rund 20 Millionen Euro Um das diesjährige Defizit auszugleichen, hat der Gemeinderat Anfang Oktober einen harten Sparkurs beschlossen (siehe STADTBLATT 41 vom 8. Oktober).

Dass dieses Defizit strukturelle Ursachen hat, verdeutlichen folgende Zahlen: Seit 1990 sind in Heidelberg die Ausgaben für Sozial- und Jugendhilfe um 67 Prozent (von 33,7 auf 56,1 Millionen Euro) gestiegen. Im gleichen Zeitraum wuchsen die Gewerbesteuernettoeinnahmen nur um 29 Prozent (von 38,6 auf 49,8 Millionen Euro).

Die Gemeindefinanzreform der Kommunen
Schon Anfang 2003 hatten Städte und Gemeinden einen Vorschlag für eine modernisierte Gewerbesteuer vorgelegt. Die Komunen wollen vor allem bei den Einnahmen „eine Verbesserung und Verstetigung“ erreichen. Die Gewerbesteuer soll vor zu großen Schwankungen geschützt werden. Dies soll über eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen (Selbständige wie Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten) und eine Verbreiterung des Bemessungsgrundlage geschehen. Das heißt, bestimmte, noch nicht berücksichtigte Einnahmen der Unternehmen werden für die Errechnung der Gewerbesteuer hinzu gezogen.

Auch die Bundesregierung legte einen Entwurf vor, der unter anderem Veränderungen bei der Berechnung der Steuer vorsah, um Steuerschlupflöcher zu stopfen. Auch die Anhebung des Anteils der Kommunen an der Umsatzsteuer war geplant.

Die Städte und Gemeinden protestierten heftig gegen diesen Entwurf, weil er keine wesentlichen Verbesserungen brachte für die Kommunen und einseitig Kapitalgesellschaften entlastete und kleine Gewerbetreibende stärker belastete. Aufgrund der Proteste nahm die Bundesregierung Korrekturen an ihrem Entwurf vor. Sie nahm teilweise Forderungen der Städte auf und senkte zudem den Anteil von Bund und Ländern an der Gewerbesteuer (Gewerbesteuerumlage). Am 17. Oktober beschloss der Bundestag den Entwurf. Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth, appellierte an den Bundesrat, den verbesserten Entwurf nicht zu blockieren und rief zu einem parteiübergreifenden Konsens auf. Die Entscheidung fällt am 7. November.

Hartz IV
Nicht nur bei den Steuereinnahmen, auch bei den Ausgaben hält das Tauziehen an: Die von den Städten und Gemeinden als richtig empfundene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (salopp „Hartz IV“ genannt), befürchten sie, könnte zu Mehrbelastungen führen. „Vor allem die Entlastung der Kommunen bei der Sozialhilfe ist noch äußerst ungewiss“, kritisieren die Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Dr. Stephan Articus, und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg. Während die Bundesregierung eine Nettoentlastung der Kommunen von 2,5 Milliarden Euro ab 2007 ausgerechnet hat, gehen die Finanzexperten der Kommunen davon aus, dass bestenfalls nur 300 Millionen Euro zusammen kommen, womöglich aber auch neue Belastungen drohen.

Folgen für Heidelberg
Heidelberg befindet sich zurzeit in der schwierigsten Finanzsituation der letzten Jahrzehnte. Im Jahre 2002 konnte gerade noch die vorgeschriebene Mindestzuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt erreicht werden. Ob dies 2003 angesichts der starken Einbrüche bei der Gewerbesteuer möglich sein wird, werden die nächsten Wochen entscheiden. Noch schwieriger droht die Situation im Haushaltsjahr 2004 zu werden. Ob öffentliche Einrichtungen weiter eingeschränkt werden, ob Sportvereine, Wohlfahrtsverbände und Kulturinstitutionen weniger Geld aus der Stadtkasse erhalten und ob die Stadt Investitionen zurück stellt, um wenigstens den Bestand sichern zu können, hängt auch ab von der Entscheidung über die Gemeindefinanzreform.

