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Ausgabe Nr. 41 · 11. Oktober 2000 |
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Klaus Staeck in seinem Domizil in der Ingrimstraße 3. (Foto: Hohenadl) |
"Die Deutschen sind autokrank" |
Der Grafiker Klaus Staeck über den Ölpreis, das Fernsehen und die Plakatkunst Klaus Staeck, einer der bedeutendsten politischen Künstler der Bundesrepublik, hat soeben seine Autobiografie herausgebracht. Unter dem Titel "Ohne Auftrag - Unterwegs in Sachen Kunst und Politik" zieht er Zwischenbilanz seiner 40-jährigen künstlerischen Tätigkeit. Unterwegs ist er tatsächlich viel, selbstverständlich mit der Bahn, früher Bonn, heute Berlin, mal Straßburg, mal Brandenburg, aber Heidelberg ist sein Lebensmittelpunkt. Eine Auswahl seiner Plakate zum Thema Umwelt ist jetzt bei der "Trend" - Messe für Umwelt, Gesundheit und Zukunft - zu sehen. STADTBLATT-Mitarbeiterin Beate Reck-Dohmen sprach mit dem streitbaren Künstler. STADTBLATT: Verstehen Sie sich als Gewissen der Republik? Staeck: Nein, das wäre anmaßend. Ich versuche das zu tun, was man doch von jedem Bürger erwartet: dass er sich in die Belange, die ihn und andere angehen, einmischt, dass er Demokratie lebt. Damit macht man sich nicht nur Freunde, sondern auch Feinde. Aber damit kann man leben. STADTBLATT: Würden Sie sich als Aktionskünstler oder als Plakatkünstler bezeichnen? Staeck: Plakatkünstler ist die richtige Bezeichnung. Aktion klingt immer so nach Betriebsamkeit und nach Hektik in einer Zeit, die nur noch "Events" wahrnimmt. Ich habe mich nie dem Zeitgeist untergeordnet. Ich mache meine Arbeit, weil ich von ihrer Richtigkeit überzeugt bin. STADTBLATT: Können Sie sich ein anderes Medium als Plakate vorstellen, um Ihre Anliegen zu transportieren? Staeck: Sicher denke ich darüber nach. Aber das Plakat ist mein Medium geworden. Es ist für mich die effektivste Form, um auf diesem Wege etwas mitzuteilen. Es gehört viel Fantasie dazu, mit wenigen Mitteln etwas an der richtigen Stelle zu platzieren. STADTBLATT: Was ärgert Sie? Staeck: Mich regt auf, dass kommerzielle Fernsehsender wie RTL II daran arbeiten, die Leute systematisch zu verblöden. Leider ist das kein Straftatbestand. STADTBLATT: Wird einem die, wie Sie in Ihrem Buch schreiben "überproportional ausgeprägte Sehnsucht nach Gerechtigkeit" in die Wiege gelegt? Staeck: Ich glaube ja. Es kommt aber auch auf Umfeld und Erziehung an. STADTBLATT: Was sagen Sie zum steigenden Ölpreis? Staeck: Der muss noch weiter steigen. Die Leute wissen doch heute ganz genau, was sie umweltpolitisch anrichten, oder sie wollen es nicht wissen. Nach meiner Erfahrung läuft Umdenken meist nur über den Geldbeutel. Deshalb die große Aufregung jetzt. STADTBLATT: Worauf führen Sie das zurück? Staeck: Die Deutschen sind autokrank. Ich wollte mal ein Plakat machen: "Wir müssen sterben, damit die Autos leben können". Autos haben offensichtlich einen höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft als der Mensch. Da stimmt etwas nicht. Es ist die Aufgabe von Leuten wie mir, auf diese Wunde immer wieder hinzuweisen. STADTBLATT: Kunst um ihrer selbst Willen war nie Ihre Sache? Staeck: Nein, dafür bin ich viel zu politisch engagiert. Trotzdem benutze ich die Kunst nicht als Vehikel für meine politischen Ideen. Kunst und Politik sind immer für mich eine Einheit, eins greift ins andere. Und es hat mir bis heute meine Unabhängigkeit bewahrt. STADTBLATT: Müssen im neuen Jahrhundert neue Aktionsformen gefunden werden? Staeck: Das glaube ich schon. Aber es müssen Aktionsformen gefunden werden, die nicht nur vordergründig spektakulär sind. Im Augenblick hat man nur mit "Events" Erfolg nach dem Motto der Medien: "Das hatten wir noch nicht". Ich bleibe in dem Sinne konservativ. Es gibt Formen der Aufklärung, die mal gehört werden und mal nicht. STADTBLATT: Was haben Sie für Pläne? Staeck: Wichtige. Kürzlich traf ich einen alten Bekannten. Der fragte mich: "Bist Du immer noch aktiv?" Ich antwortete: "Warum soll ich nicht mehr aktiv sein, ich bin doch nicht krank!" |
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Klaus Staeck: "Ohne Auftrag - Unterwegs in Sachen Kunst und Politik", Steidl
Verlag, Göttingen, ISBN 3-88243-739-1, 300 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 49,80 Mark. |
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