Reformen statt Kahlschlag
Zurzeit läuft eine Aktionskampagne von Städtetag und Gemeindebund, um auf die gravierenden Folgen eines Scheiterns der Gemeindefinanzreform hinzuweisen. Auch Heidelberg beteiligt sich daran und wird unter anderem Flaggen in der letzten Oktoberwoche mit den Aufschriften „Reformen statt Kahlschlag“ und „Städte in Not“ vor dem Rathaus aufhängen. neu

   

 

„Sparsames Wirtschaften in der Verwaltung reicht jetzt nicht mehr aus, unsere Finanzlücke in diesem und nächsten Jahr zu schließen. Wir brauchen eine Reform der Gemeindefinanzen durch den Bund und die Länder im Bundesrat, die uns wieder handlungsfähig macht: u.a. für Kinderbetreuung, Kultur, Sport und Umwelt und für weitere Investitionen zu Gunsten von Arbeitsplätzen und Infrastruktur.“
Oberbürgermeisterin Beate Weber


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Waldemar Schmidt, Leiter des Rechnungs-prüfungsamtes

Schwieriges Jahr gemeistert

Leiter des Rechnungsprüfungsamtes erläuterte Schlussbericht über Jahresprüfung 2002

Waldemar Schmidt, Leiter des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) der Stadt Heidelberg seit 1. Juli dieses Jahres, hat zum ersten Mal dem Gemeinderat den Schlussbericht über die Prüfung der Jahresrechnung für das Haushaltsjahr 2002 vorgelegt und erläutert.

Bevor der Gemeinderat in seiner Sitzung am 2. Okto-
ber die Jahresrechnung 2002 feststellte, hatte er sich durch insgesamt 890 Seiten „Rechenschaft“ in Form des Rechenschaftsberichtes, des Beteiligungsberichtes und des Schlussberichtes hindurch gearbeitet. Die von ihm selbst aufgeworfene Frage, ob dies vielleicht „zu viel des Guten“ sei, beantwortete der oberste Rechungsprüfer der Stadt mit „nein“.
„Sie sind ein Zeichen von Offenheit und Transparenz,“ betonte Waldemar Schmidt und verwies darauf, dass alle Berichte über einen Kurzteil verfügten, der die Arbeit damit erleichtere: „Und im übrigen sind es gute Nachschlagewerke.“

Die Prüfungsergebnisse des Haushaltsjahres 2002 fasste der RPA-Chef in drei Punkten zusammen:

  • Die Verwaltung hat mit großer Anstrengung ein finanziell schwieriges Jahr gemeistert und einen ordentlichen Abschluss erreicht.
  • Der Rechenschaftsbericht weist eine umfassende Aufgabenerledigung nach.
  • Der Schlussbericht bestätigt ordnungsgemäßes Handeln.

Warum wird eigentlich geprüft? Waldemar Schmidt begründete die Notwendigkeit nicht allein mit den gesetzlichen Bestimmungen, sondern auch mit der Erkenntnis, „dass der handelnde Mensch nicht in der Lage ist, in jeder Situation und zu jeder Zeit einwandfreie/fehlerfreie Leistungen zu erbringen“.

Dafür gebe es verschiedene Ursachen, die sowohl in den unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen als auch in den Leistungsbedingungen – wie Arbeitsmenge, Arbeitsklima, Zielklarheit – zu suchen seien. Prüfungs- und Kontrollfunktionen gebe es deshalb in nahezu allen Lebensbereichen. In der öffentlichen Verwaltung seien sie speziell ausgeprägt, weil, so Schmidt, „wir mit Bürgergeld oder Bürgereinlagen wirtschaften, die überwiegend als Pflichteinlagen erhoben werden“.

Umfang und Inhalt von Prüfungsfeststellungen könne man deshalb grundsätzlich auch als Indikatoren werten

  • für Qualifikation und Leistungsfähigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
  • für Motivation, Engagement und Leistungsbereitschaft,
  • für funktionierende Steuerungs-, Führungs- und Controllingsysteme.

Die Zahl der Feststellungen bei den Prüfungen im Jahr 2002 gab der Leiter des Rechungsprüfungsamtes mit 1.575 an. Deren finanziellen Auswirkungen lagen nach seinen Angaben bei rund 1,2 Millionen Euro. Allein im Bereich der Architekten-, Ingenieur- und Beratungsleistungen addierten sich eine Reihe von Einzelfällen zu Nettoverbesserungen zugunsten der Stadt in Höhe von mehr als drei Viertelmillionen Euro.

Der Haushaltsplan 2002 wurde eingehalten, bestätigte Waldemar Schmidt: Die Mittel wurden bestimmungsgemäß eingesetzt und das Etatrecht des Gemeinderats, vor allem die in der Hauptsatzung festgelegten Genehmigungsregelungen wurden befolgt. „Der Haushalt ist bei Erreichung der Pflichtzuführung und ohne Inanspruchnahme von Ersatzdeckungsmitteln ausgeglichen. Dies ist keine schlechte Leistung der Verwaltung.“ br.


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Stand: 21. Oktober 2003